AboAbonnieren

Exklusiv

Mal eben die Welt retten
Wie ein Deutscher die Wüste grün machen will

Lesezeit 6 Minuten
Visualisierung Projekt Sarep, (Sahara Renaissance Projekt), Mauretanien

Visualisierung Projekt Sarep, (Sahara Renaissance Projekt), Mauretanien

Ein deutscher Professor will in der Sahara Bäume pflanzen und Felder anlegen. Mauretanien hat ihm zwei Millionen Hektar Land zur Verfügung gestellt, denn neben einem immensen Beitrag zum Klimaschutz erhofft sich das Land viele neue Arbeitsplätze und die Bekämpfung von Flucht.

Kilometerweit schweift der Blick von Peter Heck, 62, Professor am Umwelt-Campus Birkenfeld, über den kargen Wüstenboden Mauretaniens. Büschel grüner Bodendecker sind der einzige Farbtupfer, bis der staubige Boden am Horizont den Himmel berührt, von dem unerbittlich die Sonne brennt. Doch wenn er seine Vorstellung bemüht, blickt er von einer sandigen Erhebung aus direkt in die Zukunft. „Ich sehe Bäume und Felder, außerdem ein Dorf mit Menschen, die Arbeit haben und stolz sind, gemeinsam mit Europa die Welt zu retten“, schildert Heck seine Vision, die er „Sahara Renaissance Project“ (Sarep) getauft hat.

Es sind die Details dieses Projekts, die dem Umwelt-Campus in Birkenfeld kürzlich den Zukunftspreis des Landes Rheinland-Pfalz eingebracht hat. Zuvor hatte das Sarep-Projekt bereits Platz drei beim renommierten „Green Metric-Ranking“ gewonnen, bei dem weltweit Forschungsansätze von 1183 Hochschulen aus 85 Nationen begutachtet wurden. Die Pläne für die Sahara sehen so aus: An der Westküste Mauretaniens sollen Windräder und Solarparks gebaut werden, die den Strom liefern für eine Reihe von Meerwasser-Entsalzungsanlagen. Das entsalzte Meerwasser wird in die Wüste geleitet, wo in riesigen Parzellen hitzeresistente Baumarten wie Eukalyptus, Akazie und Jatropha gepflanzt werden. Langfristig können sich die Forscherinnen und Forscher einen grünen Gürtel vorstellen, der sogar bis zum Roten Meer reicht und dabei die Grenzen von Mali, Algerien, Niger, Tschad und Sudan überquert. Hierdurch könnten jährlich 288 Millionen Tonnen CO2 pro Hektar gebunden werden — mehr als ein Drittel des deutschen Treibhausgas-Ausstoßes im Jahr.

Projekt Sarep in Mauretanien,
Prof. Peter Heck (l.) und Joachim Käufler (Geschäftsführer Synlift, Projektleiter für den Bau der Entsalzungsanlagen)

Projekt Sarep in Mauretanien, Prof. Peter Heck (l.) und Joachim Käufler (Geschäftsführer Synlift, Projektleiter für den Bau der Entsalzungsanlagen)

An dieser Stelle soll das gigantische Umweltprojekt auch für große Investoren interessant werden. Denn durch Holzverkäufe und CO2- Zertifikate sollen Einnahmen generiert werden. Heck hat auch die energieintensive Stahlindustrie im Blick, die einen Technologiewechsel anstrebt, um umweltfreundlicher zu werden. Das schnell wachsende Holz soll dazu in gewissen Mengen verkauft werden.

Was mir bei all meinen vorherigen Projekten fehlte, war der große Hebel, um einen spürbaren Beitrag gegen den Klimawandel zu erzielen.
Professor Peter Heck, Umweltcampus Birkenfeld

Seinen 60. Geburtstag hatte Heck zum Anlass für eine Zwischenbilanz seines beruflichen Lebens genommen. Zahlreiche Umweltprojekte in der ganzen Welt hatte er bis dahin als Direktor des Instituts für angewandtes Stoffstrommanagement auf den Weg gebracht. „Was mir fehlte, war der große Hebel, um einen spürbaren Beitrag gegen den Klimawandel zu erzielen“, erzählt er. Zugleich habe er sich an sein Studium der Biogeografie erinnert, für das er sich mit der Geschichte der Sahara befasst hat, wo es vor etwa 9000 Jahren noch eine Feuchtsavanne mit üppiger Vegetation gab.

Kurz vor Weihnachten ist Heck wieder nach Mauretanien an die afrikanische Westküste geflogen, um gemeinsam mit lokalen Politikern ein Projektbüro vor Ort zu eröffnen. Mauretanien hat ihm eine zwei Millionen Hektar große Düne zur Verfügung gestellt und sie den Forschern für 50 Jahre überlassen – eine Fläche so groß wie Rheinland-Pfalz. Die entsprechenden Verträge waren bei der Weltklimakonferenz 2023 in Dubai unterzeichnet worden, die finalen Unterschriften sollen Mitte Februar geleistet werden, damit es losgehen kann. „Die Zeit drängt. Und ich will jetzt Ergebnisse liefern, denn große Ankündigungen sind die Menschen in Afrika leid“, weiß Heck. Dieses Jahr soll testweise eine Entsalzungsanlage in Betrieb genommen werden, außerdem sollen zwei bis drei Hektar Zwiebeln gepflanzt werden, eine Art Mini-Sarep. „Dieser Schritt wird wichtig sein, damit die Menschen sehen, wie es funktioniert“, erklärt der Wissenschaftler.

