Heutzutage werden in dem Schloss in Doorn Führungen angeboten. Fast 60 gefüllte Güterwaggons hatte der abgedankte Kaiser Wilhelm II. damals aus seinen deutschen Schlössern in sein niederländisches Exil kommen lassen.
Exil des Kaiser Wilhelm II.Haus Doorn bei Utrecht – eine Zuflucht für verhinderte Monarchen
Es ist ein hübsches keines Schlösschen, umgeben von einem schmalen Wassergraben und einem großen gepflegten Park – und dem, was Wilhelm II. bei seiner ewigen Holzhackerei an Wald übrig gelassen hat: Das Haus Doorn bei Utrecht in den Niederlanden mag für höfische Maßstäbe klein ausfallen, hat sich aber seit den 1920er-Jahren als Zufluchtsort für verhinderte Monarchen bewährt.
Hier verbrachte der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. nach seiner erzwungenen Abdankung im November 1918 die letzten gut 23 Jahre seines Lebens. Zunächst mit seiner schon erkrankten Ehefrau Auguste Viktoria, danach dann – ausgerechnet! – mit einer Reußenprinzessin: Seine zweite Ehefrau Hermine ließ sich mit „Majestät“ anreden, pflegte Kontakte zu monarchistischen und faschistischen Kreisen und hoffte gemeinsam mit ihrem Mann auf eine Wiedereinsetzung des Kaisers in Deutschland.
Erfahrung mit ungebetenen Gästen
Diese Hoffnung blieb unerfüllt, ebenso wie die finsteren Pläne eines anderen Reußenprinzen: Heinrich XIII. sitzt seit vergangenem Mittwoch in Untersuchungshaft, weil er einen Putschversuch geplant haben soll, an dessen erfolgreichem Ende er als Regent in Deutschland eingesetzt worden wäre.
Karlsruhe statt Doorn: Dabei wäre die Vorstellung, den Reichsbürger einfach zu unseren leidgeprüften westlichen Nachbarn abzuschieben, eigentlich verlockend. Die Niederländer verfügen nicht nur über die Erfahrung mit ungebetenen ausrangierten Regenten aus Deutschland, sondern auch über die nötige Infrastruktur. Immerhin 59 Güterwaggons mit Möbeln, Hausrat und Kunstwerken ließ der abgedankte Kaiser aus seinen deutschen Schlössern in sein niederländisches Exil kommen.
Vom Fenster aus ist der Park und das Mausoleum zu sehen
„Deshalb ist es hier auch so voll“, sagt Marjolein Kranse, die in Haus Doorn deutschsprachige Führungen anbietet. Die Niederländer haben das Beste aus den Hinterlassenschaften ihres ungebetenen royalen Gastes gemacht: Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmten sie das Schloss und führen es seither als Museum weiter, die Einrichtung ist nahezu unverändert erhalten.
Im Speisezimmer ist der Tisch festlich gedeckt, der Rauchsalon sieht aus, als wäre der Kaiser nur kurz mal draußen. Und das ist er ja auch, nur nicht kurz: Denn der direkte Blick durchs Fenster fällt über den Park auf das kleine Mausoleum, das als einziges Gebäude hier noch den Hohenzollern gehört und in dem Wilhelm II. beigesetzt ist.
Kaiser Wilhelm II. hatte offenbar Gespür für Mode
Sein Ruhezimmer ist ebenso zu besichtigen wie Teile seiner Garderobe: Die ausgestellten Krawatten und Manschetten könnten heute noch im Schaufenster ausgesuchter Herrenausstatter liegen, sie zeugen von Geschmack und Modebewusstsein – anders als beim Reußenprinzen, der mit breitem Karo und überbordenden Paisleymustern auf Krawatten, Halstüchern und Einstecktüchern für Erstaunen sorgt.
Vielleicht passt er, der laut Zeitungsberichten innerhalb der Familie „Enrico“ genannt wird, also doch nicht so recht ins gediegene Doorn, obwohl ein Umzug hierher für ihn einen echten Komfortgewinn bedeuten würde – und das nicht nur in Bezug auf seinen derzeitigen Aufenthaltsort, einer Untersuchungshaftzelle.
Mehr Quadratmeter als im Jagdschloss
Denn auch sein Jagdschloss „Waidmannsheil“ in Thüringen ist eher von der bescheidenen Sorte mit nur einem Stockwerk und rund 300 Quadratmetern Grundfläche. Für patriotische Zusammenkünfte zweifelhafter Art immerhin hat es gereicht, repräsentieren kann man damit weniger.
Das ist in Doorn anders, wenn auch deutsche Kaiserfans in ihren Google-Rezensionen über das Museum mit dem Abstieg Wilhelms II. hadern: „Einmalig“, schreibt einer über das heutige Museum, „In jedem Zimmer ist jemand, der erklärt und Fragen beantwortet“, „Ein Stück Geschichte, das sollte man sich ansehen“. Aber dann kommt sie eben doch hervor, die sensible preußische Seele: „Der Kaiser musste sich doch sehr beengt fühlen in diesen Räumen.“
Die Niederländer wiederum würden sich vermutlich ohnehin bedanken, wenn wir nach Wilhelm II. auch noch den verhinderten Enrico I. bei ihnen unterbringen wollten. Museumsmitarbeiterin Marjolein muss lachen, als wir ihr diese Frage stellen. „Muss ich das beantworten?“ Nein, schon gut. War nur eine Idee.