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Finanzinfos in sozialen MedienFinanzinfluencer werden für jüngere Menschen immer wichtig – welche Chancen und Risiken sie bergen

Lesezeit 6 Minuten
Eine Frau guckt auf ein Handy

Finfluencer haben großen Einfluss.

Finanzinfluencer helfen vor allem jungen Anlegern beim Einstieg ins Thema Geld und Investment, doch nicht alle geben seriöse Tipps. Mit zunehmender Verbreitung wächst auch die politische Debatte über gesetzliche Regulierung.

Mit gegelten Haaren und im blauen Anzug läuft ein junger Mann über die Wall Street. Das Gebäude der New Yorker Börse zieht in dem Video an ihm vorbei, während er in energischem Ton erklärt, wie man schon mit Anfang 20 Millionär werden könne. Für den schnellen Reichtum brauche es parallel zu Investments eine steile Karriere.

Der junge Mann ist Finfluencer (kurz für Finanzinfluencer). In den sozialen Medien bereiten sie Infos über die Finanzwelt für ihre Follower auf, manchmal geben sie konkrete Tipps für Investments. Die bekanntesten Deutschlands haben auf Instagram bis zu 800.000 Follower.

357 aktive deutschsprachige Finfluencer hat das Forschungsprojekt „Finfluencer Relations“ identifiziert, das unter anderem von der HHL Leipzig Graduate School of Management durchgeführt und von dem IT-Unternehmen Bechtle sowie der Deutschen Telekom unterstützt wird. 81 Prozent der untersuchten Finfluencer sind laut ersten Ergebnissen der noch unveröffentlichten Gesamtstudie Männer. Hauptthemen der untersuchten Accounts seien unter anderem Einzelaktien und Vermögensaufbau und Altersvorsorge. Wie andere Influencer treten sie als Privatpersonen auf.

Viele Finfluencer sind Autodidakten.
vProf. Henning Zülch, HHL Leipzig Graduate School of Management

Angebote von Finfluencern haben für jüngere Anlegerinnen und Anleger eine große Bedeutung, sagt eine aktuelle Befragung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vom September. Die Behörde hat 1000 Verbraucherinnen und Verbraucher im Alter von 18 bis 45 Jahren befragt, die in den letzten zwei Jahren Geld angelegt oder investiert hatten. 57 Prozent von ihnen haben schon mal ein Investment über einen Link abgeschlossen, den ein Finfluencer gepostet hat. 60 Prozent betrachten Finfluencer als gute Alternative zur professionellen Beratung.

Ulf Linke, Leiter der Gruppe für Präventivmaßnahmen zum kollektiven Verbraucherschutz bei der BaFin, empfiehlt aber: „Man sollte Finfluencer hinterfragen, gerne auch eine zweite Meinung einholen und vor allem selbst recherchieren. Dafür darf man ruhig ein bisschen mehr Zeit investieren.“ Auf ihrer Webiste warnt die BaFin: „Unzählige falsche oder nur teilweise richtige Darstellungen“ würden kursieren.

Eine Befragung der BaFin zeigt: Finfluencer haben großen Einfluss.

Das Forschungsprojekt der HHL stellte durch eine weitere Studie, bei der 106 deutschsprachige Finfluencern befragt wurden, fest: 98 Prozent gaben Finanzbildung als ihr Kernanliegen an. Für 74 Prozent war außerdem die eigene Weiterbildung im Finanzbereich wichtig. „Viele Finfluencer sind Autodidakten, die ihre eigene Lernkurve teilen“, so Studienautor Prof. Henning Zülch von der HHL.

Werbekennzeichnungen der Finfluencer oft nicht sichtbar genug

In die Kasse der Finfluencer floss in über der Hälfte der Fälle schon einmal Geld für eine Kooperation mit einem Unternehmen. Dabei seien besonders Partnerschaften mit Finanzdienstleistern beliebt, die ihre Produkte über Affiliate-Links bewerben. Diese Links leiten auf externe Websites weiter, pro Klick oder Kauf wird dann mit dem Finfluencer abgerechnet. Ihre Arbeit sei für viele außerdem mehr als ein Hobby: Einen Jahresumsatz von über 50.000 Euro machten 24 Prozent der Befragten.

Alle Influencer müssen kenntlich machen, wenn sie für ihre Empfehlungen entlohnt werden. Dass dies nicht immer transparent läuft, zeigen weitere Ergebnisse der BaFin-Befragung. Fast 40 Prozent der Befragten hätten gar nicht gewusst, dass Finfluencer regelmäßig Vergütungen erhalten.

Finfluencer werden nicht staatlich beaufsichtigt, so wie es bei Anlageberaterinnen und -beratern der Fall ist. Für die Überwachung von letzteren ist die BaFin zuständig. Denn: Tätigkeiten wie auf Kunden abgestimmte Anlageberatungen sind erlaubnispflichtig. Wer sie erbringen will, muss entsprechende Qualifikationen haben.

