Debatte in LindlarGrabschmuck im Urnengarten soll weg – Aber warum?
Lindlar – In der Gemeinde hat ein Schreiben der Friedhofsverwaltung für Gesprächsstoff gesorgt. Darin forderte das Rathaus die Entfernung des Grabschmuckes aus dem Lindlarer Urnengarten bis Ende April. Die BLZ hat mit Adressaten des Schreibens gesprochen.
Darum geht es
In den Mauern des Urnengartens sind bislang rund 250 Menschen beigesetzt. Etwa 220 sogenannte Nutzungsberechtigte habe die Verwaltung jüngst angeschrieben, berichtet Dezernent Michael Eyer auf BLZ-Nachfrage. Nutzungsberechtigt sind regelmäßig die Angehörigen. Sie erwerben das Recht an der Grabstätte für 25 Jahre.
Zahlen
11
Jahre wird der Lindlarer Urnengarten. Eingeweiht wurde er am 3. Oktober 2009.
25
Seiten umfasst die aktuelle Satzung über das Friedhofs- und Bestattungswesen.
220
Briefe hat das Friedhofsamt an Lindlarer Bürger verschickt.
250
Urnen sind bislang im Lindlarer Urnengarten beigesetzt. Einige Menschen pflegen dort die Ruhestätten mehrerer Angehöriger.
1540
Euro kostet das Nutzungsrecht an einer Grabstätte im Urnengarten.
25
Jahre bleibt das Nutzungsrecht der Urnengrabstätte beim Käufer.
Was ist Grundlage des Schreibens?
Die Verwaltung stützt ihre Aufforderung auf den einschlägigen Teil der Lindlarer Friedhofssatzung. Dort ist festgelegt: „Das Anbringen und Ablegen von Grabschmuck ist grundsätzlich nicht erlaubt. Die Pflege des Urnengartens obliegt ausschließlich der Friedhofsverwaltung.“ Vor Ort sieht es anders aus. Die Gräber in allen vier bestehenden Mauern sind individuell mit Blumen, Steinfiguren, Gestecken und Lampen geschmückt. Die Verwaltung habe es toleriert, wenn zu besonderen Gedenktagen Kerzen oder Blumenschmuck abgestellt wurden, so Eyer. In jüngster Zeit habe man jedoch bemerkt, „dass in einem Umfang massive Grableuchten und Blumenschmuck aufgestellt worden sind, die Erscheinungsbild und Intention eines Urnengartens beeinträchtigen“.
Das sagen die Bürger
Spricht man mit den Empfängern der gemeindlichen Aufforderung, trifft man auf unterschiedliche Meinungen. „Stellenweise sieht es tatsächlich aus wie auf der Kirmes“, kritisiert Marianne Mostert, die zwei Angehörige im Urnengarten bestattet hat. „Volles Verständnis“ für das Schreiben hat auch Elisabeth Potthoff. Wer sich strikt an die Friedhofssatzung halte, gerate zudem schnell in Zugzwang, findet Stephanie Hütt. „Das Grab meines Vaters soll ja nicht das einzige sein, auf dem gar nichts steht.“ Alle drei Frauen betonen aber auch: Ganz ohne privaten Schmuck und nur mit dem vom Friedhofsgärtner gepflanzten Efeu sollte der Urnengarten auch nicht dekoriert bleiben.
Das meinen Kritiker
„Ich bin bestimmt kein Querulant, aber so geht man nicht mit Menschen um“, schimpft Petra Heyden über die Post aus dem Rathaus. Bewusst habe sie für ihren Mann den Urnengarten ausgewählt und keine – deutlich günstigere – anonyme Urnenbestattung. Deshalb müsse eine individuelle Gestaltung möglich sein. „Ich habe drei Enkel, die an ihrem Großvater hingen, ihm regelmäßig Bilder malen und auf seinem Grab ablegen. Was sage ich denen?“, fragt Heyden. Sie findet, dass die Mischung aus dezent gehaltenen und aufwendig geschmückten Ruhestätten gerade den Charme des Urnengartens ausmache.
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Das eint die Lager
Grabschmuck hin oder her: Weitgehend einig sind sich die Befragten darin, dass Gemeindeverwaltung und auch die Bestatter im Trauerfall besser darüber informieren müssten, was wo erlaubt ist und was gerade nicht. „Bei den Formalitäten rund um die Beerdigungen hat es nie eine Info gegeben“, betont Marianne Mostert. „Natürlich kann ich durch die Details der Friedhofssatzung blättern – aber das macht in den ersten Tagen nach dem Verlust eines Angehörigen doch niemand“, sagt Petra Heyden. „Warum gibt es kein übersichtliches Merkblatt für Trauernde?“ Mancher habe sich bei frühzeitiger Klarheit kostspielige Investitionen zum Beispiel in Lampen sparen können oder gleich eine andere Form der Ruhestätte gewählt, sind beide überzeugt.
Das sagen die Initiatoren des Urnengartens
Die Hospiz-Gruppe um Elisabeth Broich war Ideengeber des im Oktober 2009 eröffneten Urnengartens. „Das damalige Konzept lautete: Einen Platz schaffen für Verstorbene ohne Angehörige im Ort“, erinnert sich Broich. Auch Michael Eyer betont, dass der Rat damals mit der Eröffnung des Gartens dem Wunsch Hinterbliebener gefolgt sei, die aufgrund räumlicher Entfernung nicht in der Lage waren, sich selbst um die Pflege des Grabes zu kümmern. „Der Garten wurde in der Satzung als pflegefrei definiert“, so Eyer. In den Folgejahren ließen sich allerdings auch immer mehr Lindlarer in der Mauer bestatten, deren Angehörige sehr wohl vor Ort leben – und nach und nach selbst Pflege und Schmuck der Gräber übernahmen. Das fiel auch im Rathaus auf. 2018 berichtete die Friedhofsverwaltung in einer Vorlage an den Rat von der „hohen Nachfrage nach der Bestattungsform Urnenbeisetzung im Urnengarten auf dem Friedhof Lindlar“.
So äußert sich die Politik
Die Frage nach der Zulässigkeit von Grabschmuck im Urnengarten sei mehrfach durch die politischen Gremien diskutiert worden, betont Michael Eyer. „Es bestand grundsätzlich Konsens, dass Grablampen, Holzkreuze oder Gestecke nicht dem Sinn eines Urnengartens entsprechen.“ Zuletzt wurde die Verwaltung im November im Ausschuss für Sicherheit und Ordnung zur Durchsetzung der Satzung aufgefordert – ein Auftrag, den das Rathaus nun mit der Briefaktion umsetzt.
Ausschuss soll sich wieder mit dem Thema beschäftigen
Der Lindlarer Ulrich Hoffstadt fordert, dass sich der Ausschuss in seiner Sitzung nach der Corona-Pause erneut mit dem Thema beschäftigt und die Satzung anpasst. „Kleine Blümchen und Lampen stören nun wirklich niemanden. Das muss Bewegung ins Thema kommen und sie wird kommen“, prophezeit Hoffstadt.