30.000 Windräder hierzulande in Betrieb und es werden immer mehr. Brauchen wir eine Verdopplung der Anzahl, droht eine „Verspargelung“ der Landschaft. Doch das muss nicht sein.
Droht die „Verspargelung“?Experte überrascht mit Aussage zur Windkraft in Deutschland
Der Strom in Deutschland wird grüner werden. Kohle- und Gaskraftwerke sollen vom Netz, dafür Wind- und Solarenergie ausgebaut werden. Die Bundesregierung hat ambitionierte Ziele: Schon 2030 sollen Windräder an Land 115 Gigawatt Leistung einspeisen. Das ist gut doppelt so viel wie die derzeitigen 58 Gigawatt.
Bedeutet das doppelt so viele Windräder? 30 000 sind es derzeit. Die meisten stehen im Norden und Nordwesten der Republik; in Schleswig-Holstein sind es 3360, in Niedersachsen nach Angaben der Landesregierung etwa 6300. Damit ist das Bundesland bereits jetzt Windkraft-Spitzenreiter in Deutschland.
Verdoppelung der Anzahl?
Niedersachsens Energieminister Christian Meyer (Grüne) wagte kürzlich im Interview mit unserer Redaktion einen Blick in die energiepolitische Glaskugel: „Realistischerweise reden wir über eine Verdopplung der Zahl an Windrädern in Niedersachsen“, so Meyer. „Damit müssten sich unsere Ziele zur Erzeugung von Ökostrom umsetzen lassen.“
Für Gegner der Windenergie mag das einer Horrorvorstellung gleichkommen, beklagen sie doch schon jetzt eine „Verspargelung“ der Landschaft. Sieht man bald vor lauter Windrädern die Landschaft nicht mehr?
Knud Rehfeldt, Geschäftsführer bei „Deutsche Windguard“ vertritt genau die gegenteilige Auffassung: „Die Anlagenzahl wird nicht durch die Decke gehen. Dieses Schreckgespenst geht von einer falschen Grundannahme aus.“ Rehfeldt ist einer der Experten im Windkraftsektor in Deutschland, Windguard mit Sitz in Varel eine der gefragtesten Beratungsfirmen in diesem Sektor. Politik und Wirtschaft lassen sich von den Niedersachsen beraten.
Zahl der Anlagen selbst soll eher sinken
Bei seiner Prognose setzt Rehfeldt auf die technische Entwicklung: Die einzelnen Windräder werden immer leistungsfähiger. Die Anlagen, die derzeit am Netz seien, hätten eine Leistung von durchschnittlich zwei Megawatt pro Anlage, sagt Rehfeldt. „Bereits heute beträgt die durchschnittliche Anlagenleistung neu errichteter Anlagen circa 4,4 Megawatt mit steigender Tendenz.“
Rehfeldt geht deswegen davon aus, dass die Anlagenanzahl langfristig eher sinken wird, wenn das Ziel der Bundesregierung erfüllt wird – nach dem Motto: weniger Windräder, mehr Leistung. Ein Blick in aktuelle Antragsunterlagen für Windparks in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen bestätigt die Aussagen Rehfeldts, was die Leistungsfähigkeit angeht. So sollen in Ihlow, Landkreis Aurich in Niedersachsen, 26 ältere Anlagen vom Hersteller Enercon durch 14 neue Windenergieanlagen ersetzt werden. Der Vorgang wird auch Repowering genannt.
In einer Mitteilung des Produzenten hieß es kürzlich: „Der Parkertrag erhöht sich von 80 500 MWh auf 161 000 MWh pro Jahr. Wir erreichen somit eine Verdoppelung des Energieertrags bei einer Halbierung der Anlagenzahl.“ Ihlow bestätigt die These von Rehfedt. Der Blick in Antragsunterlagen für weitere Repowering-Projekte in Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls.
Oft, aber nicht immer, wird das Plus an Leistung auch dadurch erreicht, weil die neuen Windräder deutlich höher sind. In großer Höhe weht mehr Wind, der die noch mächtigeren Flügel antreibt. Die neuen Anlagen in Ihlow beispielsweise werden vom Sockel bis zur Rotorblattspitze knapp 200 Meter hoch sein. Das sind gut 40 Meter mehr als der Kölner Dom hoch ist.
Fachleute in Behörden sind hingegen skeptisch, dass am Ende der Energiewende nicht mehr, sondern weniger Windräder in Deutschland stehen werden. Zum einen nehme die Menge des benötigten Stroms tendenziell zu. Zum anderen könne nicht einfach jedes alte Windrad durch ein neues ersetzt werden, heißt es.
Verteilung auf größere Fläche
Eben weil die Tendenz bestehe, dass leistungsstärkere Windräder auch deutlich größer sind, bräuchten die Anlagen auch mehr Platz. Nicht nur, damit die Flügel nicht zusammenstoßen. Auch der Abstand zwischen den Anlagen müsse dann wachsen, damit sich die Rotoren nicht gegenseitig beim Windfluss blockieren.
Bedeutet: Die Windräder werden sich künftig auf eine größere Fläche verteilen (müssen). Auch, aber nicht nur in solchen Ländern wie Niedersachsen oder Schleswig-Holstein, in denen die Windkraft schon lange zur Landschaft gehört. Auch in Mecklenburg-Vorpommern oder im Süden wird der Ausbau vorangetrieben werden müssen. Aus Behördenkreisen heißt es: „Das hätte den höchst positiven Nebeneffekt, dass nicht alle Windräder immer das exakt gleiche Wetter sehen, was die Erzeugungskurve leicht verbreitert.“