Computermesse in KölnWie ein Gamer die virtuelle Gamescom in Köln erlebt
- Die weltweit größte Messe für Computer- und Videospiele findet in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie virtuell statt.
- Das hat Vor- und Nachteile. Ein Gamer berichtet von seinen Erfahrungen.
Köln – Onur Kara Memet schaut sich die einzelnen „Areas“ an: Da gibt es unter anderem das „cosplay village“, das „indie village“ und die „retro area“. Alles klingt vertraut – so hießen die einzelnen Bereiche der Gamescom bereits in den vergangenen Jahren. Doch diesmal sitzt Kara Memet zu Hause und schaut auf seinen Bildschirm statt auf den Lageplan des Kölner Messegeländes. Dieses Jahr findet die weltweit größte Messe für Computer- und Videospiele aufgrund der Corona-Pandemie nämlich erstmals virtuell statt.
„Nachdem ich mich nur kurz durchgeklickt hatte, habe ich schon Highlights entdeckt“, berichtet Kara Memet. Der 26-jährige Informatiker spielt schon seit seiner Kindheit Computerspiele und hat mit 13 Jahren zum ersten Mal die Gamescom in Köln besucht. „Mit ein paar Freunden habe ich in einer Jugendherberge übernachtet und dann sind wir auf die Messe gegangen. Wenn man dort Entwickler direkt neben sich stehen hat und ihnen Fragen stellen kann, nimmt man die Spiele danach ganz anders wahr. Das ist ein tolles Gefühl“, erinnert sich der Bielefelder. Das sei zwar dieses Jahr nicht möglich, die Online-Version sei dennoch ein „guter Kompromiss“.
Gut sortierte Mediathek
Mit täglichen Livestreams, E-Sport-Partien und einer politischen Diskussion wirbt die Gamescom diesmal. Die Mediathek sei gut sortiert, Entwickler und Spiele einfach zu finden – „weit leichter als auf der Messe“, sagt Kara Memet. Sofort habe er auf der virtuell eingerichteten Plattform Neuankündigungen zum Spiel „Fall guys“ entdeckt, das er seit einigen Monaten spielt. „Man könnte erwarten, dass wegen Corona alles stoppt, aber die Gaming-Branche boomt“, so der Informatiker. Auch zum Spiel „Godfall“ für die Playstation 5 würden auf der diesjährigen Gamescom weitere Details enthüllt. Da überlege sich der Gamer sogar, ob er sich die neue Konsole anschaffen werde.
Dass die Branche trotz Corona-Pandemie im Aufwind ist, weiß auch Fabian Broich, Head of Performance des englischen E-Sportteams „Excel“. Als Psychologe betreut der 29-Jährige professionelle Spieler, die in der LEC, der höchsten europäischen Liga für das Spiel „League of Legends“, spielen. Allein dieses Spiel werde weltweit von über 100 Millionen Menschen pro Monat gespielt. Die Übertragungen der E-Sport-Spiele würden ebenfalls immer mehr Menschen verfolgen. Je nach Spiel gebe es 100 000 bis 400 000 Zuschauer. Broich: „Da die Kontaktsportarten alle nicht stattfinden konnten, haben sich mehr Menschen E-Sport angeschaut. Der Spielprozess musste nicht gestoppt werden. Solange Internet und Elektrizität funktionieren, kann E-Sport weiterlaufen.“
Dennoch sei es anders, die großen Spiele nicht mehr vor 8000 bis 15.000 Zuschauern in einer Arena austragen zu können. „Das ist schon ein Riesenunterschied. Die Jungs freuen sich normalerweise darauf, das ist ein Hype. Wenn sie jetzt stattdessen zu Hause spielen, ist es schon sehr eintönig“, so Broich. Und gerade deshalb sei sein Beruf so wichtig. Er bringt die meist noch jungen Spieler dazu, sich richtig zu ernähren, genug zu schlafen und nicht zwölf Stunden am Stück vor dem Computer zu sitzen. Broich freue sich über das zunehmende Interesse an der Branche. Das Geld, das aus Geschäften wie zum Beispiel der Gamescom hervorkomme, müsse jedoch sinnvoll für die Spieler investiert werden, um ungesunden Strukturen entgegenzuwirken.
Gamer vermissen die Messe
Der 29-Jährige glaubt, dass die virtuelle Gamescom für einige Communities in der Szene einen Verlust bedeuten könnte: „Für die Cosplay-Leute ist das sicherlich schade“, sagt Broich. Mitglieder dieser Szene verkleiden sich als eine Figur aus einem Videospiel, einem Film oder Manga dar und kommen üblicherweise auf Großveranstaltungen wie der Gamescom zusammen. Das fällt diesmal weg.
Kara Memet stellt ebenfalls fest, dass bei der digitalen Messe nicht „das gleiche Gefühl“ wie in den Vorjahren aufkomme: „Es gibt keine Tauschbörsen, kein Cosplay, keine neuen Bekanntschaften. Oft sieht man bei der Gamescom Leute, mit denen man vorher über Jahre nur digital Kontakt hatte. Verschwitzt in der Schlange zu sitzen, bindet mehr, als hier vor dem Computer“, sagt Kara Memet. Es fehle einfach das „schöne Erlebnis“. Von der digitalen Gamescom profitiert der 26-Jährige trotzdem. „Die Mediathek ist wirklich üppig und es gibt überraschend viele Streamer, die neues zeigen. Es gibt sogar Streams mit 360-Grad-Video. Dann fühlt es sich vielleicht eher so an, als sei man vor Ort“, sagt der Bielefelder.
Zum ersten Mal schaue er sich eher Shows und Reden an, statt Spiele auszuprobieren und mit anderen Gamern über die Branche zu diskutieren. Er würde sich freuen, wenn es die Mediathek in Zukunft weiterhin gebe – natürlich neben der eigentlichen Messe in Köln. So könne er sich aussuchen, ob er vor Ort oder von zuhause aus Spieleneuheiten erkunden will. „Ich hätte kein Problem damit, eine kleine Gebühr für die Mediathek zu bezahlen. So könnte ich bequem in meinem Sitz sitzen und mich durchklicken. Den Geruch der Halle vermisse ich nämlich kein bisschen“, erzählt Kara Memet und lacht.
BU.: Szenen, die es in diesem Jahr nicht geben wird: Besucher des Gamescom spielen im Jahr 2018 gemeinsam an einem Stand. 2020 findet die Messe ausschließlich virtuell statt. ⇥Foto: dpa