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Dorint-Aufsichtsratschef im Interview„Kölner Hotelmarkt verkauft sich unter Wert“

Lesezeit 8 Minuten
Das Dorint-Hotel am Kölner Heumarkt.

Am Kölner Heumarkt steht das Flaggschiff der Dorint-Gruppe

Die Dorint-Gruppe hat im abgelaufenen Jahr unter dem Strich einen Verlust von 24 Millionen Euro erlitten. 2024 soll es wieder schwarze Zahlen geben.

Heftig hat die Corona-Pandemie den Hotels und Gaststätten zugesetzt. Die Dorint-Gruppe hat im abgelaufenen Jahr unter dem Strich einen Verlust von 24 Millionen Euro erlitten. 2024 soll es wieder schwarze Zahlen geben, sagte Aufsichtsrats-Chef Dirk Iserlohe.

Sie sind Aufsichtsratschef der Dorint. Wie sehr sind Sie im Tagesgeschäft beteiligt?

Dirk Iserloh: Aufsichtsrat ist eine formale Bezeichnung. Ich bin Familienunternehmer. Da die Familie Iserlohe die Hälfte des Unternehmens stellt, sind wir auch stets aktiv. Neben der Dorint gibt es bei der Honestis noch die Immobilienseite, in der die Verwaltung von Immobilien gebündelt wird.

Honestis-Chef und Dorint-Aufsichtsratschef Dirk Iserlohe

Honestis-Chef und Dorint-Aufsichtsratschef Dirk Iserlohe

Gibt es zwischen beiden Geschäften Verbindungen?

Ja, beim Hotel in Köln-Junkersdorf gehört der Honestis über die Immobilienseite 60 Prozent der Anteile, der Rest ist im Streubesitz. Wir investieren zum Teil auch in unsere eigenen Standorte, das ist aber in der Minderheit der Investments. Früher war das anders, da gab es mehr Immobilienfonds, bei denen Herbert Ebertz, Karl Bartel oder ich als Gesellschafter voll gehaftet haben. Das stelle ich seit 2006 um und versuche institutionelle Anleger, fremde Dritte, private Eigentümer oder Banken sowie Immobilienfonds als Eigentümer zu gewinnen, die dann einen Pachtvertrag mit der Dorint Gruppe abschließen. Das halten wir für besser mit Blick auf mögliche Interessenkonflikte. Und gerade die Coronazeit und Krisen davor haben gezeigt, dass diese Konstellation beide Partner hat überleben lassen. Als Eigentümer der Immobilien wollen wir deren Wert erhalten und damit halten wir auch den Pächter. Wir versuchen also da einen Ausgleich.

Können Sie uns ein Beispiel geben?

Das Dorint Hotel in Wiesbaden hat eine Jahrespacht von 3,4 Millionen Euro. Die konnten in der Corona-Phase nicht erwirtschaftet werden. Da kämpfe ich dafür, dass die Dorint Gruppe überlebt und wir auf der „Steine-Seite“ den Kapitaldienst bezahlen können. Da muss die Dorint-Seite einsehen, dass sie nur eine Pachtreduktion von – sagen wir – 25 Prozent verlangen kann. Wir sind also kooperativ, weil wir wissen, was der eine dem anderen in Krisen zumuten kann. Dafür hat man uns früher des Öfteren angegriffen, ohne dabei zu registrieren, dass das Überleben doch ein erstrebenswertes Ziel ist. Trotzdem ist der Interessenkonflikt formal nicht in Ordnung, und deshalb versuche ich ihn formal stets zu vermeiden.

Kritik an der Corona-Politik

Mit der Behandlung der Hotel-Branche durch die Politik in der Corona-Pandemie haben Sie sich ausgesprochen unzufrieden gezeigt.

Während andere weitestgehend weiterarbeiten durften, sind Hotellerie und Gastronomie mit einem „Berufsverbot“ belegt worden, obwohl wir kein Treiber des Infektionsgeschehens waren. Deshalb klage ich in 14 Bundesländern auf Schadenersatz. Sind wir nicht erfolgreich, ziehen wir vor das Bundesverfassungsgericht. Die Corona-Hilfen waren gedeckelt, Unternehmen mit wenigen Häusern haben den Schaden bis zu 100 Prozent erstattet bekommen, Dorint zu etwa 45 Prozent. Das ist ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Wie hoch waren die Verluste der Dorint in der Zeit?

