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Umsorgte EdelrebeChampagner aus nachhaltigem Anbau ist sehr gefragt

Lesezeit 5 Minuten
Helle Weintrauben hängen an einer Rebe, im Hintergrund grüne Blätter.

Weintrauben hängen an Weinreben in einem Weinberg.

Insgesamt 45 Parzellen besitzen Hugues Poret und seine Frau Frédérique gemeinsam und stellen dort ihren nachhaltigen Champagner her.

Es ist feine Maßarbeit, die Hugues Poret täglich leistet, wenn er durch seine Parzellen geht und den Kopf zwischen die Weinreben steckt. Er sieht nach jeder einzelnen und legt je nach Jahreszeit Hand an. Ab Mai entfernt er Knospen, die nicht fruchtbar sind. Im Frühsommer geht es an die sogenannte „Palissage“, bei der die Triebe voneinander getrennt und zwischen zwei Hebedrähte geklemmt werden, um die Belüftung der Blätter zu garantieren, was sie vor Fäulnis und Krankheiten schützt. Und zum Jahresende hin kümmert sich der Winzer um den Rebschnitt. „Man spricht vom ,Gründungsakt‘ für die Rebe, denn von ihm hängt die Qualität der Trauben und der künftigen Weinlese entscheidend ab“, sagt Hugues Poret.

Insgesamt 45 Parzellen besitzen er und seine Frau Frédérique gemeinsam – kleinteilige Abschnitte, die sich auf etwa acht Hektar verteilen und die jetzt im Winter kahl daliegen. Die Weinberge ihres Hauses Duménil-Poret befinden sich nahe dem Dorf Chigny-les-Roses südlich von Reims, das gerne als Champagner-Hauptstadt bezeichnet wird. „Manche Parzellen liegen auf Hängen, andere sind flach, der Sonneneinfall ist nicht gleich. Jede Rebe braucht eine für sie passende Behandlung“, erklärt Frédérique Poret. Eine maßgeschneiderte Behandlung eben.

Möglichst wenig Chemie

Für das Winzer-Paar ist diese Handarbeit ein unerlässlicher Bestandteil in ihrem Bemühen um einen nachhaltigen Weinbau, der mit möglichst wenig Chemie auskommt. Bereits 1999 schlug der Familienbetrieb diesen Weg ein. „Ich selbst kam im Jahr 2000 dazu, der Umweltschutz gehörte da schon zu den Prioritäten“, sagt die 43-jährige Frédérique.

Sie und ihr Mann betreiben in der fünften Generation den Weinberg, der seit 1874 im Familienbesitz ist. Ihr gefalle, sich von A bis Z um das Produkt zu kümmern, das sie verkaufe: „Wir bauen eine Pflanze an, die eine Traube gibt, aus welcher wir einen Saft machen, den wir weiterverarbeiten.“ Über zwei Umwelt-Zertifikate verfügt ihr Champagner. „Wir benutzen keine Unkrautvernichtungsmittel und kümmern uns intensiv um den Boden.“ Wo die Parzellen früher mit Plastikfolien voneinander abgetrennt waren, stehen heute kleine Stein-Mauern. Hecken oder Holzpflöcke markieren die Trennlinien.

Champagner erlebt seit Monaten sowohl im In- als auch im Ausland einen spektakulären Anstieg der Nachfrage. Französische Medien fragten bereits besorgt, ob er an den Feiertagen ausgehen könnte – eigentlich undenkbar in Frankreich, wo Champagner auch in einfacheren Familien zu Weihnachten und Silvester gehört. Ein solcher Aufschwung nach zwei schwierigen, von der Coronavirus-Pandemie geprägten Jahren kam auch für die Hersteller unerwartet. „Es wird keinen Mangel geben“, versicherte Maxime Toubart, Präsident der Gewerkschaft der Winzer der Champagne SGV. Die Preise zogen allerdings an.

