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Bütikofer im Interview„China keine Kontrolle über unsere Infrastruktur geben“

Lesezeit 5 Minuten
Bütikofer Grüne

Reinhard Bütikofer 

  1. Der EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer kritisiert Olaf Scholz und fordert ein härteres Auftreten gegenüber China.

Der Grünen-Europaabgeordnete und profilierte China-Kenner Reinhard Bütikofer spricht im Interview mit Katrin Pribyl über Abhängigkeiten der EU von China, was die dritte Amtszeit von Xi Jinping für Europa bedeutet und welche Gefahren er sieht.

Gerade hat Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping auf dem Parteikongress seine Macht weiter ausgebaut. Zur selben Zeit wird über den geplanten Einstieg der chinesischen Reederei Cosco bei einem Containerterminal am Hamburger Hafen kontrovers diskutiert. Wie bewerten Sie das?

Xi Jinping hat gerade die absolute Zentralisierung aller Macht der Volksrepublik China in seinen Händen festgezurrt. An seinen imperialen Ambitionen lässt er keinen Zweifel. Da muss der Rest der Welt Vorsicht lernen. Einem autoritären China, und die Reederei Cosco ist ein Staatsbetrieb, Mitkontrolle über unsere sensible Infrastruktur einzuräumen, ist ein Fehler. Alle sechs damit befassten Ministerien raten deshalb ab. Auch die EU-Kommission ist kritisch. Leider meint Olaf Scholz, er wisse das besser.

In Kürze reist der Kanzler mit einer Gruppe von Wirtschaftsvertretern nach Peking. In Brüssel sorgt das für Kritik und Kopfschütteln.

Das Bemerkenswerte daran ist, dass nicht nur in Brüssel viele den Kopf schütteln, sondern auch viele Ministerien in Scholz’ Kabinett. Wenn er aber schon fährt, dann wird er sich die Frage stellen müssen, welche Signale er bei dieser Reise setzt. Wir haben in der Koalitionsvereinbarung versprochen, dass wir eine europäische Chinapolitik machen und keine deutschen Alleingänge wie Angela Merkel. Wenn er sich allzu stark auf Merkels Spuren bewegte, setzte er sich in Widerspruch zu dem, was die Koalition verabredet hat. Dieser Besuch sollte wenigstens ein paar wichtige neue Akzente setzen.

Chinas Wirtschaft wächst um 3,9 Prozent

Die wirtschaftliche Erholung in China bleibt auf wackeligen Beinen. Wie das Pekinger Statistikamt gestern mitteilte, legte das Wachstum im dritten Quartal stärker als erwartet um 3,9 Prozent zu. Nach lediglich 0,4 Prozent im zweiten Quartal zeigte die Volkswirtschaft deutliche Zeichen der Erholung. Allerdings deuteten weitere veröffentlichte Konjunktur- und Handelszahlen auf ein durchmischtes Bild der Lage hin.

Die schwache globale Nachfrage hat das chinesische Exportwachstum weiter gebremst. Die Ausfuhren legten im September, in US-Dollar berechnet, nur noch um 5,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu. Im Vormonat hatte die Exportmaschinerie auch schon an Schwung verloren und nur einen Zuwachs von 7,1 Prozent erreicht. Auch die Einfuhren legten im September wie im Vormonat nur um 0,3 Prozent zu.

Als Gründe für das gebremste Wachstum nannten Experten die hohe Inflation in vielen Ländern und steigende Zinsen, die auf der Weltwirtschaft lasteten. In China verlangsame die geringe heimische Nachfrage die Importentwicklung, hieß es weiter. (dpa)

Deutsche Firmen wie BASF, BMW oder Siemens bauen ihr Chinageschäft sogar noch aus. Begeht Deutschland denselben Fehler wie mit Russland und macht sein Schicksal abhängig von einem autokratischen Staat?

