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Lieferengpässe in NRWHändler in Oberberg warten lange auf ihre Ware

Lesezeit 5 Minuten

Über Lieferzeiten von 20 Wochen berichtet Jakob Penner, Inhaber der Dreherei Ledda in Lindlar-Klause.

Wipperfürth/Lindlar – Das Jahr 2021 wird Wirtschaft und Verbrauchern als ein Jahr in Erinnerung bleiben, in dem es nie für möglich gehaltene Lieferengpässe gab. Davon geht das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, besser bekannt als ifo-Institut, aus, das aktuell eine Umfrage quer durch alle Branchen veröffentlicht hat. Wir haben in Wipperfürth und Lindlar nachgehört.

1. Fahrräder

Fahrradhändler wie Ralf Röttel aus Wipperfürth sind besonders stark von Lieferengpässen betroffen.

Im Fahrradeinzelhandel beklagen 100 Prozent der von ifo befragten Unternehmen Probleme bei ihren Bestellungen – ein Rekordwert. „Wer glaubt, es gehe uns in Wipperfürth nichts an, wenn ein Schiff im Suez-Kanal feststeckt, der irrt gewaltig“, betont Ralf Röttel von RRBikes. Die „Ever Given“, die im März auf Grund lief, transportierte allein 15 Fahrräder für den Wipperfürther. Auf den 150 Schiffen dahinter geriet der Transport weiterer Drahtesel zum Stillstand. „Momentan müssen wir die Bestellungen wirklich gut organisieren, der Nachschub kommt nur scheibchenweise“, verrät Röttel. Vor allem an Ketten und Schaltungsbauteilen hapere es, nachdem der Marktführer Shimano sein Werk in Malaysia im Juli wegen zahlreicher Corona-Fälle komplett schließen musste. „Ich habe so etwas in 30 Jahren Fahrradhandel noch nicht erlebt“, sagt Röttel, der bereits Ware bestellt hat, die im Frühjahr 2023 kommen soll – hoffentlich.

2. Möbel

„Die Lage ist katastrophal“, berichtet Markus Wasserfuhr, Chef des gleichnamigen Möbelhauses in Klingsiepen. Seit Monaten stockt der Nachschub bei den Elektrogeräten. Nagelneue Küchen verlassen das Lager ohne Kühlschrank, Kochfeld oder Herd. Laut ifo befinden sich fast 95 Prozent der deutschen Möbelhändler in der gleichen Lage. „Das, was sich meine Mitarbeiter täglich anhören müssen, liegt über der Schmerzgrenze“, betont Wasserfuhr. „Dabei können wir nichts für die aktuelle Situation.“

Das Chaos habe mehrere Ursachen, ist sich Wasserfuhr sicher. Fehlende Halbleiter, Chips und Regler auf der einen Seite, durch Corona geschlossene Häfen und ein Mangel an Containern andererseits. Mittendrin die neuen Energieeffizienzklassen der EU. Die Hoffnung auf baldige Besserung hat Markus Wasserfuhr spätestens aufgegeben, als die Bosch-Siemens-Hausgeräte-Gruppe jüngst von einer Million Geräte auf der Rückstandsliste sprach. „Eine Million – diese Zahl muss man sich mal vorstellen“, wiederholt Wasserfuhr kopfschüttelnd.

3. Haushaltsgeräte

Haushaltsgeräte sind schwer zu bekommen, weiß Händler Georg Bremer aus Lindlar.

Georg Bremer ist mit seinem Elektrogeschäft auf der Kölner Straße in Lindlar eng mit dem Miele-Konzern verbunden – der mangels Bauteilen erst vor vier Wochen aus der Kurzarbeit zurückgekehrte. Drei Spülmaschinen wird er in diesem Jahr noch erhalten, das hat man ihm bereits mitgeteilt. Mehr geht nicht. „Ich muss jetzt bestellen, damit ich im Januar etwas habe – bislang waren es nur ein paar Tage Vorlauf“, erklärt Bremer. Um die 60 Geräte finden sich bereits auf seiner persönlichen Rückstandsliste. Und nicht jeder Kunde sei geduldig, so der Lindlarer. „Manche arrangieren sich ein paar Wochen ohne Spülmaschine, andere springen ab. Aber woanders ist das Angebot auch nicht größer.“ Die ifo-Umfrage gibt ihm recht: 82 Prozent aller deutschen Elektrohändler bewerten die Nachschublage als ungenügend.

