Finanzchef im Interview„Inzwischen sind wir mit der Kölner Messe vorne dabei“

Das Kongresszentrum Confex hätte Herbert Marner gerne noch eingeweiht.
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Köln – Ende des Monat verlässt Herbert Marner, der Finanzgeschäftsführer der Kölner Messe, nach über 20 Jahren das Unternehmen. Ralf Arenz und Tobias Wolff sprachen mit ihm über bewegte Zeiten.
Sie kamen in einer schwierigen Zeit zur Messe.
Ja stimmt, es gab seinerzeit einen gewaltigen Umbruch in der Messeszene. Köln hatte gerade die Hausgerätemesse Domotechnica verloren, damals eine der größten. Dann war auch Schluss für die Modemessen. Eisenwarenmesse und spoga+gafa gingen vom jährlichen in den Zwei-Jahres-Turnus. Das waren schwere Schläge für Umsatz und Ergebnis. Es gab also viel zu tun. Wie die gesamte Messeszene musste auch die Koelnmesse umdenken: Kundenorientierung statt nur jahrelange Erfolge verwalten. Ich denke, das ist uns in den Folgejahren gelungen – mit Gerald Böse als Messechef und einem tollen Team, das die neuen Herausforderungen verstanden und umgesetzt hat.
Zur Person

Herbert Marner
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Herbert Marner wurde 1955 in Dernau an der Ahr geboren. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre übte er unter anderem von 1981 bis 1996 verschiedene Funktionen bei der Tektronix aus, zuletzt als Manager Central Europe für Finanzen und Personal. Von 1996 bis 1998 war er Bereichsleiter Finanzen und Controlling des Telekommunikationsunternehmen o.tel.o.
Als kaufmännischer Geschäftsführer der Dolphin Telecom wirkte er danach maßgeblich an der Gründung und Markteinführung des Mobilfunkbetreibers mit. Am 01.10.2001 trat Herbert Marner als kaufmännischer Geschäftsführer in die Kölner Messe ein. Neben den Bereichen Finanzen und Controlling sowie Einkauf und IT ist er als Verantwortlicher für die Infrastuktur auch federführend für die Planung und Umsetzung des laufenden Investitionsprogramms. (raz)
Die Messe hat ein Investitionsprogramm aufgelegt, als schon hohe Mietzahlungen an den Oppenheim-Esch-Fonds für die neuen Nordhallen drohten. Gab es eigentlich nie die Idee, die Messe auf die grüne Wiese zu verlegen?
Nein. 2003, als die Entscheidung anstand, hätten wir gar nicht das Geld dazu gehabt. Und es gab gute strategische Gründe. Es war schon damals unsere Erkenntnis, dass eine innerstädtische Lage immens viele Vorteile hat. Auch heute noch schätzen es unsere Kunden sehr, dass wir mitten in der Stadt sind.
Sie haben die Messe ab 2007 auch ein Jahr geleitet. Da konnten Sie für das Jahr 2006 schwarze Zahlen präsentieren.
Als seinerzeit CEO Jochen Witt das Unternehmen verlassen hatte, hat mich der damalige Aufsichtsratsvorsitzende gefragt, ob ich interimsweise einspringen könnte. Ich habe da keine Sekunde gezögert. Ich bin verantwortlicher Manager in diesem Unternehmen und da, wo man gebraucht wird, muss man helfen. Ich habe mich immer auch verantwortlich für das Gesamtunternehmen gesehen.
Glaubt man Medienberichten von damals, waren Sie auch im Gespräch als Messe-Chef.
Das wurde kolportiert, war aber nicht meine Priorität. Mein Bestreben war immer, maßgeblich an der Unternehmensstrategie mitzuarbeiten und mich bei der Umsetzung einbringen zu können. Dafür muss man nicht an der Spitze stehen. Ich habe mich bei vielen Gelegenheiten als Messechef sehr wohl gefühlt, etwa bei der Eröffnung der Anuga 2007 oder immer, wenn ich internationale Gäste oder Politiker empfangen durfte. Ich fühle mich aber auch wohl, wenn ich dies nicht zum Schwerpunkt meiner Aufgaben machen muss.