Gibt ein Influencer auf seinem Account Empfehlungen, legt seinen Followern beispielsweise eine bestimmte Aktie ans Herz, muss er sich zwar keine Erlaubnis holen, aber die Tätigkeit bei der BaFin anzeigen. Solange Finfluencer jedoch ausschließlich aufklären, anstatt zu beraten, ist die BaFin nicht für sie zuständig. Die Behörde könne aber ohne Erlaubnis erbrachte Finanzdienstleistungen untersagen, erklärt Linke. Solche Verfügungen der BaFin können mit hohen Zwangsgeldern durchgesetzt werden. „Wer ohne Erlaubnis Finanzdienstleistungen erbringt, macht sich daneben auch strafbar.“

Mir ist ganz wichtig zu betonen, dass Finfluencer ein guter Einstieg sein können.
Ulf Linke, Leiter der Gruppe für Präventivmaßnahmen zum kollektiven Verbraucherschutz bei der BaFin

Die Behörde beobachte das Thema Finfluencer seit mehreren Jahren, sagt Ulf Linke. Der BaFin sei es daher wichtig, über den Umgang mit sozialen Netzwerken bei der Geldanlage zu informieren „und Anleger dafür zu sensibilisieren, wann die Alarmglocken angehen sollten“ (siehe Infokasten). Dass viele Finfluencer mit ihrem angeblichen Reichtum angeben, könne eine klare Beurteilung für Verbraucherinnen und Verbraucher erschweren. „Auf keinen Fall von Statussymbolen blenden lassen“, rät Linke. „Wenn sich jemand auf Fotos mit der Rolex vor den dicken BMW oder Mercedes stellt, dann sollte man stutzig werden.“

Trotzdem lehnt die BaFin Finfluencer nicht kategorisch ab. „Mir ist ganz wichtig zu betonen, dass Finfluencer ein guter Einstieg sein können. Gerade für junge Menschen sind sie ein niedrigschwelliges Angebot, um sich überhaupt mal mit Finanzthemen zu beschäftigen.“ Einen Finanzberater ersetzen, das kann ein Finfluencer laut Linke aber nicht. „Der Finanzberater kennt Ihre finanzielle Situation, er weiß, wie riskant und wie lange Sie Ihr Geld anlegen möchten. Das sind alles Dinge, die der Berater, den wir ja unter Aufsicht haben, vorher fragen und berücksichtigen wird.“

Wie weit es führen kann, wenn Finfluencer unseriöse Tipps geben, wurde jüngst am Fall einer der größten deutschen Accounts deutlich. Der Betreiber stand im Mittelpunkt eines Skandals, nachdem durch Recherchen von NDR und Spiegel herauskam, dass er über sein Netzwerk Immobilien mit riskanten Finanzierungen und nicht eingehaltenen Sanierungsverspechen verkaufte.

Beratungen über Regulierungen auf EU-Ebene

In der Politik wurden schon vor diesem Fall Stimmen laut, die strengere Regeln für Finfluencer fordern. So teilt eine Sprecherin des Bundesministeriums der Finanzen auf Nachfrage der Rundschau mit: Auf EU-Ebene werde momentan ein Legislativvorschlag für eine Kleinanlegerstrategie beraten, der auch die Tätigkeit von Finfluencern erfasst, sofern sie zugunsten von beaufsichtigten Wertpapierfirmen gegen eine Vergütung Finanzinstrumente und Finanzdienstleistungen empfehlen. „Im Kern sollen demnach die Wertpapierfirmen dafür sorgen, dass die von ihnen beauftragten Finfluencer dabei nicht gegen finanzmarktrechtliche Vorgaben verstoßen. Dieser Ansatz erscheint ausgewogen und zielführend.“

Die Grünen-Fraktion im Bundestag erregte schon zu Beginn des Jahres Aufsehen mit ihrer Forderung nach einem europaweiten Werbeverbot für bestimmte (Finanz-)Produkte. Laut Grünen-Politiker Stefan Schmidt, Mitglied im Ausschuss für Finanzen, setze man sich konkret im Rahmen der geplanten EU-Kleinanlegerstrategie und den anstehenden Reformen durch den EU-Digital Fairness Check dafür ein, dass es zu einer besseren Regulierung von Finfluencern kommt. Dazu stehe man unter anderem mit den Kolleginnen und Kollegen im Europaparlament im engen Austausch. „In Betracht kommt für uns dabei zum einen ein Werbeverbot für besonders riskante Anlagen“, so Schmidt. Auch die gezieltere Regulierung von Werbung durch eine Umsetzung der geplanten EU-Kleinanlegerstrategie sei ein Ziel.

Die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Tillmann, erklärte dazu, die Union wolle von nationalen Alleingängen absehen und die europäischen Ergebnisse der Verhandlungen zur Kleinanlegerstrategie abwarten. „Ein pauschales Werbeverbot für bestimmte Finanzprodukte halten wir dagegen nach heutigem Stand nicht für zielführend.“