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Nach der Aachener-PleiteWarum Modehäuser es derzeit schwer haben

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Der Eingang zu der ehemaligen Kaufhof Filiale in Leverkusen. Das ist einer von sechs Galeria-Standorten, die der insolvente Modehändler "Aachener" übernehmen will.

In Leverkusen will „Aachener“ in das ehemalige Kaufhof-Gebäude in Wiesdorf einziehen.

Die Schieflage des Aachener Modehauses ist nur das jüngste Beispiel. Eine Branche steht massiv unter Druck. Und es kommt noch schlimmer, glaubt der Kölner Kreditversicherer Atradius.

Immerhin hilft gerade das Wetter. Darauf müsse die Textil- und Bekleidungsindustrie die Hoffnung setzen, hatte der Kreditversicherer Atradius, der Forderungen von Lieferanten absichert, in einer aktuellen Studie herausgestellt. Die stehe nämlich ganz erheblich unter Druck. „Die Branche kann jetzt nur auf richtig kalte Tage hoffen, was erfahrungsgemäß einen Nachfrageschub auslöst“, so Frank Liebold, Country Director Deutschland bei dem internationalen Kreditversicherer. Viel Hoffnung macht das kaum in einem Jahr, indem laut Atradius bereits 90 Unternehmen der Branche einen Insolvenzantrag gestellt haben.

Wenige Tage vor Veröffentlichung hatte das 2022 gestartete Modehaus Aachener diesen Schritt gehen müssen. Die TEH Textilhandels GmbH, der die Marke „Modehaus Aachener“ gehört, hatte vor etwas mehr als einer Woche bei zuständigen Amtsgericht Dortmund Insolvenzangemeldet. Als Verwalter war Christoph Schulte-Kaubrügger eingesetzt worden. Der hatte aber zumindest erste positive Signale gesendet. „Ich rechne damit, dass es gelingen wird, eine ordnungsgemäße Betriebsführung zu erreichen“, hatte er der „Wirtschaftswoche“ gesagt.

Mitarbeiter von Aachener können zunächst durchatmen

Durchatmen können also zunächst einmal die über 350 Mitarbeitenden in sechs Filialen unter dem Namen „Aachener“ und zwei Outlets. Neben dem Haupthaus und einer weiteren Filiale in Koblenz gibt es Standorte in Brühl, Bad Homburg, Bad Kreuznach, Flensburg, Göppingen und Mayen.

Das Unternehmen versprach Damen- und Herrenmode sowie Wäsche im gehobenen und höheren Preissegment, in einigen Häusern auch Markenmode für Kinder. Schuhmode und Accessoires sollten das Angebot als ‚Total Look‘ Anbieter abrunden, der nach eigenen Angaben auf Beratung und nachhaltige Ware setzen wollte.

Aachener wollte Galeria-Filialen übernehmen

Und Aachener wollte expandieren und sechs Galeria-Filialen übernehmen. Neben Leverkusen, waren das die Häuser in Coburg, Cottbus, auf der Frankfurter Zeil, in Nürnberg—Langwasser, Dortmund und Saarbrücken. Mietverträge waren bereits unterzeichnet, die Mitarbeitenden von Galeria sollten Übernahmeangebote erhalten.

Unruhe im Unternehmen ist sei Anfang November. Firmengründer Friedrich-Wilhelm Göbel war nicht zu einem Gerichtstermin erschienen und untergetaucht. Ihm wird vorgeworfen, falsche Angaben zu seinem Vermögen gemacht zu haben. Danach hatte er laut der „Textilwirtschaft“ die Mitarbeitenden darüber informiert, dass er nicht mehr Geschäftsführer der TEH sei. Neuer Geschäftsführer wurde der Sanierungsspezialist Oliver Nobel von der Kanzlei Görg.

In den betroffenen Städten wächst die Sorge

Der sah sich gezwungen, einen Insolvenzantrag zu stellen. Der Geschäftsbetrieb in den bereits eröffneten Filialen wird fortgeführt. Das Insolvenzgeld sichert zunächst das Entgelt der Beschäftigten. In den noch nicht eröffneten wird laut Nobel geprüft, ob eine zeitnahe Eröffnung möglich ist. Derweil wächst in den betroffenen Städten die Sorge um die Standorte.

Die Zeit für Neueröffnungen ist denkbar ungünstig. Atradius rechnet im kommenden Jahr mit einem Anstieg der Insolvenzen in der Branche. Konsumzurückhaltung der Verbraucher wegen der unsicheren Wirtschaftslage und hoher Strompreise sind ein Grund.  Dazu kommen für Atradius aktuell Nichtzahlungsmeldungen für Lieferanten an deutsche Textilunternehmen. „Sie stiegen in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 79,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum“, heißt es in der Studie.

So viel scheint sicher: Die Unternehmen werden die geplanten Umsatz- und Absatzziele in diesem Jahr nicht erreichen.
Frank Liebold, Atradius-Manager

Die Schieflagen würden dabei laut Atradius nicht nur kleine und mittlere Unternehmen treffen. „So viel scheint sicher: Die Unternehmen werden die geplanten Umsatz- und Absatzziele in diesem Jahr nicht erreichen“, sagte Liebold. Gestiegene Kosten für Mieten, Personal und Energie könnten durch die Umsatzentwicklung nicht kompensiert werden. Auch das Weihnachtsgeschäft werde die Lage nicht nachhaltig verbessern. Unternehmen räumten jetzt schon Rabatte ein aus Angst auf ihren Lagerbeständen sitzen zu bleiben, so Liebold.

Generell ist die Vorweihnachtszeit ab November die umsatzstärkste Zeit des Jahres für den Einzelhandel. Hier werden 19 Prozent der Erlöse erzielt, bei Büchern, Uhren und Schmuck zwischen 24,8 und 23,5 Prozent. In diesem Jahr erwartet der Handelsverband Deutschland (HDE) ein Umsatzplus von nominal 1,5 Prozent auf 120,8 Milliarden Euro. Real, bereinigt um die steigenden Verbraucherpreise, gebe es ein Minus von 4,3 Prozent. Da bleibt die vage Hoffnung auf einen kalten Winter.