Manche Parzellen liegen auf Hängen, andere sind flach, der Sonneneinfall ist nicht gleich. Jede Rebe braucht eine für sie passende Behandlung.
Frédérique Poret Winzerin

Ein wachsendes Interesse stellt auch Frédérique Poret fest. „Vielleicht haben die Menschen mehr Lust, das Leben zu genießen, und setzen auf Qualitäts-Produkte?“, mutmaßt sie. Seit 1936 handelt es sich beim Champagner um eine geschützte Herkunftsbezeichnung, eine „Appelation d’Orgine Contrôlée“ (AOC), um sich von anderen Schaumwein-Produkten abzuheben. Das Anbaugebiet ist geografisch klar definiert und erstreckt sich über 34200 Hektar. Die Herstellung des edlen Getränks folgt strikten Regeln, die in einem sogenannten Pflichtenheft festgelegt sind. Für die Champagner-Branche gehöre nachhaltiger Weinbau seit mehr als 30 Jahren zu den strategischen Pfeilern, sagt Philippe Wibrotte, Kommunikationschef beim „Comité interprofessionnel du vin de Champagne“, der Vereinigung der 16200 Winzer und 360 Handelshäuser der Champagne. „Wir haben als erste Weinregion unsere CO2-Bilanz gemacht, um den Ausstoß zu verringern“, sagt Wibrotte nicht ohne Stolz. „Nun verfolgen wir das Ziel, dass das gesamte Anbaugebiet bis 2030 ein Umweltzertifikat vorweisen kann.“

Es gebe etliche Initiativen, von der Verringerung chemischer Mittel über einen sparsamen Umgang mit Wasser bis zur Reduzierung der Verpackungen, die ein Drittel des CO2-Fußabdrucks beim Champagner ausmachen. Das entspreche auch dem Wunsch der Kunden. In manche Länder, so Wibrotte, etwa nach Skandinavien oder auch nach Deutschland, ließe sich das Getränk ohne Umwelt-Siegel kaum noch exportieren.

Das Haus Poret-Duménil gehörte zu den ersten im Champagner-Anbaugebiet, die ab Anfang der 2000er-Jahre testweise auf Insektizide gegen die Raupen des Traubenwicklers, einen für Weintrauben schädlichen Nachtfalter, verzichteten. Stattdessen setzten sie die Technik der „sexuellen Verwirrung“ ein. Dabei platzieren die Winzer Ampullen mit Sexuallockstoffen zwischen den Reben, welche verhindern, dass die Traubenwickler-Männchen ihre Weibchen finden können – sie werden „verwirrt“. Das Aufhängen der Pheromone verhindert somit die Fortpflanzung, ohne die Tiere zu töten, und so kommen die Landwirte ohne den Einsatz schärferer chemischer Mittel aus. Inzwischen wird die Methode in der Champagne mehr als in jeder anderen Weinbau-Region Europas erfolgreich verwendet – auf rund 40 Prozent der Fläche.

Insgesamt 46 Wetterstationen stehen in der Champagne verteilt, und ein „Monsieur Météo“, das französische Pendant zum Wetterfrosch, verfolgt die meteorologischen Entwicklungen und gibt Warnungen vor Stürmen, Hagel oder Frost aus. Die Klimaerwärmung wirkt sich bislang allerdings nicht negativ auf die Weinreben in der Champagne aus, da es sich um eine Mittelmeer-Pflanze handelt, die Hitze mag. Die Kalkböden der Champagne können zudem viel Wasser speichern.

Doch der Geschmack verändert sich durch den Klimawandel. „Ein Champagner von vor 30 Jahren hat wenig mit einem Champagner von heute zu tun“, sagt Wibrotte. „Die Säure erlaubt einem großen Wein eine lange Alterung im Keller, doch bei steigenden Temperaturen hat man mehr Zucker, und der Säuregehalt sinkt“, erklärt Frédérique Poret. Trotz der heißen letzten Jahre sei ihr Champagner aber weiterhin rund und „gourmand“. Gourmand, das französische Wort, das keine echte Entsprechung im Deutschen hat, meint schmackhaft, köstlich, deliziös. So wie es dem Bild des Champagners entspricht und dem Image, das ihm seine Hersteller geben wollen als Getränk für besondere Momente, das mehr ist als ein simpler Schaumwein. Sondern das Ergebnis sorgfältiger Maß- und oft auch liebevoller Handarbeit.