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„Die Lage bleibt dramatisch“Trotz Rekordzustimmung: Zahl der Organspenden 2024 leicht gesunken

Lesezeit 3 Minuten
Die Rückseite eines ausgefüllten Organspendeausweises. Das Zustimmungsfeld ist angekreuzt. (Symbolbild)

So viele Menschen wie nie stehen der Organspende positiv gegenüber. Die Zahl der Organspenden in Deutschland deckt aber bei Weitem nicht den Bedarf.

2024 sank die Bereitschaft zur Organspende bei den Deutschen, obwohl die Zustimmungswerte laut einer neuen Umfrage ein Rekordhoch erreichen. Wie passt das zusammen?

Die Zustimmung zur Organ- und Gewebespende ist unter den Deutschen laut einer repräsentativen Umfrage so hoch wie noch nie. Laut Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stehen der Organspende 85 Prozent der Befragten positiv gegenüber.

Bei den dringend benötigten Organspenden ist auch im vergangenen Jahr der ersehnte Schub ausgeblieben. Stattdessen sanken die Zahlen bundes- wie landesweit sogar etwas, wie aus vorläufigen Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) hervorgeht.

Anzahl der Organspenden 2024 im Vergleich zum Vorjahr gesunken

Organe wie Nieren, Lebern oder Herzen für schwer kranke Patienten werden seit Jahren dringend benötigt. Im vergangenen Jahr gaben 953 Menschen nach dem Tod ein Organ oder mehrere Organe für andere frei – nach 965 im Jahr 2023, wie die koordinierende DSO ermittelte. Zugleich standen Ende 2024 knapp 8.300 Menschen auf Wartelisten.

Eine Person hält ein Handy in der Hand, auf dem das Online-Portal zur Registrierung zur Organspende zu sehen ist.

Um die eigene Entscheidung zur Organspende schriftlich festzuhalten, können sich Menschen in Deutschland in das digitale Organspende-Register eintragen.

Demnach wurden bundesweit 2.854 Organe postmortal entnommen – 2023 waren es mit 2.877 noch etwas mehr gewesen. In NRW standen zuletzt 495 Organspenden 503 aus dem Jahr 2023 gegenüber. Im Bundesländervergleich steht das bevölkerungsreichste Bundesland NRW in absoluten Zahlen auf Platz 1 bei den Organspendern und der Zahl der durchgeführten Transplantationen sowie auf Platz 3 bei der Anzahl der gespendeten Organe – hinter der Region Norddeutschland (Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) und ganz knapp hinter Bayern.

Übertragen wurden in den deutschen Transplantationszentren im vergangenen Jahr 3.013 Organe nach postmortaler Spende aus Deutschland und dem Eurotransplant-Verbund, im Vorjahr waren es 2.986. In NRW gab es 690 Transplantationen – nur zwei mehr als ein Jahr zuvor. Deutschland erhält weiter mehr Organe aus dem Verbund, als es hineingab.

„Wir haben zwar die medizinischen Möglichkeiten, aber die Organe fehlen“

Bundesweit sei 2.902 schwer kranken Patientinnen und Patienten eine bessere Lebensqualität oder sogar ein Weiterleben geschenkt worden, erklärte die DSO. Gleichzeitig stünden noch 8.260 Menschen in Deutschland auf den Wartelisten. „Die Lage der Patientinnen und Patienten, die dringend auf eine Organspende warten, bleibt dramatisch“, erklärte der Medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel.

In vielen Fällen, in denen Organe unwiederbringlich versagten, bleibe die Transplantation die einzige Chance auf ein Überleben. „Es ist daher eine unerträgliche Situation, dass wir zwar die medizinischen Möglichkeiten haben, Leben zu retten, uns aber die Organe dafür fehlen.“ Die DSO sprach in Frankfurt von Zahlen, die auf niedrigem Niveau verharrten. Weitere Anstrengungen, sie zu steigern, seien unabdingbar.

85 Prozent der Deutschen stehen Organspende positiv gegenüber

85 Prozent der Befragten in einer repräsentativen Umfrage gaben an, der Organspende positiv gegenüber zu stehen, 62 Prozent haben schon eine Entscheidung zur Organspende getroffen. 2022 waren es 61 Prozent. 45 Prozent haben einen Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung. 16 Prozent gaben an, eine Entscheidung getroffen zu haben, diese jedoch nicht schriftlich festgehalten zu haben. Bei 35 Prozent fehlt eine Entscheidung.

Für die repräsentative Befragung mit dem Titel „Wissen, Einstellung und Verhalten der Allgemeinbevölkerung zur Organ- und Gewebespende 2024“ wurden bundesweit 4.001 Personen im Alter zwischen 14 und 75 Jahren von April bis Mai 2024 befragt.

DSO appelliert, Entscheidungen über Organspende schriftlich festzuhalten

Der medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel, rief dazu auf, zu Lebzeiten eine selbstbestimmte Entscheidung zur Organspende zu treffen und diese in einem Organspendeausweis, in einer Patientenverfügung oder im digitalen Organspende-Register festzuhalten. Vergangenes Jahr sei nur bei etwa jedem siebten möglichen Organspender ein schriftlicher Wille vorhanden gewesen.

Derzeit sind Organentnahmen in Deutschland nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt. In einigen anderen Ländern gilt hingegen die Widerspruchslösung: Die Entnahme der Organe nach dem Tod ist erlaubt, sofern man zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widerspricht. Im Dezember 2024 hatte eine fraktionsübergreifende Abgeordnetengruppe einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, um die Widerspruchsregelung einzuführen.

Der DSO-Vorstand nannte es bedauerlich, dass die Initiative zur Einführung der Widerspruchslösung durch die Neuwahlen offensichtlich politisch nicht weiterverfolgt werde. Die Erfahrung in anderen Ländern habe gezeigt, dass eine solche Regelung „eine Kultur der Organspende“ fördere, so Rahmel. Aufklärung der Bevölkerung und Schulung der Klinik-Mitarbeiter blieben zentrale Maßnahmen, um die Zahlen zu steigern. (dpa)