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Bis zu 3000 Euro steuerfreiWarum die Inflationsprämie nicht ohne Risiko ist

Lesezeit 4 Minuten
20- und 50-Euro-Scheine. (Symbolbild)

Von vielen benötigt: Die Inflationsausgleichsprämie ist auf den ersten Blick hochattraktiv.

Bei Beschäftigten wie Arbeitgebern stößt die steuerbefreite Sonderleistung auf reges Interesse. Allerdings ist sie nicht ohne Risiko. Wir geben einen Überblick.

Noch bis Ende 2024 dürfen Unternehmen ihren Mitarbeitern bis zu 3000 Euro steuer- und abgabefrei zahlen. Die sogenannte Inflationsausgleichsprämie ist Teil der Entlastungspakete der Bundesregierung und soll dabei helfen, die starken Preissteigerungen abzumildern.

Bei Beschäftigten wie Arbeitgebern stößt die steuerbefreite Sonderleistung auf reges Interesse. Kein Wunder, denn auf den ersten Blick scheint die Einmalzahlung sehr attraktiv. Allerdings ist sie nicht ohne Risiko. Denn wie der Name schon sagt, gehen Einmalzahlungen nicht in die tariflichen Entgelttabellen ein. Heißt: Ihre Wirkung ist zeitlich begrenzt. Zudem ist wahrscheinlich, dass ihre Zahlung zulasten des Volumens einer dauerhaften Tariferhöhung geht.

Und tatsächlich: Arbeitnehmer profitieren von einer Tariferhöhung deutlich mehr als vom Inflationsgeld – und dies bereits nach einem Jahr. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Tarifarchivs des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI), das zur gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gehört. Darin wurde für einen fiktiven Tarifabschluss, der von Januar 2023 bis Dezember 2024 läuft, sowie anhand verschiedener Modellrechnungen geprüft, wie es sich finanziell auswirkt, wenn statt einer Tariferhöhung ein einmaliges Inflationsgeld gezahlt wird.

Inflationsprämie: Modellrechnungen mit zwei Alternativen

In Variante 1 wird im ersten Jahr (2023) zusätzlich zum Bruttojahresverdienst ein steuer- und sozialversicherungsfreies Inflationsgeld von 3000 Euro gezahlt. Im zweiten Jahr (2024) erfolgt dann eine Tarifanhebung von 4 Prozent.

In Variante 2 gibt es kein Inflationsgeld. Stattdessen wird im ersten und zweiten Jahr jeweils eine Tarifanhebung von 4 Prozent vereinbart. Zudem wird für die drei folgenden Jahre 2025 bis 2027 in beiden Varianten gleichermaßen eine Anhebung der Tarifentgelte von jeweils vier Prozent unterstellt.

In der Analyse werden die verschiedenen Varianten dann für vier unterschiedliche Arbeitnehmer durchgerechnet: für einen kinderlosen Beschäftigten mit 36000 beziehungsweise 48000 Euro Bruttojahresverdienst (Steuerklasse 1), für einen Beschäftigten mit einem Kind und einem Bruttojahresverdienst in Höhe von 60000 Euro (Steuerklasse 3) sowie für einen Beschäftigten mit zwei Kindern und einem Bruttojahresverdienst von 72000 Euro (Steuerklasse 4).

Das Ergebnis: Im ersten Jahr profitieren die Beschäftigten in allen vier Beispielfällen brutto wie netto von den 3000 Euro Inflationsgeld stärker als von einer Tarifanhebung um vier Prozent. In Zeiten hoher Inflationsraten mit entsprechend starken Belastungen der Beschäftigten sei das ein nicht zu unterschätzender Vorteil, heißt es in der Analyse.

Bereits im zweiten Jahr schlägt die Erhöhung die Prämie

Allerdings verkehrt sich das Bild bereits im zweiten Jahr des Tarifabschlusses. Denn dann führt eine Tariferhöhung brutto wie netto zu einem höheren Jahresverdienst. Auf fünf Jahre gerechnet – mit einer unterstellten weiteren Tarifsteigerung von jährlich 4 Prozent – erweist sich das einmalige Inflationsgeld der Analyse zufolge sogar als Verlustgeschäft: Brutto wie netto fällt das Entgelt der Beschäftigten um mehrere Tausend Euro niedriger aus.

Wie viel niedriger zeigt das Beispiel des Beschäftigten mit 48000 Euro Bruttojahresverdienst: Bei Variante 1 erhält der Arbeitnehmer im ersten Jahr des Abschlusses ein Bruttojahresverdienst von 51000 Euro (48000 Euro plus 3000 Euro Inflationsgeld) und damit 1080 Euro mehr als in der zweiten Variante. Denn da bekäme er im ersten Jahr nur 49920 Euro – sein Jahresverdienst plus 4 Prozent Tarifsteigerung.

Ab dem zweiten Jahr entfällt dann allerdings bei Variante 1 das Inflationsgeld. Die Folge: Die Tarifsteigerung von 4 Prozent setzt auf der Basis von 48000 Euro an, bei Variante 2 hingegen auf den höheren Bruttojahresverdienst von 49920 Euro. In den folgenden Jahren wiederholt sich entsprechend dieser Effekt, sodass durch den Zinseszinseffekt der Abstand zwischen beiden Varianten von Jahr zu Jahr wächst. Insgesamt fällt dadurch der Bruttojahresverdienst der Variante 1 mit Inflationsgeld von 2023 bis 2027 um 7399 Euro niedriger aus als der bei Variante 2.

Auch in der Nettoberechnung schneidet die Variante 1 über den Zeitraum deutlich schlechter ab. Bekommt der kinderlose Beschäftigte in Steuerklasse 1 Inflationsgeld, so hat er im Jahr 2027 2371 Euro weniger im Portemonnaie als der Arbeitnehmer, der von Anfang an von der Tariferhöhung profitierte. Bei Beschäftigten mit Kindern und einem höheren Jahresverdienst liegt die Differenz sogar bei mehr als 5000 Euro. „Die Inflationsausgleichsprämie erweist sich insofern als süßes Gift“, lautet entsprechend das Fazit der Analyse.