Wenn Sie gerufen werden, dann sind sie da?
Ja, selbstverständlich. Ich freue mich aber auch über das viele positive Feedback, das ich auf meine damalige Tätigkeit intern wie extern bekommen habe.
2008 warf die Finanz- und Wirtschaftskrise alle Pläne über den Haufen und es wurde finanziell eng.
Ja, das muss man so sagen. Ganz eng war es 2012. Wir hatten schon die Sorge, dass wir zusätzliche Hilfe von Gesellschaftern brauchen würden. Aber die neue Strategie, die wir in der Finanz- und Wirtschaftskrise gemeinsam aufgelegt haben, wirkte. Dazu gehörte etwa die Zentralisierung von Funktionen und die Bündelung von Messen, die inhaltlich zusammengehören, in Kompetenzfeldern, etwa rund um Möbel oder Ernährung. Da haben die Kollegen in anderen deutschen Messegesellschaften zunächst erstaunt geschaut, heute macht das fast jede Messe so.
2013 gab es den ersten Gewinn nach 2006 und die Messe hat ein Investitionsprogramm aufgelegt.
Als wir Licht im Tunnel sahen, haben wir ab 2014 im Kern den weiterhin laufenden Plan „Koelnmesse 3.0„ aufgelegt. Es gab seinerzeit einen riesigen Investitionsstau. In den alten Hallen waren aus verständlichen Gründen lange Zeit nur die nötigsten Reparaturen erfolgt. Wir haben damals überlegt, wie Messen wohl in zehn Jahren aussehen und welche Gebäude man dazu benötigt. Das haben wir unseren Planungen zugrunde gelegt.
Worum geht es im Kern?
Es geht um Nachhaltigkeit. Unser neues Parkhaus etwa bietet eine Anbindung direkt an die Zoobrücke und hält Autoverkehr aus der Stadt heraus. Das Gelände muss flexibel nutzbar sein für Großmessen und für kleinere Veranstaltungen, von denen dann auch z. B. sechs parallel auf dem Gelände stattfinden können. Konferenzen und Messen wachsen immer mehr zusammen. Da reichen unsere Konferenzzentren nicht. Hier hilft uns die neue Ausstellungs- und Eventlocation Confex, die wir gerade bauen. Und es geht um Digitalisierung. In diesem Bereich haben wir uns massiv weiterentwickelt. Zunächst wollten wir nur „Smart Follower“ sein. Jetzt sind wir vorne dabei.
2019 gab es einen Rekordgewinn, dann kam Corona und ein Rekordverlust 2020. Das hat auch Ihre Pläne durchkreuzt. Das Confex können Sie nicht mehr einweihen, einen im Vorfeld für möglich gehaltenen Rekordumsatz von 500 Millionen nicht mehr verkünden. Schmerzt das?
Ja, das schmerzt! Die 500 Millionen erschienen im Vorfeld in meinem Abschiedsjahr greifbar. Das wäre natürlich keine Einzelleistung gewesen, sondern die des gesamten Teams und zeigt, dass wir einen erfolgreichen Weg beschritten haben. Ich bin etwas wehmütig, dass wir das nicht erreichen konnten. Ursächlich dafür sind aber keine Managementfehler, Grund dafür ist die Pandemie, in denen die Messen Berufsverbot bekommen haben.
Auch die Neubaupläne für die Zentrale sind tangiert. Habe Sie schon die Verlängerung des Mietvertrags für das Messehochhaus über 2025 hinaus unterschrieben?
Noch nicht. Klar ist aber, dass ein ins Auge gefasster Neubau der Messezentrale an der Deutz-Mülheimer-Straße derzeit nicht auf der Tagesordnung steht. Auch ein umfangreicher Umbau der bestehenden Zentrale nicht. Der würde die Miete stark nach oben treiben. Auch das passt nicht in die Zeit. Wirtschaftlichkeit muss die erste Priorität sein. Die Vermieter haben auch Verbesserungen am Gebäude zugesagt.