In Mauretanien sollen rund 400.000 Arbeitsplätze entstehen

Die Idee einer grünen Wüste ist nicht neu, in den vergangenen Jahren hat die Afrikanische Union das Projekt einer „grünen Mauer“ in der Sahel-Zone vorangetrieben, doch statt einer Mauer sind bislang allenfalls grüne Mosaiksteine entstanden. Denn im Unterschied zum Sarep-Projekt des Umwelt-Campus aus Birkenfeld wurde dort auf eine künstliche Bewässerung verzichtet. Einzigartig am Sarep-Projekt des deutschen Forschungsteams ist der Bau von Entsalzungsanlagen, die im großen Stil die Bewässerung der Pflanzen sicherstellen sollen.

In den kommenden zehn Jahren sollen dann die gesamten zwei Millionen Hektar Wüste bewachsen sein. Nicht nur das Klima soll von dem Sarep-Projekt profitieren, sondern auch die heimische Bevölkerung. Mauretanien hat sich in den vergangenen Jahren zum Transitland für afrikanische Flüchtlinge entwickelt, die von der Hafenstadt „Nouadhibou“ (ehemals Port-Étienne) auf Boote steigen, um die zu Spanien gehörenden kanarischen Inseln zu erreichen. Es ist ein Ausweg für viele Flüchtlinge, die Mauretanien aufgenommen hat, Tausende ertranken allein im vergangenen Jahr im Atlantik.

Mauretanien

Mauretanien

Durch das Sarep-Projekt sollen etwa 400.000 Arbeitsplätze in Mauretanien entstehen. „Zu meiner Vision gehört es, viele Menschen in einen produktiven Modus zu bringen“, sagt Heck. Sogar Trinkwasser soll in den Entsalzungsanlagen gewonnen werden, „und das quasi als Nebenprodukt“, erklärt der Professor. Denn pro Tag sollen künftig bis zu 15 Millionen Kubikmeter Meerwasser entsalzt werden. „Wir können Trinkwasser für 40 Cent pro Kubikmeter anbieten, dieser Preis ist interessant für die Menschen und für die Landwirtschaft“, meint Heck. Bislang werden in Afrika tonnenweise Zwiebeln aus Europa importiert. Auch das soll sich durch das Projekt und den künftigen Eigenanbau ändern.

Manchmal kann es Heck noch immer nicht fassen, wie groß die Hilfsbereitschaft und die Erwartungen in Mauretanien sind. „Es ist keine Kleinigkeit, einem Startup-Unternehmen eine Fläche von der Größe Rheinland-Pfalz' zu überlassen“, weiß er. Doch er wirkt entschlossen. Bereit, die Welt zu retten.


Vortrag in Köln — Netzwerk gegründet

Zwei Millionen Euro werden etwa in der Startphase des Sarep-Projekts benötigt, um beispielsweise eine große Machbarkeitsstudie und verschiedene Gutachten finanzieren zu können. Derzeit werden Gespräche mit Investoren geführt.

Eine „ClimChange-Konferenz “ findet am heutigen Donnerstag, 23. Januar, von 18 bis 20 Uhr im Restaurant KWB des Hotel Stadtpalais (Deutz-Kalker Straße 52, 50679 Köln) statt. Dort wird Professor Peter Heck das von ihm initiierte Sarep-Projekt vorstellen. Anmeldungen sind per E-Mail erforderlich unter info@climchange.de.

Der Kölner Agenturchef Axel Hollander hat kürzlich das „ClimChange-Netzwerk“ gegründet, um einen Beitrag zur Anschubfinanzierung des Sarep-Projekts zu leisten und die Bekanntheit des ehrgeizigen Vorhabens zu steigern. Für einen Betrag von 100 Euro pro Monat können sich Geschäftsleute und Unternehmen beteiligen. Von dem Jahresbeitrag sollen 700 Euro in das Sarep-Projekt fließen und als Anwartschaft auf CO2-Zertifikate hinterlegt werden. Mit 300 Euro soll die Aufforstung regionaler Wälder unterstützt werden, 200 Euro sind für administrative Zwecke, Öffentlichkeitsarbeit und die Gewinnung neuer Netzwerk-Mitglieder vorgesehen. Alle Mitglieder des Netzwerks dürfen zudem das ClimChange-Logo nutzen, außerdem sollen regelmäßig Konferenzen stattfinden, in denen über die Fortschritte der Wüsten-Begrünung in Mauretanien informiert wird. Auch einen Newsletter soll es geben.

Auf Fuerteventura (Kanarische Inseln) kam Axel Hollander vor gut einem Jahr die Idee, sich für den Umweltschutz in der Region zu engagieren. Anlass war das Wetterphänomen „Calima“, das oft für einen trüben Himmel durch aufgewirbelten Sand und Staub sorgt. Durch Ostwind wird dann der Sand aus der afrikanischen Sahara-Wüste auf die Kanaren und die Kapverdischen Inseln geweht. „Untersuchungen zeigen, dass die Häufigkeit dieses Phänomens in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenommen hat. Eine Folge des Klimawandels, denn durch die höheren Wassertemperaturen im Atlantik werden die Passat-Winde beeinflusst“, sagt Hollander.

Bei seiner Recherche stieß der Kölner schließlich auf das Sarep-Projekt von Professor Peter Heck. Voriges Jahr reiste er erstmals zum Umweltcampus ins rheinland-pfälzische Birkenfeld, um eine Möglichkeit der Unterstützung auszuloten. Das Gespräch sei die Initialzündung für die Gründung des Netzwerks gewesen. (tho)