Rund 180 Millionen Euro vom 15.03.2020 bis zum 15.04.2022. 70 Millionen haben wir vom Staat erhalten, 40 Millionen über Pachtverzichte, rund 20 Millionen durch Eigenkapital der Mutter, der Honestis AG  und rund 50 Millionen haben wir mit dem Land NRW und der Kreissparkasse Köln als Corona-Bürgschaftskredit finanziert. Der läuft sechs Jahre, und wir bezahlen nicht zu knapp Zinsen.

Der Mensch möchte raus, gerade in der Zeit der permanenten Belastung, und braucht Ausgleich.
Dirk Iserlohe

Der Geschäftseinbruch wäre aber doch auch so gekommen, weil die Leute nicht mehr Reisen wollten.

Nein, die Leute wären gerne wieder ins Hotel gekommen. In dem Moment, in dem wir wieder öffnen konnten, waren die Häuser voll. Der Mensch möchte raus, gerade in der Zeit der permanenten Belastung, und braucht Ausgleich.

Wie ist die aktuelle Entwicklung?

Seit wir im April 2022 wieder uneingeschränkt öffnen durften, sind wir sehr zufrieden. Firmen haben allerdings das Reisen für ihre Mitarbeitenden eingeschränkt. Auch private Feiern finden noch nicht im alten Umfang wieder statt. In dem Bereich gibt es also weniger Übernachtungen, das wird aber durch individuelles Reisen kompensiert.

Das sollte Hoffnung für die Zukunft machen.

Wir haben eine gute Chance. Die Menschen wollen Gaststätten und Hotellerie. Im Gegensatz zu den Nachbarländern wird gute Leistung aber nicht in gleichem Maße geschätzt. Ausländische Gäste kommen oft an die Rezeption, fragen nach dem Zimmerpreis und nehmen dann ein Upgrade. In Frankreich bekommen Sie für 150 Euro noch nicht einmal ein Zwei-Sterne-Zimmer. Die Hotelpreise in Deutschland werden sich allgemein nach oben entwickeln – auch unter dem Aspekt, dass sich speziell Köln unter Wert verkauft und weg sollte vom Massen- zu einem Qualitätstourismus.

24 Millionen Euro Verlust in 2022

Wie sieht das Ergebnis für das abgelaufene Jahr aus?

2022 werden wir unter dem Strich noch einen Verlust haben von etwa 24 Millionen Euro. Vom 1. Januar bis zum 15. April hatten wir nur 10 Prozent des geplanten Umsatzes, danach aber mehr Gewinn als im ganzen Jahr 2019. Auch im laufenden Jahr werden wir noch leichten Verlust machen, 2024 wieder Gewinn. Auf den Umsatz bezogen, verdienen wir 2024 voraussichtlich 3,2 Prozent. Aus dieser Marge bestreiten wir Renovierungen, hohe Energiekosten und höhere Löhne. Andere Branchen haben viel höhere Renditen.

Bieten sich jetzt auch Chancen auf Wachstum durch Übernahmen?

Die werden kommen. Zum einen finden Betreiber keine Nachfolger. Auch kommen Unternehmen wegen der hohen Kosten etwa für Energie in Schwierigkeiten. Das wird zunehmen, weil gestiegene Zinsen Refinanzierungen schwieriger machen.

Spüren Sie, dass das Messegeschäft noch nicht wieder die alte Größenordnung erreicht hat?

Ein Stück ja, wobei die Messe in Köln hervorragend funktioniert. Ohnehin ist Köln der sechststärkste Hotel-Standort in Deutschland. Köln ist in NRW die Nummer eins beim Zuwachs bei der Belegung. Über alle Hotels haben wir im abgelaufenen Jahr eine Auslastung von 52,3 Prozent gehabt, vergleichbare Städte nur 45 Prozent. Kölns Schwerpunkt liegt bei den Drei-Sterne-Häusern, die 47 Prozent des Marktes ausmachen, Vier-Sterne-Häuser kommen auf 40 Prozent. Der Fünf-Sterne-Bereich kommt auf drei Prozent. Da ist noch viel Luft nach oben.

Ein Zimmer für bis zu 1000 Euro in Messezeiten

Besucher beklagen extreme Steigerungen von Hotelpreisen in Zeiten von Messen.

