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„Aus der Zeit gefallen"DGB kritisiert Vorschlag der 42-Stunden-Woche

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Gewerkschaften halten das für den falschen Weg, um mehr Arbeitnehmer in Branchen wie den Maschinenbau zu locken.

Berlin – Seit Jahren ist der Fachkräftemangel für Wirtschaftsbetriebe ein Thema. Daran haben auch die Corona-Pandemie und Lieferengpässe nichts geändert. Und es gibt kaum eine Branche, die aktuell nicht klagt: Zehntausende Handwerker fehlen, ebenso wie, Servicekräfte in der Gastronomie, Bodenpersonal am Flughafen oder Mitarbeiter im Maschinenbau, im Krankenhaus und der Pflege.

Das Resultat: Der Fachkräftemangel zählt in Umfragen unter Unternehmen in Deutschland regelmäßig zu einem der größten Risikofaktoren für die künftige Entwicklung. Dem DIHK-Fachkräfte-Report zufolge erwarteten zuletzt 85 Prozent der Firmen, dass sich der Fachkräfteengpass negativ auswirkt.

Auch Christian Lindner für „mehr Überstunden"

Geht es nach dem Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel, könnte eine 42-Stunden-Woche Abhilfe schaffen. Er ist nicht der Erste, der Mehrarbeit ins Spiel bringt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken: Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), und Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), hatten zuvor Ähnliches gefordert. Auch FDP-Chef Christian Lindner hatte im Juni vorgeschlagen, Wirtschaftskrise und Wohlstandsverlust mit „mehr Überstunden“ zu begegnen.

Beim Deutschen Gewerkschaftsbund kommen solche Forderungen indes nicht gut an. „Längere Arbeitszeiten, egal ob innerhalb der Woche oder am Ende des Erwerbslebens, sind der fadenscheinige Versuch, die Herausforderungen von Alterssicherung und Fachkräftemangel allein auf dem Rücken der Beschäftigten zu stemmen – billige Scheinlösungen ohne sozialen Kompass“, kritisiert DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.

Work-Life-Balance wichtig für Generation Z

Aus ihrer Sicht ist ein solcher Vorschlag „komplett aus der Zeit gefallen“. „Wenn deutsche Unternehmen für junge, qualifizierte Menschen attraktive Arbeitgeber sein wollen, müssen sie Arbeitsbedingungen nach deren Bedürfnissen gestalten. Wer heute nach der 42-Stunden-Woche ruft, dem wird die Generation Z die kalte Schulter zeigen“, ist Piel überzeugt. Denn die hat andere Ansprüche als vorherige Generationen, so das Markt- und Medienforschungsinstituts Rheingold. Dazu gehört, dass die „Work-Life-Balance“ eine entscheidende Rolle spielt. Der Job sollte nicht das Leben dominieren.

Aber auch aus anderen Gründen kritisiert das DGB-Vorstandsmitglied die Vorschläge. Dazu zählt das anhaltend hohe Niveau von rund 1,7 Milliarden Überstunden pro Jahr die Arbeitnehmer in Deutschland leisten. Zum anderen machten lange und überlange Arbeitszeiten nachweislich krank, so Piel.

Der Schlüssel zur Lösung liegt für Piel unter anderem in der Aus- und Weiterbildung, aber auch Zuwanderung. „Deutschland braucht endlich ein modernes, unbürokratisches Zuwanderungsrecht“, sagte sie. Dazu zählt für sie eine leichtere Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen.

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Zuwanderung sieht auch Steffen Kampeter als einen Aspekt. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sagte unserer Redaktion: „Der derzeitige Arbeitskräftemangel kann nicht mit den Instrumenten von gestern begegnet werden.“ Allerdings schränkt er ein: „Arbeitszeitgestaltung ist Aufgabe von Tarifvertragsparteien oder Betriebspartnern. Schon heute sind Wochenarbeitszeiten von sogar mehr als 42 Stunden tariflich möglich und werden selbstverständlich vergütet. Das können die Sozialpartner schon heute regeln.“