Prozess gegen Kölner „Rizinbomber“Gift an Zwerghamster „Micki“ getestet
Köln – Glatze, akkurat geschnittener Vollbart, blasses Gesicht, weißes Hemd, weißes T-Shirt, etwa 1,80 Meter groß und im Ganzen ein gepflegtes Äußeres. So sieht Sief Allah H . also aus. Der Mann der den ersten Terroranschlag mit einem biologischen Kampfstoff in Deutschland durchführen wollte. Am Freitagvormittag musste der 30-jährige „Rizinbomber“ zusammen mit seiner Ehefrau (43) auf der Anklagebank im „Terrorbunker“ in Düsseldorf Platz nehmen. Beiden wird eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorgeworfen.
Während die 43-jährige Kölnerin zum Prozessauftakt im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichtes unauffällig blieb, wirkt Sief Alla H . zerfahren und unruhig. Als die Richter hereinkamen und sich alle anderen erheben, muss sich hinter schusssicherer Glasscheibe ausgerechnet der Hauptangeklagte setzen. Der 30-Jährige hatte offenbar einen kleinen Schwächeanfall. Eine Wachtmeisterin fächelt ihm hektisch Luft zu, ein Wachtmeister eilt mit einem Becher Wasser herbei. Bei der Verlesung der Anklage versuchte sich der Angeklagte zu konzentrieren und rückte ständig die Kopfhörer zurecht, ansonsten streicht sich der Angeklagte ständig über den Bart. Eine Sequenz in der Anklage fand Sief A. offenbar lustig.
Tunesier vom IS ermuntert
Der 30-Jährige lächelte und schlägt sich auf die Schulter. Geäußert hat sich der Angeklagte am Freitag nur wenig. Er sagte drei Worte: „Ja“. „Nein“. Und „Dolmetscher“, als er nichts verstanden hatte. Sonst bestätigte der Mann nur seine Personalien, bevor der Prozess um das „Supergift“ Rizin richtig starten konnte.
Der Tunesier und seine deutsche Ehefrau sollen den Anschlag in Deutschland mit einem biologischen Kampfstoff, ermuntert von der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS), mit dem Bau einer Bombe vorbereitet haben. In dem 15-stöckigen Hochhaus in Chorweiler, in dem sie wohnten, entdeckte die Polizei 84,3 Milligramm des Supergifts Rizin und 3150 Rizinussamen, bestellt über bekannte Shoppingportale im Internet, bezahlt mit der Kreditkarte der Ehefrau.
Das könnte Sie auch interessieren:
„Beide Angeklagten identifizierten sich seit längerer Zeit mit den Zielen des IS. Sie wollten sich dem Dschihad anschließen“, sagt die Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Verena Bauer. „Sie entschlossen sich, einen Sprengsatz an einem belebten Ort zu zünden, um möglichst viele Ungläubige zu töten. Der IS empfahl den Einsatz einer Streubombe.“ Konkret nannte Bauer als Ort ein Restaurant oder ein Einkaufszentrum. Wo genau, dass sei weiter unklar. Das Gift hätten sie testweise einem Zwerghamster aufgetragen, den sie für diesen Zweck in einer Kölner Zoohandlung gekauft hätten. Das Tier habe aber überlebt. Vermutlich weil Sief H. dem Hamster namens „Micki“ nicht das Fell abzogen hatte und so das Gift nicht richtig wirkte.
Bis zu 100 Todesopfer möglich gewesen
Das Paar habe dazu 250 Stahlkugeln über das Internet bestellt, zudem auffällige Utensilien wie eine elektrische Kaffeemühle und Einzelteile für den Zünderbau. Sprengstoff hätten sie sich über in Deutschland nicht zugelassene Feuerwerkskörper beschafft. Der Angeklagte Sief Allah H. sei dazu eigens nach Polen gereist. Das Rizin sollte entweder mit einer Creme auf Stahlkugeln aufgetragen werden und so in die Blutbahn der Opfer geraten, oder sich mit der Explosion als Staub verteilen und eingeatmet werden. Der Rizin-Anschlag hätte laut Gutachten bis zu 100 Todesopfer gefordert.
Der Tipp eines ausländischen Geheimdienstes machte das schreckliche Vorhaben im Juni 2018 mit der Großrazzia in Chorweiler zunichte. Den Ermittlern waren die zahlreichen verdächtigen Transaktionen des Paares im Netz aufgefallen. Zuerst wurde der Ehemann festgenommen. Später bemerkten die Fahnder, wie tief auch die Ehefrau in die mutmaßlichen Anschlagspläne verwickelt war. Die 43-Jährige galt als die Finanzchefin. Praktisch alle verdächtigen Utensilien wurden mit ihrer Kreditkarte bezahlt.
Via Messenger vom IS angeleitet
Angeleitet worden sei das Paar vermutlich von IS-Kontaktleuten über den Messengerdienst Telegram, sagte die Vertreterin der Bundesanwaltschaft weiter . Über das Chatprogramm habe der 30-Jährige sogar den Treueeid auf den IS-Anführer Abu Bakr Al-Bagdadi abgelegt. Beiden Angeklagten drohen bis zu 15 Jahren Haft.Verteidiger Serkan Alkan stellte einen 70 Seiten langen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Jan van Lessen. Per Senatsbeschluss verhindert das Gericht die Verlesung. Dies würde das Hauptverfahren nur verzögern. Über seinen Mandanten sagte er: „Er lebt in Isolationshaft. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Ich habe ihn als freundlich und zuvorkommend erlebt“.
Bis Ende August hat das Gericht für den Fall zunächst 18 Verhandlungstage anberaumt. In der kommenden Woche sind eine Mitarbeiterin des Kölner Ausländeramtes, BKA-Beamte und ein Mitarbeiter des Bezirksjugendamtes aus Chorweiler als Zeugen geladen.