Gerade im Bereich der Wirtschaft steht eine Diskussion an. Die deutsche Wirtschaftspolitik kann nicht gleichzeitig in zwei Richtungen segeln. Da muss eine Orientierung gefunden werden, die sich nicht daran bemisst, was dem Vorstandsvorsitzenden eines Großkonzerns gefällt, sondern was der deutschen Volkswirtschaft insgesamt nutzt im europäischen Verbund. An diesem Punkt wird sich entscheiden, ob die Zeitenwende ein begrenzter Lernerfolg bleibt oder ob wir aus der russischen Erfahrung Konsequenzen ziehen, mit wem wir vor allem zusammenarbeiten und wo wir vorsichtig sein müssen. Dabei geht es nicht um angebliche „wirtschaftliche Abkopplung“, vor der Olaf Scholz gewarnt hat. Da erschlägt der Kanzler eine Chimäre. Die Beziehungen zu China dürfen einfach unseren politischen Gestaltungsspielraum nicht untergraben.

Erwarten Sie fundamentale Veränderungen in Xi Jinpings dritter Amtszeit?

Nein. Mehr vom Gleichen. In Xis Rede waren trotzdem einige Punkte bemerkenswert. So die Ankündigung zur „Securitisation of everything“, also dass die gesamte Innenpolitik zum Sicherheitsthema gemacht wird. Er sprach doppelt so oft von Sicherheit als vor fünf Jahren. Obsessiv identifiziert er überall Sicherheitsrisiken. Die kleinste Abweichung wird unnachsichtig verfolgt. Xi Jinping will dem historischen Trend ein Schnippchen schlagen, wonach es immer irgendwann zu einem Zerfall der Macht kommt. Wie besessen will er seine Macht unangreifbar machen.

Europa muss also mit einer Verschärfung der Situation rechnen?

Ja, es gibt kein Lockerlassen. Xi Jinping hat auch erkennen lassen, dass die Einmischung der Partei in die Wirtschaft, die zu sehr zweifelhaften Ergebnissen geführt hat, weitergehen wird. Außenpolitisch stach heraus, dass sich Peking „selbstverständlich“ vorbehält, Taiwan mit bewaffneter Gewalt unter Kontrolle zu bringen. Dafür gab es Mega-Applaus. Deswegen bleibt die wachsende Aufmerksamkeit für die Frage der Zukunft Taiwans sehr gerechtfertigt.

Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass der Konflikt zwischen China und Taiwan eskalieren könnte?

Ich teile die Ansicht des früheren australischen Premierministers Kevin Rudd, dem zufolge eine militärische Auseinandersetzung vermeidbar wird, wenn wir es schaffen, eine wirksame Politik der Abschreckung zu verfolgen. Das heißt, der Führung in Peking klar zu machen, dass ein solches Abenteuer mit außerordentlich hohen Kosten für das Land selbst verbunden wäre. Nun spielen die EU-Mitgliedsländer im indopazifischen Raum militärisch keine Rolle. Aber wir könnten politisch und ökonomisch eine Rolle spielen. Es gibt nicht wenige, die zu Recht argumentieren, in einem solchen Falle müssten wir gegenüber China genauso konsequent auftreten wie jetzt gegenüber Russland.

Könnten wir uns weitreichende Sanktionen leisten? Die Verflechtungen sind enger, als sie es mit Russland waren.

Das ist ein Unterschied, richtig. Nach Russland gingen vor dem Krieg ungefähr ein Prozent unserer Exporte, nach China gehen annähernd zehn Prozent. Gegenüber einem Land im Konfliktfall selbstbewusst aufzutreten, das uns ökonomisch im Schwitzkasten hätte, wäre sehr schwer. Als Konsequenz müssen wir bestehende Abhängigkeiten, die zur Waffe gegen uns geschmiedet werden können, schnell abbauen.

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So alternativlos, wie manche tun, ist das Engagement mit China nicht. Erstens setzt China selbst nicht auf langfristige Partnerschaft. Zweitens gibt es erhebliche Zweifel, wie erfolgreich Chinas Ökonomie sein wird. Drittens werden bis 2040 Indien, Indonesien und Japan zusammen wesentlich größere Märkte darstellen. Insofern sollten wir uns nicht in Gespenster-Debatten flüchten.