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30 Jahre MauerfallWie die Banane das Symbol für Wohlstand im Osten wurde

Lesezeit 4 Minuten
Bananen dpa

Bananen waren Mangelware: Die DDR-Wirtschaft lag 1989 darnieder.

  1. Kaum etwas symbolisiert die Mangelwirtschaft in der DDR besser als diese Geschichte: Anfang der 90er Jahre brach im wiedervereinten Deutschland eine regelrechte Bananenhysterie aus.
  2. Der Konsum stieg plötzlich auf mehr als 14 Kilogramm pro Kopf und Jahr, im Osten der Republik war der Verbrauch fast doppelt so hoch wie im Westen.
  3. Wie kam es zu diesem Phänomen?

Während die Bundesrepublik 1978/79 laut Statistik der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO 604 000 Tonnen Bananen importierte, waren es in der DDR gerade einmal 120 000 Tonnen. Blieb der Verbrauch im Westen bis 1984 etwa konstant, verringerte sich der Import der Südfrucht in der DDR drastisch auf 70 000 Tonnen. In der Folge avancierte die Banane zu einem Symbol der Entfremdung zwischen Westen und Osten — im einen Teil der Republik stand sie für Wohlstand, im anderen für Mangel.

Düstere Szenarien nach Schuldenanstieg

Aber nicht nur der Mangel an Konsumgütern war Ausdruck der desaströsen DDR-Wirtschaft. Eine überalterte Industrie, verschlissene Anlagen und eine marode Infrastruktur zeugten 1989 von einer finanziell und wirtschaftlich desaströsen Lage. 13 Tage war der Staatsratsvorsitzende Egon Krenz nach der Entmachtung Erich Honeckers im Amt, da legte ihm Gerhard Schürer, Chef der Staatlichen Plankommission der DDR, eine schonungslose Analyse vor: „Die Verschuldung im nicht-sozialistischen Wirtschaftsgebiet ist seit dem VIII. Parteitag gegenwärtig auf eine Höhe gestiegen, die die Zahlungsfähigkeit der DDR in Frage stellt.“ Wie es in dem Bericht „Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlussfolgerungen“, datiert auf den 27. Oktober 1989 und später als „Schürer-Papier“ berühmt geworden, weiter heißt, bestünden Verbindlichkeiten gegenüber westlichen Gläubigern in Höhe von 49 Milliarden Valuta-Mark (VM), was etwa 26 Milliarden Dollar entsprach.

Auseinanderfallende Infrastruktur

Auseinanderfallende Infrastruktur.

Schürer malte in seinem Papier düstere Szenarien: „Allein ein Stoppen der Verschuldung würde im Jahr 1990 eine Senkung des Lebensstandards um 25 bis 30 Prozent erfordern und die DDR unregierbar machen.“ Aber was tun?

Darstellung wurde dramatisiert

Schürer schlug eine Annäherung an den Westen vor: Man könne die Bundesregierung um weitere Kredite ersuchen und ihr im Gegenzug anbieten, die Mauer mittelfristig abzubauen. Die Analyse Gerhard Schürers wurde später als Beleg für den Staatsbankrott der DDR gewertet. Dabei zeigte eine Überprüfung der Deutschen Bundesbank einige Jahre später, dass die Schuldensumme deutlich niedriger war als von Schürer angenommen und die Darstellung dramatisiert wurde. So betrugen etwa die Schulden gegenüber westlichen Gläubigern nicht 49 Milliarden, sondern 19,9 Milliarden Valuta-Mark. Schürer hatte Mittel des geheimen Bereichs „Kommerzielle Koordinierung“, der von Alexander Schalck-Golodkowski, Staatssekretär im DDR-Ministerium für Außenhandel, geleitet wurde, schlichtweg nicht beachtet.

DDR-Produkte

Auch 30 Jahre nach der Wende lassen sich in Supermarkt-Regalen noch frühere DDR-Produkte finden. So hat sich die Kosmetik-Marke Florena aus dem mittelsächsischen Waldheim  trotz großer Konkurrenz der westlichen Nivea-Produkte halten können. Auch Bautz’ner Senf, Spreewaldhof-Produkte, Biersorten wie Köstritzer, Rotkäppchen-Sekt oder eine Kathi-Backmischung sind nach wie vor im Sortiment von Supermarktketten. Allerdings sind diese früheren DDR-Marken nicht mehr unbedingt reine Ostprodukte. So wird Bautz’ner Senf zwar noch in Sachsen hergestellt, die Marke gehört aber zum Konzern Develey aus Bayern. Auch die meisten Biermarken sind mittlerweile in die Radeberger- und die Bitburger-Gruppe übergegangen. Neben den großen Marken sind auch eher unbekanntere Produkte wie Wurzener Erdnußflips, Wikana-Kekse aus Wittenberg (Sachsen-Anhalt) oder Club Cola aus Berlin  noch erhältlich. (mdh)

Trotz dieser Tatsache wäre die DDR früher oder später pleite gegangen, ist sich Reint Gropp, Präsident des Leipniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH), sicher. „Es hätte um 1989/1990 vielleicht noch fünf Jahre weitergehen können, aber mehr auch nicht.“ Maßnahmen wie die 1983 und 1984 von Schalck-Golodkowski mit CSU-Chef Franz-Josef Strauß ausgehandelten Milliardenkredite sowie die indirekte Subventionierung der DDR-Wirtschaft über Güteraustausch mit der Sowjetunion hätten „das Elend nur verzögert“. Den unausweichlichen Bankrott führt Gropp nicht nur auf die Beschaffenheit der Planwirtschaft, sondern vor allem auch auf die Demontage des Ostens in der Nachkriegszeit zurück, die er als „negativen Marshallplan“ bezeichnet. Während die USA den Westen Europas mit 12,4 Milliarden Dollar unterstützte — allein 1,5 Milliarden davon flossen nach Westdeutschland — baute die Sowjetunion im Osten als Wiedergutmachung für erlittene Schäden Industrieanlagen ab. „Es gibt Schätzungen, nach denen die aus der Demontage resultierenden Schäden größer waren als diejenigen, die während des Zweiten Weltkrieges verursacht wurden“, erläutert Gropp. Nicht zuletzt sei auch die Aufwertung der Währung für die fatale wirtschaftliche Entwicklung der DDR verantwortlich gewesen.

Industriegebiet Gera

Marode Industrie: das Industriegebiet von Gera.

Mit der Wiedervereinigung habe in den 90er Jahren dann ein Angleichungsprozess stattgefunden, so Gropp. Während das Pro-Kopf-Einkommen in der DDR 1950 noch 39 Prozent des Westniveaus betrug und bis 1989 auf etwa 55 Prozent angestiegen ist, lag es 1993 bereits bei 72 Prozent. Mittlerweile sind es etwas mehr als 85. Die Angleichung wächst seit einigen Jahren allerdings nur noch geringfügig. Das hängt Gropp zufolge auch mit dem Produktionsgefälle zusammen. „Ostdeutsche Unternehmen sind immer noch etwa 20 bis 25 Prozent weniger produktiv.“