Das ist wie bei den Flugreisen. Die ersten Sitze sind billig, die letzten sind teuer. Der Preis richtet sich nach dem Angebot. Dem Messebesucher einer großen Messe etwa, der um 22 Uhr ins Hotel kommt und nicht vorher gebucht hat, kann es passieren, dass er für die letzten Zimmer im Umkreis von 100 Kilometern 1.000 Euro bezahlen soll. Der Preis richtet sich nach dem Angebot. Er wird dann auch bezahlt, sonst würde er nicht bekannt. Aber dafür gehen dann vielleicht drei Zimmer über die Theke, und diese Preise fließen dann immer noch dann in die Durchschnittspreise in Messezeiten von 120 Euro ein. Das ist weitaus weniger als in den Nachbarländern.

Es läuft das Gerücht, Köln bekomme ein drittes Fünf-Sterne-Haus.

Das Gerücht gibt es seit vielen Jahren. Es gäbe Platz dafür, sogar für ein viertes. Köln hatte immer eine gesunde Bettenentwicklung, die sich seit Mitte der 80er Jahre immer kontinuierlich an der Nachfrage orientiert hat. Da wurde nie übertrieben gebaut. Köln ist im Vergleich etwa zu Hamburg oder München ein eher bodenständiger Hotel-Standort.

Köln hat noch Platz für zwei Hotels mit fünf Sternen

Wollen Sie in diesem Top-Segment agieren?

Wir haben ja mit der „Hommage“ eine Marke in diesem Top-Segment. Sie können eine solche Marke nicht produzieren, das Haus muss eine Geschichte besitzen. Da steht dann auch der Name des Hauses im Vordergrund. Die Dorint Gruppe kann natürlich Premium, aber nicht unter dem Namen Dorint.

Sie sind also nicht derjenige, der in Köln ein drittes Fünf-Sterne-Haus aufmacht.

Nein. Ich kann mir vorstellen, weitere zwei Hotels in Köln zu machen, ein Hommage sehe ich derzeit aber nicht. Sterne haben in meinen Augen ohnehin an Bedeutung verloren, es geht eher um Leistung am Kunden, nicht um eine starre Liste mit 450 Punkten.

Haben sich Ihre drei Hotel-Linien bewährt?

Ja. Nehmen wir Hommage einmal aus, haben wir bei der Dorint zwei Marken: Dorint und Essential by Dorint, beide unter dem Full-Service Gesichtspunkt betrieben. Die Essential-Häuser haben keinen großen Ballsaal, keinen Fitnessbereich, keinen Pool. Das ist der Unterschied zu den anderen Häusern, sie bieten die Essenz. Ein gutes Bett, WLan, Service und Frühstück sind wichtig, außerdem die Nachbarschaft. Wir unterstützen mit unserer Stiftung Initiativen oder Menschen in der Nähe aller unserer Hotels.

Sie übernehmen den bekannten Hotel-Standort Schloss Lerbach in Bergisch Gladbach.

Wir sind stolz darauf, von der Familie Reißdorf das Vertrauen geschenkt bekommen zu haben. Es gibt ein Parallelkonzept beim Dorint Oberursel: Auch da haben wir eine Verbindung eines denkmalgeschützten Teils mit einem Neubau. Ein guter Tagungsstandort im Grünen, 20 Autominuten entfernt vom Frankfurter Flughafen. Die Lage im Grünen in der Nähe von Metropolen haben wir auch bei Schloss Lerbach. Dort entsteht auf dem Parkplatz ein Neubau mit etwa 90 neuen Zimmern, einer Tagungslandschaft sowie zwei Restaurants und einem Wellness-Bereich. Eine Oase in einem der wichtigsten Ballungsräume Deutschlands.


Honestis und Dorint

Dirk Iserlohe ist Vorstand der 2016 gegründeten Honestis AG.Eine Tochter ist die Dorint GmbH, bei der Iserlohe Aufsichtsratschef ist. Daneben gibt es eine Immobilienseite, in der die Verwaltung der Immobilien gebündelt wird. Unter dem Dorint-Dach gibt es 60 Hotels in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Drei Häuser sind im Bau, vier in Planung. Darunter sind auch 23 Franchisebetriebe. 2022 betrug der erwartete Umsatz etwa 250 Millionen Euro, im laufenden Jahr sollen es 339 Millionen werden. Im Konzern arbeiten 3800 Mitarbeitende. (raz)