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Ungewöhnliche GeschichteWie ein Mönch und eine Ex-Nonne die große Liebe fanden

Lesezeit 4 Minuten
Ein Lichtstrahl fällt in einer Kirche auf ein Kreuz.

Ein Lichtstrahl fällt in einer Kirche auf ein Kreuz.

Ulrich Heinen lebt im Kloster, als er die ehemalige Nonne und Künstlerin Beate kennenlernt. Für sie verlässt er sein altes Leben. 

Ulrich Heinen stößt die Tür auf und tritt ins Atelier. An dessen Wänden hängen Bilder über und über, und wo kein Platz mehr für sie ist, da stehen sie angelehnt ans Mauerwerk. Er hole noch seine Frau dazu, sagt der Mann im kurzärmeligen Hemd und verschwindet erneut im Flur.

Seine Frau, das ist Beate. Volles schwarzes Haar, kurz geschnitten, rahmt ihr Gesicht ein. Zärtlich greifen die Hände der beiden immer wieder ineinander, wenn sie gemeinsam an dem kleinen Tisch im Atelier sitzen, im Rücken ein Kachelofen, der im Winter Wärme spendet. Dass Ulrich Heinen Beate seine Frau nennen kann, war eigentlich nicht vorgesehen. Denn Ulrich lebte jahrzehntelang als Ordensbruder. Und Beate war als junge Frau Ordensschwester. Die Benediktinernonne und der Franziskanerbruder: Das war keine Liebe nach Plan.

Leben im Kloster bringt Beate an Grenze

1963 tritt Beate in ein Kloster in Eibingen ein, 1974 wieder aus – in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, wie es von außen betrachtet wohl aussieht. Nicht aber für Beate. In ihr schwelt die Entscheidung schon lange. Mit 19 Jahren hatte sie sich damals für das Klosterleben entschieden: „Ich habe schon immer so eine Sehnsucht in mir getragen“, sagt sie.

Als Nonne studiert sie Kunst, kann ihre Liebe zur Malerei ausleben. Doch die strengen Regeln des Ordenslebens stoßen an der freiheitsliebenden jungen Frau an ihre Grenzen. Beate packt das wenige, das sie besitzt – und geht.

In den Jahren danach macht sie sich als freischaffende Künstlerin einen Namen, bekommt eine Tochter. Ihre zumeist christlich geprägten Werke werden weithin bekannt, sie zieht nach Wassenach. Eine Dreiviertelautostunde von dort entfernt lebt Ulrich, der gelernte Glasmaler, als Franziskanerbruder und arbeitet in der Behindertenhilfe und als Kunsttherapeut. Im Herbst 2009 steht er bei Beate vor der Tür und trifft das erste Mal auf die Frau, die er bislang nur durch die Sprache von Farbe und Pinsel kannte.

Zehn Jahre bis zur großen Entscheidung

Der Grund: Er wollte sie für ein Künstlergespräch im Kloster einladen. Wenn sie sich fast 15 Jahre später an das erste Treffen erinnern, dann erzählen beide davon, wie sich die Begegnung im Atelier gleich so vertraut anfühlte. Wie aus dem kurzen Aufeinandertreffen Stunden wurden. Wie sie danach nicht aufhören konnten, aneinander zu denken. Und wie sie einige Wochen später in Ulrichs Kloster wieder aufeinanderstießen, als Beate von ihrer Kunst und ihrem Leben berichtete.

Zehn Jahre sollte es dauern, bis sie sich offen füreinander entscheiden konnten. Zehn Jahre Verliebtheit, Zerrissenheit. Zuerst schreiben sich Beate und Ulrich Briefe. Sie telefonieren, oft kommt Ulrich zu Besuch. Sie bereiten Kunstausstellungen gemeinsam vor, schreiben ein Buch zu Beates Lebensstationen. Drei Jahre nach ihrer ersten Begegnung soll Ulrich erneut eine leitende Position im Kloster einnehmen. Er stimmt zu – mit Bauchschmerzen. Und Beate? „Das hieß noch mal sechs Jahre warten für dich“, sagt sie.

Wer Ulrich erzählen hört, der muss nicht fragen, warum es zehn Jahre brauchte, bis er sich ganz und gar für Beate entscheiden konnte. Ulrich ist einer, der sein Wort hält. Der sich für das Leben im Kloster aus einer Gottessehnsucht heraus entschieden hat. Der sich um die sorgt, für die er Verantwortung trägt. Erst als seine Amtszeit als Generaloberer zum dritten Mal endet, kann er auch das Ordensgewand ablegen.

Ein Leben gemeinsam mit Gott

Ulrich, heute 68, zieht bei der elf Jahre älteren Beate ein – endlich, wie sie sagt. Das Haus in Wassenach, wie ein Kraftort voll Kunst und Musik und Glaube steht es in der sanften Hügellandschaft, wird das gemeinsame Heim. Der ehemalige Franziskaner wird zum dreifachen Opa und vom Ordensbruder zum Ehemann. 2020 heiraten sie standesamtlich, 2023 besiegeln sie das Versprechen vor Gott.

Mit ihrer ungewöhnlichen Geschichte waren die beiden deutschlandweit in den Medien: Ex-Mönch heiratet ehemalige Nonne, so die Schlagzeile. Dabei ist das Besondere ihrer Geschichte vielleicht gar nicht so sehr der Bruch mit dem alten Leben – sondern die Kontinuität damit. Beide haben sich damals für ein Leben mit Gott entschieden, sagen sie. Davon haben sie nie gelassen. Nur tun sie es nun gemeinsam. (kna)