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Spaniens StimmungEiserne Ausgehsperre zerrt an Nerven

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Menschen stehen mit Mundschutz in einer Schlange um in einem Supermarkt in Barcelona einzukaufen.

  1. Regierungschef Pedro Sánchez verkündete, dass die nationale Quarantäne noch mindestens bis 9. Mai, in Kraft bleiben wird.
  2. Auch danach werde es, sagte Sánchez, nur eine schrittweise Lockerung geben.
  3. Das eiserne Ausgehverbot, das nun schon seit mehr als fünf Wochen gilt, schlägt immer mehr Spaniern auf die Seele.

Madrid – Viele Spanier fühlen sich derzeit wie ein Tiger im Käfig. In Madrid sieht man Menschen, die auf Balkonen immer wieder von einer Seite zur anderen laufen. Andere drehen Runden im Wohnzimmer oder gehen im Flur auf und ab. Verhaltensauffälligkeiten, wie man sie bisher eher von eingesperrten Zootieren kennt. Offenbar schlägt das eiserne Ausgehverbot, das nun schon seit mehr als fünf Wochen gilt, immer mehr Spaniern auf die Seele.

Die Bevölkerung kann sich derzeit auch wenig Hoffnung auf schnelle Besserung machen. Regierungschef Pedro Sánchez verkündete an diesem Wochenende, dass die nationale Quarantäne noch mindestens bis 9. Mai, also drei weitere Wochen, in Kraft bleiben wird. Auch danach werde es, sagte Sánchez, nur eine schrittweise Lockerung geben – aber nur wenn sich die Epidemie weiter abschwäche und es keinen Rückfall gebe.

Sehr hohe Dunkelziffer

Die Zahl der Corona-Fälle und Todesfälle stieg am Wochenende in Spanien weiter, wenn auch langsamer. Am Sonntag meldeten die Behörden 195.944 Infizierte – ein Zuwachs um 2695 Fälle oder zwei Prozent. Insgesamt wurden bisher 20.453 Todesopfer registriert. Es wird zudem bei Erkrankten wie Toten von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgegangen, die ein Vielfaches der offiziellen Zahlen betragen könnte.

Spanien, das in Europa am schlimmsten von der Covid-19-Pandemie betroffen ist, hat derzeit die härtesten Ausgangsbeschränkungen des Kontinents. Und zwar ohne die Möglichkeit, für einen Spaziergang oder zum Sport vor die Tür zu dürfen. Nur zum Einkauf und zum Arztbesuch können die Menschen mal kurz raus. Oder für den Gang zur Arbeit, soweit es sich um einen Job in einer systemrelevanten Branche wie etwa dem Gesundheitssektor oder in der Industrie und Bauwirtschaft handelt.

Mehr Anrufe bei Beratungsnummern

Immerhin stellte Sánchez nun in Aussicht, dass Kinder bis 12 Jahre vom 27. April an kurz vor der Haustür frische Luft schnappen dürfen. Ähnlich wie das inzwischen auch in Italien, im zweiten europäischen Brennpunktland, möglich ist. Vorausgegangen war ein Aufschrei von Eltern und Psychologen: „Warum dürfen Erwachsene mit einem Hund Gassi gehen, aber unsere Kinder dürfen nicht auf die Straße?“, fragte Ada Colau, Bürgermeisterin Barcelonas und Mutter von zwei Kindern.

„Wenn die Wohnung sich in eine Hölle verwandelt“, titelte jüngst eine spanische Online-Zeitung. Die nationale Quarantäne wird zwar – laut Umfragen – noch von einer Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Sie provoziert aber zugleich immer mehr Konflikte. Bei der Notfallnummer für misshandelte Frauen ging in den letzten fünf Wochen ein Drittel mehr Anrufe ein, als dies im selben Zeitraum des Vorjahres der Fall war. Auch Beratungsstellen für drangsalierte Kinder verzeichnen einen Anstieg von Hilferufen.

Hassbriefe an medizinisches Personal

Die sozialen Spannungen steigen: Zur Angst vor dem Virus füge sich inzwischen die Angst um den Job. Eine verheerende Wirtschaftskrise drohe, stimmte Premier Sánchez die Menschen auf eine schwierige Zukunft ein: „Wenn wir wieder auf die Straße dürfen, werden wir mit den Zerstörungen eines Krieges konfrontiert sein.“ Der Weltwährungsfonds (IWF) sagt Spanien eine tiefe Rezession und einen massiven Schuldenanstieg voraus.

Die wachsenden Sorgen scheinen Gift für das soziale Klima zu sein: Nach der Welle der Solidarität für Ärzte und Krankenschwestern in den ersten Wochen tauchen nun immer wieder Hassbotschaften gegen das medizinische Personal auf: „Infizierte Ratte“, sprühten Unbekannte auf das Auto einer Medizinerin in Barcelona. Andere Hospitalmitarbeiter bekamen Briefe, in denen sie aufgefordert wurden, aus ihren Wohnungen auszuziehen, um als Angehörige einer Risikogruppe nicht die ganze Nachbarschaft anzustecken.

Massive Abstrafung von Bürgern

Auch das harte Vorgehen der Polizei sorgt für Unmut: Die Beamten machen gnadenlos Jagd auf Jogger, Spaziergänger und Familien, die sich auf der Straße die Füße vertreten wollen. Die „Quarantänebrecher“ bekommen hohe Geldstrafen von mindestens 600 Euro aufgebrummt – 650.000 Bußgelder wurden bereits verhängt.

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Nicht nur Spaniens Bürgerbeauftragter, der als nationaler Ombudsmann dem Staatsapparat auf die Finger schaut, zweifelt, ob diese massive Abstrafung von hunderttausenden Bürgern verhältnismäßig ist. Unterdessen warnen Menschenrechtsgruppen und Psychologen davor, dass diese harte Linie die zunehmende Frustration der Bevölkerung weiter anheizen könnte.