Sie sind schon ein Jahr länger geblieben als geplant. Kam eine weitere Verlängerung nicht in Frage, um etwa das Confex noch einzuweihen?
Nein. Diese Einweihung wäre ein tolles Ziel gewesen. Aber der Investitionsplan enthält ja weitere Höhepunkte wie das Terminal, die neue Ost-West-Verbindung im Gelände. Irgendwann muss der Schlussstrich gezogen werden. Ich bin zufrieden mit dem, was wir erreicht haben. Und ich bin glücklich, dass ich in so einem tollen Umfeld arbeiten durfte und dass es uns gelungen ist, aus einer sehr schwierigen Situation ein Unternehmen zu entwickeln, das an einem Strang zieht. Ich bleibe bis zum letzten Tag im Unternehmen und habe auch noch nicht viele konkrete Pläne gemacht, was danach kommt. Jeder ist ersetzbar, und die Koelnmesse ist gut gerüstet für die Zukunft. Wenn Wehmut aufkommt, dann vielleicht nach meinem Ausscheiden. Wir werden sehen.
Haben Sie eine Lieblingsmesse?
Eine ganz schwierige Frage. Aus kaufmännischer Sicht ist das die Anuga. Ich habe aber in so vielen Messen Innovation gespürt, dass die alle Spaß machen. Die gamescom ist eine Messe, die uns von ihren komplexen Abläufen und ihrer Organisation und Sicherheitsthemen enorm strapaziert. Das geht für alle Beteiligte bis an die Grenzen. Es macht dann aber unheimlich Spaß, eine so disziplinierte Klientel zu sehen, die geduldig ohne Murren stundenlang vor den Ständen in der Schlange steht. Aber letzten Endes ist mir immer die nächste Messe die liebste.
Was passiert, wenn an der Ahr jemand nach Ihnen ruft?
Dann bin ich da. Ich wohne ja da und bin selbst vom Hochwasser sehr betroffen. Wir haben kurz nach der Flut darüber nachgedacht, ob wir überhaupt dort weitermachen.. Ich habe aber meine Familie, meine Enkel, meine Freundeskreise überwiegend in der Region. Da kam ein Neubeginn woanders überhaupt nicht in Frage. Ich hätte nie eine derartige Katastrophe erwartet – ich hätte aber auch nie gedacht, dass unsere Gesellschaft eine derartige Hilfsbereitschaft an den Tag legt. Jung oder Alt, Frau oder Mann, egal, aus welcher Region in Deutschland und welcher Religion. Da sind Menschen zu Tausenden helfen gekommen und haben wirklich Drecksarbeit erledigt. Das war für mich zuvor unvorstellbar. Ohne diese Hilfe gäbe es das Ahrtal nicht mehr. Es hätte höchstens sehr eingeschränkt wieder aufgebaut werden können. Private Hilfe und Organisationen haben einen hervorragenden Job gemacht, Politik und staatliche Organisationen haben bei der Hilfe aber in weiten Teilen versagt. Wenn ich Einflussmöglichkeiten sehe und habe, werde ich die auch nutzen.
Gibt es Lockrufe vom 1. FC Köln?
Wenn der 1. FC Köln ruft, gehe ich gerne hin. Ich bin ein kontrollierter Fan und fahre nicht zu jedem Auswärtsspiel. Aber im September 2017, da habe ich gleich ein paar Flüge gebucht für meinen Sohn und zwei meiner Freunde. Da müssen wir hin, habe ich denen gesagt. Das ist das letzte Mal, dass wir den FC international sehen. So kann man sich irren. Wir sind dann in London gewesen – ein tolles Erlebnis. Natürlich freue ich mich darauf, wieder mit dem FC ins Ausland zu fahren.