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1000 neue WindräderWie die NRW-Regierung in Sachen Energie unter Druck steht

Lesezeit 4 Minuten
Mona Neubaur sprach auf ihrer Reise in die Eifel mit (v.l.) Dr. Jakob Müller, Vorstand der GLS-Beteiligungs AG, die den Windpark in Schöneseiffen betreibt; Frank Poschen, Geschäftsführer des Schoeller Werk Hellenthal und Patrick Linnebach (GLS).

Mona Neubaur sprach auf ihrer Reise in die Eifel mit (v.l.) Dr. Jakob Müller, Vorstand der GLS-Beteiligungs AG, die den Windpark in Schöneseiffen betreibt; Frank Poschen, Geschäftsführer des Schoeller Werk Hellenthal und Patrick Linnebach (GLS).

NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur hofft bei ihrem Besuch, dass der Windpark Schleiden landesweit Schule macht. Die Pläne sind ambitioniert.

Auf der Suche nach der gelingenden Energiewende ist Mona Neubaur kein Weg zu weit. Am Mittwochmorgen ist die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin von den Grünen bis an die belgische Grenze gefahren, um einen Windpark zu bestaunen, der sich in ein Naturschutzgebiet schmiegt und Bürger wie Unternehmer gleichermaßen glücklich macht.

Neubaur trägt einen weißen Bauhelm und steht im Turm einer von insgesamt 13 modernen Windkraftanlagen im „Windpark Schleiden“. „Es ist super“, schwärmt die Ministerin, „weil das bestätigt, was ich in meinen Reden sage, wie unsere Unternehmerinnen und Unternehmer, unsere Bürgerinnen und Bürger drauf sind.“

Sechs „Vorrangzonen“

Die schwarz-grüne Landesregierung steht beim Thema Windkraft erheblich unter Druck. Im Koalitionsvertrag hat man im vergangenen Sommer vollmundig versprochen, bis 2027 landesweit 1000 zusätzliche Windräder bauen zu lassen. Im ersten Halbjahr lag der Brutto-Zubau gerade einmal bei 44 neuen Anlagen mit zusammen 200 MW Leistung. Kaum mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum (47 Anlagen/187 MW Leistung), als noch Schwarz-Gelb regierte.

Immerhin wurden im ersten Halbjahr 2023 aber 131 Windräder genehmigt – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Es dauert jedoch bislang mindestens zwei Jahre, bis genehmigte Anlagen auch Strom liefern. Oft muss sich das Oberverwaltungsgericht mit Klagen von Betreibern herumschlagen. Ein Genehmigungsbescheid enthält mindestens 100 Nebenbestimmungen. Diese machen Vorgaben zur Abschaltung der Windräder zu bestimmten Zeiten, um Vögel und Fledermäuse zu schützen oder nachts Anwohner von Rotorlärm zu verschonen.

Bürger aus der Region beteiligt

In Schleiden ist das alles kein Thema. Hier produzierten die 13 Anlagen zuletzt so viel grünen Strom, dass „jährlich 28 000 Drei-Personen-Haushalte“ versorgt werden könnten, die wie Bochumer GLS Bank vorrechnet. Das sozial-ökologische Geldinstitut hat den Windpark mit Beteiligung von Bürgern aus der Region finanziert. „Die Bürgerbeteiligung hat der Energiewende bislang große Akzeptanz verschafft“, sagt der Vorstand der GLS Bank, Jakob Müller.

Nun steigt auch der wichtigste Arbeitgeber der Gegend ein, der Edelstahlrohr-Hersteller Schoeller. Das Unternehmen nutzt den Windstrom und baut eine eigene Wasserstoffproduktion auf, um an Tagen der Dunkelflaute ebenfalls über ausreichende Strommengen zu verfügen. Bis spätestens 2030 will Schoeller so seinen CO2-Ausstoß um 40 Prozent reduzieren und bis 2036 vollständig klimaneutral produzieren.

„Die Märkte der Zukunft werden grüne Märkte sein. Es wird darauf ankommen, dass man CO2-freie Edelstahlrohre in einen weltweiten Markt exportieren kann“, sagt Neubaur. Allerdings scheitert es in anderen Chefetagen in NRW meist nicht am guten Willen, sondern an der Verfügbarkeit von bezahlbarem und verlässlichem Strom.

Genehmigung von Windkraft erleichtern

Auch in Schleiden wird Neubaur aufgefordert, doch einfach den Windkrafterlass des Landes Hessen zu kopieren, um die Genehmigung von Windkraft endlich zu erleichtern. Ein typischer Genehmigungsantrag für eine Windenergieanlage umfasst 1500 bis 3000 Seiten. Investoren müssen etwa Gutachten zur Standsicherheit, zu Lärm, Schattenwurf und optischen Auswirkungen sowie zu Artenschutz und Umweltverträglichkeit beibringen.

Neubaur hat in den vergangenen Wochen bereits den umstrittenen 1000-Meter-Mindestabstand zu Siedlungsgebieten für Windräder abgeschafft, für den der Koalitionspartner CDU noch Wahlkampf gemacht hatte. Zudem wurde ein neuer Landesentwicklungsplan entworfen. Landes- und Regionalpläne sollen so geändert werden, dass bis zum Frühjahr 2024 NRW-weit möglichst gerecht sechs „Vorrangzonen“ ausgewiesen werden, auf denen die gewünschten 1000 Windräder konzentriert werden. In Ostwestfalen regt sich bereits Protest. Auch beim Sauerland-Tourismus gibt es einige Sorgen, dass nur bestimmte Kreise die Last der Energiewende schultern müssen.

NRW will sieben Jahre früher als vom Bund verlangt die notwendigen Flächen für den massiven Ausbau der Windkraft ausweisen. Anfang 2025 sollen 1,8 Prozent der Landesfläche zur Verfügung stehen. Bis dahin soll in den Genehmigungsbehörden auf den unterschiedlichen politischen Ebenen auch mit Hilfe der Digitalisierung Tempo gemacht werden.

Wer sich in der Branche umhört, lernt ein ziemliches Durcheinander kennen. „Wo wir besser werden müssen, ist ganz klar in der Frage, wie schnell und wie einfach sind Anträge zu stellen“, räumt Neubaur ein. Die Landesregierung plane überdies Vereinfachungen beim Arten-, Natur- und Emissionsschutz.