Plötzlicher TornadoAugenzeuge in Kiel: „Die Leute wurden nur so ins Wasser gerissen“
Kiel – Die Erinnerung an den Tornado ist noch ganz frisch, da steigt Uwe Johannsen am Donnerstagvormittag am Ort des Geschehens schon wieder in sein schmales Ruderboot. Johannsen ist Schlagmann in einem Vierer mit Steuerfrau und 91 Jahre alt, wie er sagt. „Das ging so schnell“, erzählt der Mann vom Ersten Kieler Ruder-Club von 1862 unmittelbar vor dem Ablegen über das Geschehen vom Vorabend. „Da kam eine riesige Böe und fegte die Leute vom Steg ins Wasser, zwei waren besinnungslos“, schildert Johannsen. „Die Leute wurden nur so ins Wasser gerissen, schlimm.“
Wie er denn nach so einem Erlebnis gleich wieder rudern gehen könne? „Das mache ich jetzt schon 71 Jahre“, sagt Johannsen. „Da rudert man einfach weiter.“ Und dann geht es los: „Ablegen!“, ruft die Steuerfrau um 10.43 Uhr „ihren“ vier Männern im Boot zu. Gut 16 Stunden zuvor hatte genau hier der Tornado gewütet.
Klimaforscher erklärt plötzlichen Tornado
Der Kieler Tornado vom Mittwoch ist nach Ansicht des Forschers Mojib Latif kein Anzeichen des Klimawandels. „Ich würde jetzt keine Verbindung zur globalen Erwärmung herstellen“, sagte Latif am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist ein seltenes Phänomen, das hin und wieder auftaucht, bedeutet aber keine neue Qualität.“
Der Tornado hatte am Mittwoch nur wenige Meter von Latifs Kieler Büro im Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung am Ufer der Förde Sachschäden angerichtet. Mehrere Menschen wurden durch herumfliegende Gegenstände verletzt. Latif selbst war zu diesem Zeitpunkt nicht in Kiel.
„Das war natürlich schon ein erschreckendes Szenario“, sagte der Wissenschaftler angesichts der Bilder von dem Ereignis. „Tornados haben immer ein enormes Schadenspotenzial.“ Kiel sei noch glimpflich davongekommen. „Tornados sind zwar kleinräumig. Sie können aber ganze Straßenzüge verwüsten, wenn man Pech hat, und dann können auch Menschen ums Leben kommen“, sagte Latif. „Wenn sie auf dem Wasser auftreten, ist das wie eine glückliche Fügung, wenn dort nicht gerade ein Schiff fährt.“
Hätte alles schlimmer ausgehen können
Insofern hätte alles noch schlimmer ausgehen können. „Glück im Unglück, würde ich sagen.“ Der Tornado habe zwar auch die Kiellinie erwischt, die Promenade am Förde-Ufer. „Aber er hat sich ja im wesentlichen über dem Wasser ausgetobt.“
Das Problem bei Tornados sei, dass man sie überhaupt nicht vorhersagen könne, sagte Latif. „Bei entsprechender Wetterlage können sie immer entstehen.“ Alle paar Jahre könne dies auch in Kiel vorkommen. „Wenn sie draußen auf dem Meer auftreten, dann können sie unbeobachtet bleiben - deshalb ist die Dunkelziffer ziemlich hoch.“ (dpa)