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AutobauerFord beendet Autofertigung in Saarlouis – Betriebsrat entsetzt

Lesezeit 6 Minuten
Entscheidung in Saarlouis

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (Mitte) marschierte mit Ford-Mitarbeitenden in Saarlouis zu einer Kundgebung. 

Köln/Saarlouis – Im Ford-Werk in Saarlouis läuft die Fahrzeugmontage aus. Das ist das Ergebnis einer Vergabe eines weiteren Elektro-Autos an das Werk Valencia. Ford hatte beide Werke gegeneinander antreten lassen und sich jetzt für das spanische Werk entschieden. Bei den rund 4600 Mitarbeitenden in der Montage sowie weiteren 1350 im Zuliefererpark in Saarlouis herrscht Entsetzen, wie der Betriebsrat berichtet. Die Ford-Mitarbeitenden im Saarland und in Köln wurden am Mittwochmorgen in Betriebsversammlungen über die Entscheidung informiert.

Heftige Kritik der Arbeitnehmervertreter

„Gesamt- und Standortbetriebsrat haben kein Verständnis für die Entscheidung von Ford Europa, dass man keine Ford Elektrofahrzeuge in Saarlouis bauen will“, teilte die Arbeitnehmervertretung in einer Stellungnahe mit. In Saarlouis hätte es bessere Rahmenbedingungen und Kostenstrukturen gegeben. Der Betriebsrat sei davon ausgegangen, dass die Entscheidung zu Gunsten von Saarlouis hätten fallen müssen. „Wir haben gekämpft und alles gegeben, wir waren die klaren Siegerim Bieterwettbewerb und werden jetzt um unseren Erfolg betrogen“, sagte Markus Thal, der Betriebsratsvorsitzender des Standortes Saarlouis. Im Rückblick würden die Konsultationsgespräche den Eindruck hinterlassen, Saarlouis habe nie eine Chance gehabt. „Die Pakete und Vorschläge der Betriebsräte, der IG Metall, des Landes und des Bundes waren umfassend. Rund 20.000 Beschäftigte in Deutschland hätten bei einer Vergabe nach Saarlouis solidarisch für den Standort eingestanden“, so der Ford-Betriebsrat.

Standortwettbewerb mit harten Bandagen

Umfangreiche Pakete hat es freilich auch für den Standort Valencia gegeben. Auch dort war die Politik umtriebig. Ford-Europa-Chef Stuart Rowley weist die Vorwürfe zurück. Es habe ein faires und transparentes Verfahren gegeben, bei dem es um die strategische, technische und finanzielle Fragen gegangen sei. Letztlich habe nach der Analyse Valencia die Nase vorn gehabt habe. Es sei das „am besten positionierte Werk für die Produktion von Fahrzeugen auf Basis einer Ford- Elektro-Fahrzeugarchitektur der nächsten Genration“, teilte der Konzern am Mittwoch mit. Ford hat zuletzt auch betont, dass er in Europa wettbewerbsfähiger werden müsse. 2023 will er in Europa eine operative Gewinnmarge (Ebit-Marge) von sechs Prozent erzielen. Im abgelaufenen Jahr hat Ford in Europa rote Zahlen geschrieben. Ford setzt auf E-Autos. Zwei Millionen will der Konzern weltweit 2026 verkaufen, 600.000 pro Jahr davon in Europa.

Eine Entscheidung über die Höhe der Investition in Valencia ist laut Ford noch nicht gefallen. Klar ist, dass Ford ein E-Auto auf firmeneigener Basis baut wird. Das ist eine globale, die noch in der Entwicklung ist. In Europa werde die nach derzeitigem Stand nur in Valencia genutzt. Das Auto könne laut Ford „später im Jahrzehnt“ gebaut werden. Noch bis 2026 soll in Valencia der Kuga gebaut werden.

Ford baut ab 2023 Sport Crossover in Köln

In Köln baut Ford „spät im kommenden Jahr“, so Rowley, auf einer VW-Basis einen mittelgroßen Sport Crossover – ein Pkw mit Anklängen an Geländewagen - mit fünf Sitzplätzen. Die Plattform bietet bei mit Verbrennern vergleichbaren Abmessungen Platz für größere Innenräume. VW setzt auf sie nicht nur den kompakten iD 3, sondern auch größere Fahrzeuge in der Anmutung von Geländewagen oder Fahrzeuge bis zur Größe des aktuellen VW-Passat. Ab 2024 wird dann in Köln-Niehl ein weiterer Crossover auf dieser Plattform gebaut. Entstehen sollen insgesamt 1,2 Millionen Fahrzeuge in sechs Jahren auf dieser Basis, um die die Entwickler in Köln-Merkenich dann die Autos konzipieren. Das sollte die Beschäftigung in Köln sichern, da dann mehr Autos pro Jahr gebaut werden als vom aktuellen Fiesta-Modell, das in den nächsten Jahren ausläuft. Zwei Milliarden Dollar investiert der Ford-Konzern in Köln.

