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Gothaer und BarmeniaWas man jetzt zur geplanten Großfusion wissen muss

Lesezeit 3 Minuten
Das Logo hängt über dem Sitz der Gothaer Versicherung in Köln.

Das Logo hängt über dem Sitz der Gothaer Versicherung in Köln.

Zusammen wären die Kölner Gothaer und die Wuppertaler Barmenia der zehntgrößte deutsche Versicherungskonzern. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Großfusion auf dem deutschen Versicherungsmarkt: Die Gothaer Versicherung mit Sitz in Köln will mit ihrem Wuppertaler Konkurrenten Barmenia fusionieren. Zusammen hätten die beiden Versicherer nach dem Stand von 2022 Beitragseinnahmen von 7,4 Milliarden Euro und wären damit der zehntgrößte deutsche Versicherungskonzern.

Wie ist der Stand der Gespräche?

Beide Versicherungskonzerne sind in der Rechtsform eines Versichderungsvereins auf Gegenseitigkeit organisiert, gehören also ihren Mitgliedern. „Nach intensiven Vorgesprächen und der Information der jeweiligen Mitgliedervertreterversammlungen der traditionsreichen Versicherungsvereine werden sie nun in die Due Diligence Phase eintreten“, erklären beide – also in eine Zeit intensiver Prüfungen der wirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Verhältnisse auf beiden Seiten. Beschlossen ist der Zusammenschluss also noch nicht. „Wir wollten aber bewusst bereits in dieser frühen Phase informieren“, sagte Gothaer-Sprecherin Martina Faßbender der Rundschau.

Was bedeutet das für die Standorte?

Nach eigenen Angaben planen beide Konzerne einen Zusammenschluss auf Augenhöhe. Die sie tragenden Versicherungsvereine bleiben erhalten, es gibt mit Köln und Wuppertal zwei Unternehmenssitze. Köln wird Sitz der gemeinsamen Holding, die – dem Alphabet folgend – „Barmenia Gothaer Finanzholding AG“ heißen wird und den beiden Versicherungsvereinen gehören wird. Die Gothaer beschäftigt rund 5000 Mitarbeiter, davon knapp 3500 am Unternehmenssitz in Köln. Von den 4500 Barmenia-Angestellten haben 2200 ihren Arbeitsplatz in Wuppertal. Für alle Festangestellten soll nach einer Fusion drei Jahre lang Kündigungsschutz gelten, und Faßbender verspricht: „Wer bisher in Köln arbeitet, kann es auch weiter tun.“ Das gleiche gelte für Wuppertal.

Wer soll das Unternehmen führen?

Gothaer-Chef Oliver Schoeller und sein Barmenia-Kollege Andreas Eurich sollen das neue Unternehmen gemeinsam führen. Parität auch im Aufsichtsrat mit den Aufsichtsratschefs Josef Beutelmann (bisher Barmenia) und Werner Görg (bisher Gothaer).

Warum soll der Zusammenschluss kommen?

„Die Barmenia und die Gothaer ergänzen sich perfekt“, sagt Gothaer-Chef Oliver Schoeller. Sein Barmenia-Kollege Eurich geht ins Detail: „Die Barmenia hat ihre besondere Stärke in der Krankenversicherung, die Gothaer ist sehr stark im Bereich Komposit“ – damit sind Schaden- und Unfallversicherungen gemeint. Dementsprechend sei die Barmenia vor allem bei Privatkunden stark, die Gothaer wachse im Firmenkundengeschäft. Schoeller: „Durch einen Zusammenschluss können wir unsere Wettbewerbs- und Marktposition deutlich ausbauen und rücken unter die Top10 der deutschen Versicherungsbranche auf.“

Die Markennamen bleiben erhalten, und wie genau der Zusammenschluss technisch erfolgen soll – ob also einzelne Versicherungstöchter beider Konzerne zusammengehen oder getrennt bleiben –, ist noch unklar. Die Gothaer ist mit ihren 4,6 Milliarden Euro Beitragseinnahmen (2022) deutlich größer als die Barmenia mit 2,8 Milliarden. Im letzten Jahr hatte die Gothaer in der Sachversicherung stark zugelegt und ist beispielsweise Marktführer bei der Absicherung von Windkraftanlagen, dem stand bei der Lebensversicherungstochter ein Rückgang der Einnahmen um 18,4 Prozent auf knapp 1,2 Milliarden Euro gegenüber. Die Barmenia erwirtschaftet ihre Einnahmen ganz überwiegend – zu fast 79Prozent – in der Krankenversicherung. Hier ist sie nach Beitragseinnahmen von 2,2 Milliarden Euro (2022) die Nummer sechs auf dem deutschen Markt.

Knapp zwei Drittel des Barmenia-Krankenversicherungsgeschäfts entfallen auf die klassische Krankheitskostenvollversicherung, ein Geschäftszweig, dessen größtes Risiko die politische Regulierung ist: Jedes Jahr steigen die Versicherungspflichtgrenzen, die den Zugang zur privaten Vollversicherung limitieren, und in jedem Wahlkampf ist die Einführung einer einheitlichen „Bürgerversicherung“ für alle Thema. Immerhin konnte die Barmenia 2022 aber nicht nur ihre Beitragseinnahmen aus der Krankenversicherung um sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern, sondern sondern auch die Zahl der Vollversicherten um 2801 auf 302 382. Das Krankenversicherungsgeschäft der Gothaer ist mit 917 Millionen Euro Beitragseinnahmen nicht einmal halb so groß. Netto gingen hier im Vorjahr 3198 Vollversicherte verloren (bei noch 123 312 Personen).