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Ökobauern und Grüne schlagen AlarmEU plant offenbar Lockerung der strengen Regeln für grüne Gentechnik

Lesezeit 4 Minuten
Ein Schild mit der Aufschrift „Genfood“, aufgenommen vor einem gentechnisch veränderten Maiskolben auf einem Feld.

Noch ist nicht klar, ob EU-Bürger künftig im Supermarkt gentechnisch veränderte Lebensmittel ohne extra Kennzeichnung finden. (Archivbild)

Ein entsprechender Entwurf war durchgesickert. Ökobauern und Grünen-Politiker warnen vor möglichen Risiken für Mensch und Natur.

Mais, dem Hitze und Trockenheit kaum schadet; Tomaten, die mehr Provitamin D3 enthalten; Sojabohnen, die widerstandsfähiger sind gegen Unkrautvernichtungsmittel – Befürworter von grüner Gentechnik betonen unaufhörlich deren potenziellen Vorteile. Dagegen warnen vorneweg Ökobauern und Grünen-Politiker vor möglichen Risiken für Mensch und Natur, würden sogenannte genomeditierte Pflanzen regelmäßig auf den Tellern der Europäer landen.

Der Streit zwischen den beiden Seiten dürfte bald wieder lauter, der Ton erbitterter werden. Denn die EU-Kommission plant offenbar, die derzeit strengen Gentechnik-Regeln zu lockern. Sollte der bislang unveröffentlichte, aber durchgesickerte Entwurf ohne Änderungen von der Behörde so vorgestellt werden, könnte das eine alte Debatte neu entfachen.

Gentechnisch veränderte Lebensmittel bald im Supermarkt?

Werden Europas Bürger künftig im Supermarktregal gentechnisch veränderte Lebensmittel finden, ohne dass diese als solche gekennzeichnet sind? Konkret ist geplant, dass bestimmte neue gentechnische Methoden (NGT) nicht den strikten EU-Vorschriften unterliegen sollen, wenn die dadurch entwickelten Sorten auch durch Verfahren wie Kreuzung oder Auslese hätten entstehen können.

Dazu soll etwa die Crispr/Cas-Gen-schere gehören, eine Methode, bei der DNA gezielt zerschnitten oder verändert wird und einzelne Gene eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden. Skeptiker aber monieren, dass sich Manipulationen nicht immer mit den bekannten Analyseverfahren noch identifizieren ließen.

Zusätzliche Herausforderung für Öko-Landwirte und Bio-Lebensmittelhersteller

Öko-Landwirte und Bio-Lebensmittelhersteller sehen sich zudem mit einer zusätzlichen Herausforderung konfrontiert. Sie müssten sich weiter an die Regeln halten, hätten es aber schwer, eine Verunreinigung ihrer eigenen Produkte mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu verhindern. Was, wenn der Wind den Samen vom nahegelegenen Hof auf die eigenen Felder weht? Noch ist es ein weiter Weg bis zu einer endgültigen Entscheidung.

Sollte die Kommission ihren Vorschlag unterbreiten, muss das Gesetz im Anschluss vom Rat, also dem Gremium der 27 Mitgliedstaaten, sowie vom EU-Parlament verhandelt und beschlossen werden. Und im Abgeordnetenhaus sorgt der Entwurf jetzt schon für Aufruhr bei den Grünen. Er platzt in eine ohnehin aufgeladene Zeit, in der die Landwirtschaft einmal wieder ins Zentrum der Debatten gerückt ist.

Aufstand der Union

Die Europäische Volkspartei (EVP), zu der die CDU und CSU zählen, schwingt sich dieser Tage – aufgeschreckt durch den Erfolg der rechtspopulistischen Bauer-Bürger-Bewegung BBB in den Niederlanden – zur Schutzmacht aller Landwirte auf, die man vor angeblicher Überregulierung und vermeintlich schwierigen Gesetzesvorhaben bewahren will.

Damit zettelten die Konservativen einen Kulturkampf an, der in Wahrheit niemandem hilft, am wenigsten den Bauern vor Ort. Ob es um das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur geht oder die geplante Pestizid-Verordnung, laut der der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der EU bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent gesenkt werden soll: Der Aufstand der Union trifft zentrale Vorhaben des Grünen Deals, durch den die Gemeinschaft bis 2050 Klimaneutralität anstrebt.

Halbwahrheiten und Mythen

Er sollte als breites Bündnis umgesetzt werden. Ein Jahr vor den Europawahlen scheint die EVP aber keine Lust mehr am Mitgestalten zu haben, sondern schielt lieber auf verunsicherte Wähler, die sie mit Halbwahrheiten und Mythen füttert. Die Ernährungssicherheit zum Beispiel ist keineswegs bedroht, dafür trifft der Klimawandel die Landwirte in Europa schon heute schwer.

Zu trockene Sommer und milde Winter, häufigere Dürren, mehr Schädlingsbefall und Pflanzenkrankheiten – die Aussichten sind düster, weshalb der ökologische Umbau im Agrarbereich umso dringender und zügiger vorangetrieben werden muss. Die Blockadehaltung der EVP ist dagegen so peinlich wie destruktiv. Und sollte nicht noch zu Zugeständnissen führen. Denn die Sache mit der Gentechniköffnung darf als Kompromissangebot verstanden werden, ganz nach dem Geben-und-Nehmen-Prinzip.

Der für Umwelt- und Klimafragen zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans, Sozialdemokrat und aktueller Hauptgegner der EVP, scheint auf einen Erfolg bei der Pestizidreduktion zu hoffen, sollte die Behörde bei der von den Konservativen geforderten Lockerung der Gentechnikregeln guten Willen zeigen. Über die Zulassung neuer Züchtungsmethoden kann und sollte man streiten. Sie aber zum Zweck eines Tauschgeschäfts zu empfehlen, wäre ein Fehler von Seiten der Kommission. Es würde die Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit der gesamten EU-Klimapolitik infrage stellen.


Was die Bundesregierung dazu sagt

Ob sich die Ampel gegen das Vorhaben stark macht, ist unklar. Das von den Grünen geführte Bundesumweltministerium hatte sich in der Vergangenheit skeptisch zu Lockerungen der Gentechnikregeln geäußert, dagegen signalisiert das von der FDP geführte Bundesforschungsministerium grundsätzliche Unterstützung.

Aus dem vom Grünen Cem Özdemir geführten Agrarministerium hieß es, gentechnisch veränderte Pflanzen sollten eine Risikoprüfung durchlaufen, gekennzeichnet werden und rückverfolgbar sein. Die SPD-Fraktion im Bundestag zeigte sich skeptisch bis ablehnend. (dpa)