Die Werke

Saarlouis wurde am 16. Januar 1970 gegründet. Seitdem wurden 15,3 Millionen Fahrzeuge gebaut. Wenn ausreichend Computerchips vorhanden sind, bauen aktuell 4600 Mitarbeitende den Focus. Hier sind aber neben dem legendären Capri auch die Modelle Fiesta, Escort, Kuga und C-Max schon vom Band gelaufen. Seit der Einstellung des C-Max arbeitet Saarlouis im Zwei-Schicht-Betrieb. Vom Band laufen etwa 1000 Fahrzeuge pro Tag. In diesem Jahr wurde allerdings massiv Kurzarbeit genutzt. Sieben Betriebe im Zulieferpark haben 1350 Mitarbeitende.

Valencia wurde am 18. Oktober 1976 gegründet.12 unterschiedliche Modelle wurden seitdem gefertigt: Fiesta, Escort, Orion, Ka, Focus, C-Max sowie nach der Schließung des Werkes im belgischen Genk auch der Mondeo, der Ende März eingestellt wurde. Aktuell werden laut Ford Kuga, Connect, S-Max und Galaxy, die beide ebenfalls aus Genk kamen, gefertigt. 13,5 Millionen Fahrzeuge sind vom Band gelaufen. Außerdem gibt es hier ein Motorenwerk. Mit 6034 Mitarbeitenden ist das Werk einer der größten Arbeitgeber in der Region. Ford hat hier über die Jahre neun Milliarden Dollar investiert, zuletzt unter anderem in eine Fertigung von Hybrid-Motoren. In zwei Schichten laufen derzeit 1400 Autos vom Band. Die theoretische Kapazität liegt bei 2130 Autos. (raz)

Saarlouis steht dagegen ohne Anschlussfertigung für den 2025 auslaufenden Ford Focus da (siehe Kasten). Ford wolle Optionen für künftige Konzepte evaluieren, teilte der Konzern mit. Saarlouis könnte Komponentenwerk werden oder verkauft werden. Auch eine Schließung droht laut dem Betriebsrat. Das wäre verheerend für Saarlouis, das Saarland und die Region Saar-Lor-Lux. Ist Ford dort doch der größte Arbeitgeber. Dass die Zahl der Arbeitsplätze sinkt, lässt sich aber kaum vermeiden. Das droht freilich auch in Valencia. Für die Fertigung von E-Autos werden weniger Mitarbeitende gebraucht, weil die Autos weniger Teile haben. Und wie viele Autos Ford pro Jahr bauen will, sagt der Konzern auch noch nicht.

Betriebsrat spricht von Scheinverfahren

Über all diese Fragen muss das Management mit den Arbeitnehmervertretern sprechen. Die zeigen sich freilich ausgesprochen verärgert. Sie beharren nicht nur darauf, dass das Gesamtpaket der deutschen Standorte in den wesentlichen Kennzahlen für die anvisierte Laufzeit bis 2034 für Saarlouis in Summe die besten Ergebnisse geliefert hätte. „Das Topmanagement versuchte aber vonAnfang an, die Berechnungen zugunsten von Valencia durch diverse Tricks zu optimierenund damit die wirtschaftliche Realität zu negieren“, so der Betriebsrat.

Letztlich seien die Parteien im Dissens auseinander gegangen. Als Grund für den aufwendigen Bieterprozess, der sich über das ganze bislang laufende Jahr hingezogen hat, komme eigentlich nur die Absicht in Frage, „weitere Zugeständnisse von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Valencia abzupressen, obwohl die spanischen Arbeitsbedingungen in den letzten 15 Jahren bereits massiv verschlechtert wurden“, so der Betriebsrat. Er spricht von „Scheinverfahren“.

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„Wir haben als deutsche Belegschaften zusammengestanden und dem Europamanagement Vorschläge gemacht, die für Ford deutlich lukrativer wären und beide Standorte erhalten würden, Saarlouis und Valencia! Aber offensichtlich war in den Köpfen die Entscheidung längst gefallen. In meinen Augen ein Komplettversagen der Europazentrale“, sagt Benjamin Gruschka, Vorsitzender desGesamtbetriebsrats.

Zu Ende sei der Kampf aber noch nicht, so Gruschka und Thal: „Wir werden alle Möglichkeiten sondieren, um diese Entscheidung gegen Saarlouis noch umzubiegen.“