In der Weihnachtstradition der USA gewinnt der Finder ein zusätzliches Geschenk und Glück für das nächste Jahr. Dieser Brauch findet auch in Deutschland immer mehr Anhänger.
Brauch aus den USAWas die Gurke am Weihnachtsbaum zu suchen hat
Wer entdeckt die Weihnachtsgurke wohl zuerst? Das aus dünnem Glas gefertigte Objekt darf nur mit den Augen gesucht und gefunden werden. Gar nicht so leicht am Weihnachtsbaum, denn zwischen den grünen Nadelzweigen ist die Gurke hervorragend getarnt. Doch der Anreiz ist groß: Wer sie als erstes findet, erhält ein zusätzliches Weihnachtsgeschenk, darf als erster eins auspacken oder wird im kommenden Jahr besonders viel Glück haben.
Je nach Familie weicht der Brauch etwas ab. Mitunter werden sogar zwei Gurken-Glashänger versteckt. Erwachsene müssen das kleinere Exemplar finden, während Kinder nach der größeren Gurke suchen dürfen.
Wo nach Gurken gesucht wird? An Weihnachtsbäumen, die in US-amerikanischen Wohnzimmern und Kirchen stehen. So heißt es zumindest in Deutschland, wo die Gurke ebenfalls an Popularität gewinnt. Im Jahr 2016 gaben laut einer Umfrage von YouGov nur sieben Prozent der Deutschen an, den Brauch zu kennen. Mittlerweile wird die Weihnachtsgurke in Geschäften, auf Weihnachtsmärkten und im Online-Handel angeboten – und zunehmend nachgefragt. Der Gemüseanhänger boomt. „Es gibt sogar Kunden, die eine einzelne Gurke bestellen“, sagt Sascha Müller-Schmob, Geschäftsführer des Glaszentrums Lauscha. Das Städtchen in Thüringen ist weltbekannt für sein Glasbläserhandwerk. Seit 2021 gehört es zum immateriellen Kulturerbe der Unesco.
Woher stammt denn nun der Brauch?
Gurken im Weihnachtsbaum kennt Jeffrey Myers allerdings nicht aus seiner Kindheit. Er ist in Kansas City groß geworden, studierte Theologie, war Stadtkirchenpfarrer an der Alten Nikolaikirche auf dem Römerberg in Frankfurt und anschließend Pfarrer in der Marktkirche in Wiesbaden. 2018 wurde er pensioniert. „Deutsche Freunde haben mich darauf angesprochen“, sagt er.
In den USA heißt es wiederum, der Brauche stamme ursprünglich sogar aus Deutschland. Wieder gibt es verschiedene Legenden rund um die „Christmas Pickle“. Manchmal fällt der Name Hans Lauer oder Lower. Er soll ein deutsch-amerikanischer Soldat gewesen sein, der während des amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) gefangen genommen wurde. Nachdem er sterbenskrank wurde, gewährte man ihm einen letzten Wunsch, eine saure Gurke. Diese soll ihm neue Kraft gegeben haben: Er überstand die Gefangenschaft und versteckte aus Dankbarkeit eine Gurke im Weihnachtsbaum. Dem Finder sollte diese so viel Glück bringen wie ihm selbst.
Erzählungen und Mutmaßungen rund um die Weihachtsgurke
Immer wieder ist auch der Name Lauscha zu hören. Das Städtchen im Erzgebirge wurde 1597 durch den Bau einer Glashütte gegründet. Auf der Homepage der Stadt heißt es, dass etwa um das Jahr 1880 herum Winfried Woolworth, Gründer der gleichnamigen Supermarktkette, auf die Produkte aus Lauscha aufmerksam wurde – und der Christbaumschmuck zum Exportschlager wurde. Ob unter den Glasanhägern auch eine Gurke war, wie es manchmal heißt? Glas-Experte Müller-Schmob ist skeptisch: „Aus Lauscha stammt die Tradition nicht“, sagt er. Möglich sei, dass in den USA Christbaumschmuck generell mit Deutschland in Verbindung gebracht werde.
Allerlei Erzählungen und Mutmaßungen rund um die Weihachtsgurke: Müller-Schmob geht eher von einer Marketingstrategie aus. „Jedes gute Produkt braucht eine gute Geschichte“, sagt er. Und das scheint besser denn je zu funktionieren. So hat sich der Ort Berrien Springs im US-Bundesstaat Michigan zur Weihnachtsgurkenhauptstadt der Welt erklärt. Festivals, die das grüne Gemüse feiern, sind aber auch anderswo in den USA beliebt.
Großen Gefallen an der Weihnachtsgurke gefunden hat auch Pastor Jeffrey Myers. In den Kirchen in Frankfurt und Wiesbaden hängte er ebenfalls eine in den Weihnachtsbaum, Kinder durften nach ihr suchen. „Die Freude war groß. Es könnte bedeuten, dass die Kinder zurück in die Kirche kommen.“ Damit würde die Weihnachtsgurke zu einer Brücke werden.
Für Myers bietet der Brauch – auch wenn er möglicherweise gar keiner ist – noch etwas anderes. „Es ist eine Verspieltheit, eine Leichtigkeit.“ Das sei rund um Weihnachten wichtiger denn je. (kna)