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WipperfürthSeniorin jagt Nachbarn mit Gehstock und muss vor Gericht

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Seniorin mit Gehhilfe: In Wipperfürth soll eine 87-Jährige ihren Stock gegen einen Nachbarn erhoben haben. 

Wipperfürth – Ein eskalierter Nachbarschaftsstreit hat eine Wipperfürtherin im Alter von 87 Jahren auf die Anklagebank gebracht. Die Staatsanwaltschaft hat die Frau aus dem Süden der Hansestadt wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Strafgericht öffentlich angeklagt.

Als „gefährliches Werkzeug“ machten die Kölner Ankläger den Gehstock der Seniorin und in einem weiteren Fall ihren Hausbesen aus. Mindestens einmal soll die Frau ihren 38-jährigen Nachbarn am Arm getroffen haben, wenige Wochen später blieb es zweimal beim Versuch, „weil der Geschädigte sich wegducken konnte und der Schlag ihn dadurch verfehlte“, wie es die Anklage formuliert.

Die Angriffe passierten laut Staatsanwaltschaft zwischen Oktober 2020 und Januar 2021. Zankapfel zwischen den Nachbarn war der Anhänger des Mannes – und er ist es bis heute, wie die Wipperfürtherin gleich zu Prozessbeginn energisch klarstellte. Der 38-Jährige gehe nachlässig mit dem Einachser um. Zum Beispiel nutze er dessen Stützen nicht, wenn er das Gefährt abstelle. „Bei Wind könnte sich der Anhänger dadurch selbstständig machen und auf mein Grundstück rollen. Und bei uns ist immer viel Wind“, ereiferte sich die 87-Jährige.

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Bevor es in der Sache vorwärts ging, entbrannte so zunächst eine Diskussion über die Gefährlichkeit dieses Anhängers. Gericht und Staatsanwaltschaft versuchten der Seniorin klarzumachen, dass von dem Vehikel mit nicht mal drei Zentnern Leermasse kaum Gefahr drohe. Die Angeklagte blieb bei ihrer Sicht, die Verteidigung schwieg.

Die Vorwürfe der Körperverletzung – die Staatsanwaltschaft ging immerhin von minderschweren Fällen aus – bestritt die Wipperfürtherin. Sie habe nicht nach dem Nachbarn geschlagen, sondern auf die Deichsel des Anhängers und auf dessen Plane. „Warum schlagen Sie auf einen fremden Anhänger?“, wollte der Vorsitzende Richter wissen. „Der Hänger schreit doch nicht“, entgegnete die Rentnerin. Sie habe erzwingen wollen, dass der 38-Jährige „endlich vernünftig mit seinen Sachen umgeht“.

Gericht zeigt Video von Verfolgung mit Gehstock

Daraufhin spielte das Gericht ein Video ab, das die Frau des Opfers im Oktober 2020 aus einem Fenster der Wohnung gedreht hatte. Es zeigt, wie der 38-Jährige versucht, seinen Anhänger per Hand in eine Einfahrt zu bugsieren. Die Angeklagte verfolgt ihn dabei mit erhobenem Gehstock. Gefühlt ewig drehen die beiden Runde um Runde um den grau beplanten Anhänger, der Mann ist regelmäßig einen Tick schneller, was die Seniorin wiederum immer wütender werden lässt. Zahlreich saust ihr Gehstock auf den Nachbarn herab, der meist genau in diesem Moment um die nächste Ecke verschwunden ist.

Schlichtung als Alternative

Schiedsverfahren statt Gericht. Wenn es Streit am Gartenzaun gibt, haben Anwohner in NRW die Möglichkeit, eine Schiedsperson hinzuziehen. In NRW gibt es über 1000 Schiedspersonen. Sie werden vom Rat gewählt und unterstehen den Amtsgerichten.

Ziel ist es, Zeit und Gerichtskosten zu sparen. Ein Schlichtungsverfahren kostet zehn Euro, die Gebühr bei einem Vergleich beträgt höchstens 40 Euro. Die Hälfte davon geht an die Schiedsperson, die andere Hälfte in die Gemeindekasse. Etwa ein Fünftel der Anträge bezog sich in der Vergangenheit auf strafrechtliche Taten wie Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Beleidigung. Der Großteil der Fälle betrifft jedoch den zivilrechtlichen Bereich, also Streit zwischen Nachbarn oder Beleidigungen. (r/dpa)

„Ich habe immer nur gedroht, ihn aber nie geschlagen“, betonte die Angeklagte, nachdem der Kurzfilm auf dem großen Bildschirm im Gerichtssaal gezeigt worden war. Der Nachbar, der als Zeuge aussagte, erklärte hingegen, dass die Frau ihn während dieser Szenen sehr wohl am Arm erwischt habe. Auch Staatsanwaltschaft und Gericht ließen durchblicken, dass ihnen das gezeigte Video als Beweis für eine Verurteilung reichen würde. Die Wipperfürtherin stritt weiter ab.

Mit sehr eindringlichen Worten appellierte der Vorsitzende Richter schließlich an die Vernunft der Seniorin und unterbreitete ihr ein Angebot, das auch die Staatsanwaltschaft mittrug: Die Vorwürfe werden eingestellt, im Gegenzug zahlt die Frau 900 Euro an die Landeskasse. Im Falle ihrer Verurteilung sei eine Geldstrafe in dreifacher Höhe durchaus realistisch, gab das Gericht der Wipperfürtherin zu bedenken. Wortlos stimmte die der Einstellung schließlich zu.