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Seit 16 Jahren vermisstGibt es nun den Durchbruch im Fall Maddie?

Lesezeit 4 Minuten
Neue Spur im Fall Maddie: Polizisten suchten am Ufer des Arade-Stausees in der Nähe von Silves.

Neue Spur im Fall Maddie: Polizisten suchten am Ufer des Arade-Stausees in der Nähe von Silves.

Die Polizei sucht an einer portugiesischen Talsperre nach der Leiche des seit 16 Jahren vermissten Mädchens – Ermittler fanden beim Hauptverdächtigen Bilder und Videos aus der Region.

Aus der Ferne sieht man mehrere Zelte an jenem Ort, an dem die Polizei seit gestern nach der Leiche der kleinen Madeleine McCann sucht. Bäume und Büsche verdecken die Sicht auf die Ermittler, die mit Schaufeln und Spitzhacken den Boden umgraben. Alle Zufahrtswege zu der abgelegenen Halbinsel, die in der Arade-Talsperre im Hinterland der portugiesischen Algarve liegt, wurden von der Polizei abgesperrt.

Der Stausee, der nach einer langen regenarmen Zeit nur noch zu einem Drittel gefüllt ist, liegt 50 Kilometer von Praia da Luz entfernt. Das ist jenes Feriendorf an der Algarve-Küste, in dem die dreijährige Britin am 3. Mai 2007, also vor mehr als 16 Jahren, spurlos verschwand. Kann der Vermisstenfall Madeleine McCann, der bis heute die Welt bewegt, nun endlich aufgeklärt werden?

Deutscher Seriensextäter unter Verdacht

Hauptverdächtiger ist der 46-jährige deutsche Seriensextäter Christian B., der sich zum Zeitpunkt von Maddies Verschwinden in Portugal aufhielt. Das deutsche Bundeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermitteln gegen ihn in diesem Fall seit 2020 wegen Mordes – er selbst bestreitet den Vorwurf. Zudem werden B. sechs Sexualstraftaten zugeschrieben, die er zwischen 2000 und 2017 an der Algarve begangen haben soll.

Wegen einer dieser Sextaten, der Vergewaltigung einer Amerikanerin in Praia da Luz, wurde er 2019 vom Landgericht Braunschweig zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Die Tat ereignete sich nur wenige Kilometer entfernt von der Ferienanlage, aus der Madeleine verschwand. Die Haft sitzt B. derzeit in der Justizvollzugsanstalt Oldenburg ab.

Im Oktober 2022 erhob die Staatsanwaltschaft Braunschweig unabhängig vom Fall Madeleine erneut Anklage gegen ihn: Wegen drei Vergewaltigungen und zweifachem sexuellem Missbrauch an Kindern – der Prozesstermin und der Ort der Gerichtsverhandlung stehen aber noch nicht fest.

Bilder und Videos bei Verdächtigem gefunden

Warum sucht die Polizei nun an der portugiesischen Arade-Talsperre nach weiteren Beweisen gegen B.? Die deutschen Ermittler fanden, so hört man, bei Christian B. auf Datenträgern Bilder und Videos, auf denen eine Halbinsel des Stausees zu sehen ist. „B. hat diesen Ort regelmäßig besucht“, berichtet der portugiesische TV-Sender SIC unter Berufung auf Portugals Kripo. „Er nannte diese Halbinsel sein kleines Paradies“, heißt es weiter. Christian B. habe an diesem Ort vermutlich auch übernachtet.

Offiziell bestätigt wurde dies nicht. Aber das Bundeskriminalamt hatte bereits vor Längerem im Zuge der Ermittlungen mitgeteilt, dass B. im mutmaßlichen Tatzeitraum in Portugal mit einem weiß-gelben Campingbus vom Typ VW T3 Westfalia unterwegs war und in dem Fahrzeug auch geschlafen habe.

Die deutschen Ermittler gehen davon aus, dass Madeleine, die am 12. Mai 2023 20 Jahre alt geworden ist, nicht mehr lebt. Sie glauben, dass Christian B. das Mädchen am 3. Mai 2007 aus dem Ferienappartement der Eltern in Praia da Luz entführte, es dann missbrauchte und schließlich umbrachte. In einem Sex-Chat soll B. davon fantasiert haben, „etwas Kleines einzufangen und tagelang zu benutzen“.

Suchaktion in Portugal bestätigt

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig kommentierte am Dienstag keine Einzelheiten, bestätigte aber die Suchaktion in Portugal. „Die Maßnahmen werden im Wege der Rechtshilfe durch die portugiesischen Strafverfolgungsbehörden mit Unterstützung durch Beamte des Bundeskriminalamtes umgesetzt. Nähere Informationen zu den Hintergründen werden derzeit aus ermittlungstaktischen Gründen nicht herausgegeben.“

Nach portugiesischen Angaben sollen rund 20 deutsche Ermittler vor Ort sein. Auch ein Team des britischen Scotland Yard sei dabei. Wie auf TV-Bildern zu sehen war, begannen die Beamten auf der fraglichen Halbinsel mit Erdarbeiten. Auch Spürhunde waren im Einsatz. Taucher sollen in den nächsten Tagen das Wasser rund um die Halbinsel durchkämmen.

Madeleines Eltern, Kate und Gerry McCann, wussten wohl schon länger, dass eine neue Suche anlaufen würde. Es ist bekannt, dass sie von den britischen Behörden über alle Ermittlungsschritte auf dem Laufenden gehalten werden. Am 3. Mai, dem 16. Jahrestag von Maddies Verschwinden, schrieben sie auf ihrer Facebook-Seite: „Wir erwarten einen Durchbruch.“

Es ist übrigens nicht die erste Suche nach Madeleine an der Arade-Talsperrre. Bereits kurz nachdem sich die Spur des kleinen Mädchens verlor, inspizierten Taucher im Zuge einer privaten Aktion den Stausee und fanden im Schlamm einen Beutel mit Knochenresten. Die portugiesische Polizei, die zunächst Madeleines Eltern verdächtigte, kam jedoch damals zu dem Schluss, dass es sich um Tierknochen handle. Später wurde bekannt, dass Portugals Polizei in der Anfangsphase der Ermittlungen schwere Fehler unterlaufen waren: So hatten die Beamten offenbar den Seriensextäter B. überprüft und ihn aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschlossen. Der Chefermittler wurde nach fünf Monaten ergebnislosen Untersuchungen gefeuert.