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Zahlen des Statistischen BundesamtesImmer mehr Hundertjährige in Deutschland

Lesezeit 3 Minuten
Ältere Besucher der Bundesgartenschau sitzen während einer Pause auf Stühlen. (Archivbild)

Verbesserte Lebensumstände, steigender Wohlstand und medizinischer Fortschritt tragen zum Anstieg der Lebenserwartung bei. (Symbolbild)

Die Französin Jeanne Calment gilt als ältester Mensch der Welt - sie wurde 122. Auch in Deutschland gibt es immer mehr Hundertjährige.

Methusalem lässt grüßen. Oder auch Allan Karlsson. So hieß der Held aus Jonas Jonassons Roman „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ - einem 2009 erschienenen Welt-Bestseller.

In dem Schelmenroman entflieht der Held eine Stunde vor seinem 100. Geburtstag seiner Geburtstagsfeier im Altenheim, um auf einer Weltreise skurrile Abenteuer zu erleben.

Viele haben die großen Ereignisse des 20. Jahrhunderts erlebt

Autor Jonasson hat auf ein zunehmend aktuelles Thema hingewiesen: Denn weltweit werden immer mehr Menschen 100 Jahre und älter. Auch in Deutschland ist die Zahl deutlich gestiegen, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte.

Viele von ihnen haben eine Zeitreise durch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts gemacht. Alle haben Ebert, Hindenburg und Hitler als Staatsoberhäupter erlebt, Adenauer, Brandt und Kohl als Kanzler oder Ulbricht und Honecker als DDR-Chefs.

Biblisches Alter

Zum Mai 2022 hatten 16.800 Bundesbürger das biblische Alter erreicht. Beim vorausgegangenen Zensus 2011 waren es nur 13.400. Würzburg war mit 4,6 Personen je 10.000 Einwohnern die Hauptstadt der Hundertjährigen. Bei den Bundesländern lagen Hamburg, Schleswig-Holstein und Sachsen mit 2,5 beziehungsweise 2,4 je 10.000 Einwohnern am größten.

Es sind vor allem Frauen, die die 100 überschreiten. Ihr Anteil sank geringfügig von 88 Prozent 2011 auf 85 Prozent 2022. Anders als der Hundertjährige im Roman lebten rund 58 Prozent oder 9.800 Männer und Frauen weiter in privaten Haushalten - zehn Prozent mehr als 2011. Dagegen waren knapp 7.000 Personen (42 Prozent) in Alten- und Pflegeheimen untergebracht.

Verbesserte Lebensumstände, steigender Wohlstand und medizinischer Fortschritt: Der Zugewinn an Lebenszeit vollzieht sich in hohem Tempo. Allein im 20. Jahrhundert stieg die Lebenserwartung in Deutschland um etwa 30 Jahre.

Inzwischen könnte nach Berechnungen des Rostocker Max-Planck-Instituts für demografische Forschung von 2019 hierzulande jedes dritte neugeborene Mädchen das 100. Lebensjahr erreichen. Und jeder zehnte heute geborene Junge.

Hohes Tempo bei der Lebenserwartung

Als bislang ältester Mensch der Welt gilt Jeanne Louise Calment, die 1997 im Alter von 122,4 Jahren starb. Sie musste zeitlebens nicht hart arbeiten und fuhr bis ins hohe Alter täglich mit dem Fahrrad. Sie malte, praktizierte Rollerskating und jagte.

2019 waren nach Angaben der Vereinten Nationen auf dem Globus rund 533.000 Männer und Frauen 100 Jahre oder älter. 1950 wurden lediglich 40.000 Frauen und Männer so alt. Für 2055 prognostizieren die Vereinten Nationen 4,3 Millionen über Hundertjährige, 2090 könnten es sogar 16,4 Millionen Menschen sein.

Viele Alte in der Karibik

Schaut man sich die Alten-Hotspots an, könnte man auf die Idee kommen, dass eine karibische Insel besonders jung hält: Auf Guadeloupe und Barbados leben - im Verhältnis zur Einwohnerzahl - weltweit die meisten über 100-Jährigen.

Es folgen Uruguay, Martinique und Japan, wo immerhin 73.000 über 100-Jährige wohnen, wie das Institut der deutschen Wirtschaft für 2019 ermittelt hat. Die USA können rund 90.000 Hundertjährige vorweisen, in absoluten Zahlen so viele wie in keinem anderen Land.

Wissenschaftler und Milliardäre interessiert an Alters- und Unsterblichkeitsforschung

Aber was genau verlängert das erreichbare Lebensalter? Und gibt es eine biologische Obergrenze? Weltweit arbeiten Wissenschaftler an dieser Frage. Besonders intensiv im Silicon Valley, wo Milliardäre Unsummen in Alters- und sogar Unsterblichkeitsforschung stecken.

Lebensverlängerung als Steckenpferd. Da gibt es Wissenschaftler, die in Genen nach Strukturen suchen, die Langlebigkeit begünstigen. Da gibt es Forscher, die durch Verjüngung von Blut Reparaturprozesse anstoßen wollen.

Grundsätzlich lassen sich zwei Richtungen ausmachen, wie Spiegel-Autor Thomas Schulz in einem 2018 erschienenen Buch über Zukunftsmedizin schreibt: Auf der einen Seite diejenigen, denen es vor allem darum geht, die Spanne zu verlängern, in der Menschen im vollen Besitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte sind.

Auf der anderen Seite stehen die Unsterblichkeits-Visionäre. Sie gehen davon aus, dass der menschlichen Lebenszeit kein festes biologisches Ende gesetzt ist und dass man sie um Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte verlängern könnte. (kna)