4. Autoteile

Nicht nur die Autobauer hadern mit Lieferengpässen. Laut ifo schlägt die Knappheit inzwischen auch voll auf den Ersatzteilbestand der Werkstätten vor Ort durch. „Eine Lieferzusage hat inzwischen keine Qualität mehr“, weiß Reiner Irlenbusch, Autohändler aus Hämmern und zugleich Obermeister der Kraftfahrzeuginnung Bergisches Land.

Vor allem die freien Werkstätten klagten derzeit über massive Probleme, betroffen seien alle Fabrikate. „Quer durch die Branche fehlt es an Autos wie auch Ersatzteilen. Ob eine fest versprochene Lieferung pünktlich, später oder gar nicht kommt, kann niemand mehr sagen.“

5. Stahl

Kleinere Mengen sind zu haben, wer mehr oder eine spezielle Qualität braucht, hat Probleme, verrät Jakob Penner, Inhaber der Dreherei Ledda in Lindlar-Klause. Dann sei aktuell mit Lieferzeiten bis zu 20 Wochen zu kalkulieren. Die Branche kämpfe weiterhin mit den Folgen des ersten Corona-Lockdowns, als niemand mehr habe investieren wollen und die Lagerbestände runtergefahren wurden. Allerdings gebe es unter Kollegen auch den Verdacht, dass die Stahlwerke die Knappheit künstlich aufrechterhielten, um den Preis in die Höhe zu treiben, so Penner. Für das zweite Quartal 2022 hoffe die Stahlbranche auf endgültige Entspannung in Sachen Nachschub.

Im Lindlarer Edelstahlwerk Schmidt+Clemens sind weniger die Rohstoffe als die Verpackung und die Logistik das Problem. „Unsere Rohre gehen in Holzverkleidungen auf Tour, dort spüren wir derzeit massive Preissteigerungen“, sagt S+C-Sprecher Lars Niemczewski und nennt ein weiteres Beispiel für die Kostenexplosion in der Logistik. Kostete die Weltreise eines Seecontainers früher 1500 Euro, schlagen inzwischen bis zu 20 000 Euro zu Buche – eine Erhöhung um 1200 Prozent.

6. Baustoffe

„Die letzten vergleichbaren Umstände gab es direkt nach dem Mauerfall, als wir plötzlich ein zweites Land versorgen mussten“, berichtet Gaetano Galofaro, Einkäufer beim Baustoffhändler Karl Zimmermann in Wipperfürth-Ohl. Das Unternehmen sei bereits zu Beginn der Pandemie von Engpässen betroffen gewesen. „Beim Holz sind wir praktisch überrannt worden“, erinnert sich Galofaro. Zement, Mörtel Kleber und Rohre seien enorm gefragt gewesen, vor allem aber habe die Abteilung für den Garten- und Landschaftsbau mit einer gewaltigen Nachfrage und wenig Nachschub gekämpft.

Indes macht Galofaro eher die gestiegene Nachfrage für die Knappheit verantwortlich als einen Engpass bei den Herstellern. Inzwischen sei die Situation entspannter, der Holzpreis habe allerdings deutlich angezogen, verrät Galofaro. Das zunehmend schlechtere Wetter entschärfe die Lage weiter.

7. Unterhaltungselektronik

„Die Spielekonsolen Xbox und Playstation sind aktuell überhaupt nicht zu bekommen, bei den Smartphones haben Apple und Samsung extreme Lieferschwierigkeiten“, meldet Denny Haußmann, Inhaber von „Inovacom“. Vom neuesten iPhone sei gerade einmal ein Neuntel der bestellten Menge in Frielingsdorf angekommen. Bei Recievern und Routern sehe es nicht besser aus.

Den nächsten Engpass erwartet Haußmann in Kürze bei den Fernsehern. „Was auf den Markt kommt, wird schlagartig weggekauft“, weiß auch der Lindlarer EDV-Unternehmer Markus Finkelnburg. Weil die Chips fehlen, mangele es an Bluetooth-Technik, Webcams und Dockingstations.

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Sein Rat: Wer Elektronikartikel unter den Weihnachtsbaum legen möchte, sollte nicht lange zögern. Mit fast 98 Prozent unzufriedenen Händlern liegt die Branche laut ifo nur knapp hinter den Fahrradhändlern.

8. Lebensmittel

46 Prozent der Lebensmittelhändler beschwerten sich bei ifo über Lieferlücken – ein vergleichsweise geringer Anteil. Jochen Offermann, Chef der Edeka-Märkte in Wipperfürth und Kreuzberg, rechnet jedenfalls nicht mit leeren Regalen. Allerdings merke der Handel das aktuell hohe Niveau bei Rohstoffen. Letzte Woche verteuerten sich die Nudeln deutlich, auch Obst, Gemüse und Butter seien derzeit hochpreisig.