Im Redaktions-TestWas die neuen Wasserstoff-Autos leisten können
- Wasserstoffautos gelten als zukunftsweisend – im Alltag sind sie noch nicht angekommen. Warum nicht?
- Rundschau-Redakteur Ingo Schmitz geht der Frage nach. Nein, er fährt ihr nach – mit einem Toyota Mirai.
Köln – Wasserstoff ist die Zukunft der Mobilität – und das schon seit über 40 Jahren. Zwar ist die Brennstoffzelle im Pkw aus dem Versuchsstadium raus. Toyota und Hyundai haben Serienmodelle auf dem Markt. Auch gibt es nicht wenige Experten, die dem Wasserstoff einen längeren Atem als der Batterie attestieren. Warum werden Wasserstoffautos so wenig gefahren? Ein Selbstversuch mit einem Toyota Mirai. Das japanische Wort für Zukunft.
Außerweltliches Gleiten
Man fährt nicht mit einem Mirai. Man gleitet. Der Toyota hat einen E-Motor. Allerdings wird der nicht von einer Batterie gespeist. Die gibt es lediglich zur Unterstützung beim Anfahren oder im Power-Modus. Der „Saft“ kommt aus einer Brennstoffzelle. Die zieht sich Wasserstoff aus zwei Tanks. Durch den Kühlergrill wird Sauerstoff eingesogen.
Strom aus Wasserstoff
Brennstoffzellen für Pkw sind teuer in der Herstellung. Doch das ist nur ein Problem der Wasserstofftechnik. Die H2-Herstellung per Elektrolyse kostet viel Strom – und alles dafür, dass aus dem mit Strom erzeugten Wasserstoff wieder Strom erzeugen wird. Wirkungsgrad unterm Strich 40 Prozent – Batterieautos schneiden mit 70 Prozent viel besser ab.
Das Blatt wendet sich aber, wenn ungenutzte Kapazitäten beispielsweise der Windkraft eingesetzt werden. Windräder werden bei starkem, anhaltendem Wind abgestellt, weil die überschüssige Energie nicht gespeichert werden kann. Würde sie zur Herstellung von Wasserstoff genutzt, gerät das Argument Wirkungsgrad in den Hintergrund, und die Wasserstoffzelle hat die Nase vorn.
So wenig der Autofahrer ein Differentialgetriebe auseinanderbauen können muss, so wenig muss er die Funktionsweise der Brennstoffzelle verstehen. Wichtig allein: Aus Wasserstoff und Sauerstoff entsteht Wasserdampf, dabei fließt Strom. Der verleiht dem Motor die Kraft von rund 150 PS.
Das lässt aber nur bedingt den Vergleich mit einem gleich starken Verbrenner zu. Denn beim E-Motor steht das Drehmoment unmittelbar zur Verfügung. Es ist also ein kraftvolles Gleiten. Und im Mirai ist alles darauf ausgelegt, dieses kraftvolle Gleiten noch zu umschmeicheln. Mit Schall dämpfenden Fenstern und einer Ausstattung der oberen Mittelklasse bewegt man sich mitten durch den Verkehr – und ist dennoch der Welt entrückt.
Ein Netz aus Löchern
Zuständig für die Wasserstofftankstellen ist ein Firmenkonsortium (unter anderem Daimler, Linde und Shell), das unter dem Namen H2.Life firmiert und von der Bundesregierung gefördert wird. Rund 80 Wasserstofftankstellen gibt es bundesweit, meist in Ballungsgebieten.
Köln ist gesegnet mit einer Wasserstofftankstelle am Flughafen und einer in Frechen direkt an Stadtgrenze. Für ausgedehnte Sonntagsausflüge braucht es indes einen kühl rechnenden Kopf. Es lässt sich eher Gold in den Bächen der Eifel oder des Sauerlandes finden als Wasserstoff an dortigen Straßen. Bis Ende des Jahres soll das Netz auf 100 Tankstellen ausgebaut werden. Unter anderem der ADAC sagt, bei rund 1000 Tankstellen bundesweit wäre die Versorgung als gut zu bezeichnen.
Tanken unter Druck
Der Tankvorgang weicht nur in Details vom Altbekannten ab. Doch in den Details steckt der Teufel. Gekühlt und unter Druck können maximal fünf Kilo Wasserstoff in die Tanks des Mirai gepresst werden. Befülldauer: vier Minuten. Doch bevor die massive Tankpistole der Tankstelle in Frechen an dem Stutzen unter dem Tankdeckel arretiert werden kann, muss der Magnetstreifen der Tankkarte von H2.Life eingelesen werden. Der Besitzer eines Benziners würde wohl nach der dritten Fehlermeldung „Karte kann nicht gelesen werden“ einfach die nächste Tankstelle anfahren. Der Fahrer eines Wasserstoffautos nimmt den erst beim zwölften Versuch erfolgreichen Lesevorgang mit tiefer Dankbarkeit entgegen. Das dünne Netz lehrt Demut.
Danach funktioniert der erste Tankversuch in Frechen reibungslos. Nicht aber der zweite. Ist es wegen der Hitze an diesem Tag? Hat die Tankanlage eine Fehlfunktion? Beim Tankvorgang wird nicht genug Druck aufgebaut. Gut ein Viertel des Tanks bleibt leer. Kostbare Reichweite geht verloren im Land der dünn gesäten H2-Stationen. Dann also doch noch an den Flughafen. Und auch hier widrige Umstände, wenn auch äußere. Die Tanksäule ist von einem Dauerparker zugestellt. „Kommt ja nie einer.“
So weit der Kopf reicht
Über 500 Kilometer stellt Toyota bei vollen Tanks in Aussicht. Und bei besonnener Fahrt. Jedoch der Test-Mirai wurde vorrangig von Testern gefahren. Und wie der Bordcomputer verrät, hat die am kraftvollem Gleiten des Autos vor allem das Kraftvolle interessiert. Die Reichweitenanzeige ist bei maximaler Befüllung auf rund 360 Kilometer runter. Wer wagt da im Vertrauen auf die eigenen Fahrkünste und der Herstellerangabe eine Fahrt in die Tiefen des wasserstofffreien Raums? Liegen bleiben heißt Abschleppen. Wasserstoff geht in keinen Kanister rein.
Soweit die Moral reicht
Die Zukunft braucht Überzeugungstäter. Über das Portemonnaie jedenfalls fängt der Wasserstoff-Pkw seine Kunden nicht ein. Auch bei gediegenster Fahrweise sinkt der Verbrauch der 4,9 Meter langen und rund zwei Tonnen schweren Limousine nicht unter 0,9 Kilo Wasserstoff auf 100 Kilometer. Das entspricht sieben bis acht Litern Benzin (E10) auf 100 Kilometer. Der Kaufpreis für das Auto: rund 78.000 Euro.
Welche Alternativen gibt es am Markt?
Konkurrenz auf dem Markt braucht der Mirai kaum zu fürchten, denn es gibt sie kaum. Einzig Hyundai bietet mit dem Nexo einen frei zu kaufenden Wasserstoff-Pkw. Preis: Ab rund 77.000 Euro. Den Mercedes LC F-Cell gibt es dagegen nur für „ausgewählte Kunden“, heißt es aus Stuttgart. So auch bei Honda. Im Herbst erscheint ein neues Modell des Mirai vorerst in Japan. Das tut auch Not. Das jetzige Modell ging erstmals 2015 vom Band. Unter anderem bei Sprachsteuerung, Navigation und Berührungsempfindlichkeit der Instrumente hinkt der Mirai mittlerweile hinterher.