Aktion gegen FettleibigkeitTürkischer Gesundheitsminister setzt Land auf Diät
Istanbul – Ein typisches Mittagessen in einem türkischen Imbiss ist keine leichte Angelegenheit. Zum beliebten Iskender-Kebap etwa gehören reichlich geschmolzene Butter und Joghurt. Zum Nachtisch gibt es Baklava – Blätterteig-Schnitten mit Pistazien, in Honig getränkt. Beim Tee steht die Zuckerschale stets mit auf dem Tisch. So kann das nicht weitergehen, sagt Fahrettin Koca: Der türkische Gesundheitsminister will seine Landsleute jetzt auf Diät setzen.
Die Türken lieben ihre Kalorienbomben so sehr, dass die Fettleibigkeit im Land drastisch zunimmt. Laut der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa (OECD) ist jeder dritte Erwachsene in der Türkei übergewichtig, jeder fünfte fettleibig. Die Gründe dafür reichen von der Ausbreitung von Fast Food bis zur Veränderung im Lebensstil. Drei von vier Türken leben in Städten und arbeiten in Büros, wo sie sich nur wenig bewegen.
Stufenweise Verringerung von Salz und Zucker
Die Regierung versucht immer wieder, die Bürger auf Trab zu bringen. In vielen Parks wurden Gymnastikgeräte aufgestellt, öffentliche Einrichtungen wie Schulen erhielten kostenlos mehr als 300 000 Fahrräder, ein Rauchverbot in Lokalen sollte die Nikotinsucht eindämmen.
Umsonst waren die Anstrengungen nicht, sagt Minister Koca. Im Kampf gegen die Salzsucht der Türken ließen die Behörden Salzstreuer aus den Kantinen entfernen. Als Folge ist der tägliche Salzkonsum im Land pro Kopf von 15 auf zehn Gramm gefallen. Allerdings empfiehlt die WHO nicht mehr als sechs Gramm pro Tag.
Der neue Diätplan für die Türken sieht eine stufenweise Verringerung von Zucker und Salz in Süßspeisen und Snacks per freiwilliger Selbstverpflichtung der Hersteller vor. Jedes Jahr soll der Zuckergehalt um fünf Prozent und der Salzanteil um vier Prozent sinken. Betriebe, die sich an der Aktion beteiligen, erhalten ein besonderes Zertifikat.
Hunderte Tonnen Baklava
Minister Koca sprach von einem „wichtigen Schritt für ein gesundes Leben unserer Bürger und künftiger Generationen“. Er will auch erreichen, dass Sandwiches und Backwaren kleiner werden. Außerdem rät er seinen Landsleuten, sie sollten jeden Tag 10 000 Schritte gehen.
Doch der Minister selbst scheint daran zu zweifeln, dass seine ehrgeizigen Pläne etwas verändern werden: „Wir sind es nicht gewohnt, uns regelmäßig fit zu halten, und wir verbringen zu viel Zeit vor dem Fernseher.“ Bei Süßem zeigen die Türken bisher keine Anzeichen der Zügelung. Während des mehrtägigen Festes am Ende des Fastenmonats Ramadan 2018 wurden allein in Istanbul mehrere hundert Tonnen Baklava verzehrt – jedes Kilo der Delikatesse hat etwa 3000 Kalorien.
Es gibt verschiedene Meinungen darüber, welche Häppchen für böse Überraschungen auf der Waage verantwortlich sind. Mehmet Yildirim, Vorsitzender des Baklava-Herstellerverbandes Baktad, kann nichts Schlechtes an den süßen Schnitten entdecken. „Die Leute schlagen sich den Bauch voll, essen ein Baklava zum Nachtisch und geben dann dem Baklava die Schuld, wenn sie zunehmen“, sagte er kürzlich.