Ausgeraubt, misshandelt und ausgehungert: Ein beispielloser Skandal um misshandelte Altenheimbewohner erschüttert Rumänien.
RumänienSkandal um Horror-Altenheime
Bukarest Kotverschmierte, bis aufs Skelett abgemagerte Menschen mit offenen Wunden in Schlafsälen, in denen sich Bettwanzen und Kakerlaken tummeln: Die Bilder des unfassbaren Schreckens lassen Rumäniens schockierte Öffentlichkeit nicht ruhen.
Er habe noch nie solch schwache, schmutzige und dehydrierte Menschen gesehen, berichtete entgeistert ein anonymer Arzt der Bukarester Notfallklinik Gerota dem Webportal der Zeitung „Libertatea“.
Bei manchen der eingelieferten Insassen von drei mittlerweile geschlossenen Pflegeheimen im Kreis Ilof seien im Magen selbst Fremdkörper wie Perlen, Knöpfe oder zerkautes Textil gefunden worden: „Sie müssen vor Hunger ihre Kleider aufgegessen haben.“
Anfang der 90er-Jahre waren es die Schreckensbilder von völlig verwahrlosten Kindern in Rumäniens Waisenhäusern, die für weltweites Entsetzen sorgten. Nun ist es der sich ausweitende Skandal um private Altersheime, der die Rumänen schockiert – und die Große Koalition des sozialistischen Premiers Marcel Ciolacu (PSD) zunehmend unter Druck setzt.
Über 65 Heime nach Inspektion ganz oder zeitweise geschlossen
Seit zu Monatsbeginn ein Großaufgebot von Polizei und Rettungskräften über hundert verwahrloste Senioren aus drei Pflegeheimen der Bukarester Vorstadt Voluntari evakuiert hat, wird der Karpatenstaat stets von neuen Enthüllungen über die Missstände in den privaten Alters- und Pflegeheimen des Landes erschüttert. Nach 2700 hastig angeordneten Inspektionen wurden bisher landesweit über 65 Pflegeheime zeitweise oder ganz geschlossen. Zwei Dutzend Menschen sind verhaftet worden. Nach einer Welle von Rücktritten und Entlassungen in den zuständigen Ämtern und Polizeistationen hat mit den Abtritten von Sozialminister Marius Budai und Familienministerin Gabriala Firea-Pandele (beide PSD) auch im Kabinett das Stühlerücken begonnen.
Die von einer Bürgerrechtsgruppe alarmierten Journalisten des Bukarester „Zentrums für investigative Medien“ (CIM) hatten bereits im Februar über das Geschäftsmodell krimineller Heimbetreiber berichtet.
Alte Leute bettelten halbnackt bei den Nachbarn um Essen
Zu Nutze gemacht haben sich die politisch gut vernetzten Betreiber der Horrorheime die weitgehende Privatisierung des Sektors, die Nachlässigkeit der Behörden und Tatenlosigkeit der Polizei sowie die Gleichgültigkeit von Anwohnern. Gezielt sprachen die Werber der Heime Alte ohne Angehörige an, um sie zum Einzug ins Altersheim zu überreden. Auch Anwohner sahen über das Leid der Senioren offenbar vielfach hinweg: Von den Medien befragte Nachbarn erzählen von ausgemergelten Alten, die selbst im Winter am Zaun halbnackt um Essen gebettelt hätten.
Doch vor allem ihr gutes Kontaktnetzwerk zu lokalen Politikern, Behörden und Polizeichefs dürften den inhaftierten Betreibern ihre schmutzigen Geschäfte erleichtert haben. In die Kritik geraten vor allem Politiker der PSD wie die nun zum Rücktritt gezwungene Ex-Familienministerin Firea-Pandele: Ihr Mann ist Bürgermeister in Voluntari, ihre Schwester Sozialamtschefin – und ihr früherer Fahrer der nun verhaftete Verwalter von einem der geschlossenen Heime.