Knochenjob PflegeZugang zu Kuren wird für Angehörige erleichtert
Düsseldorf – Eine demente Ehefrau, ein schwerbehindertes Kind, hochbetagte Eltern oder ein Ehepartner, der nach einem schweren Unfall zum Pflegefall wird: Jeden Tag pflegen in Nordrhein-Westfalen Hunderttausende Menschen ihre kranken oder alten Angehörigen zuhause.
Es ist ein Knochenjob, der in Corona-Zeiten zu einer noch größeren Belastung wird. Viele pflegende Angehörige wissen dabei gar nicht, dass sie einen gesetzlichen Anspruch auf Reha-Maßnahmen oder eine dreiwöchige Kur haben. In einem Programm der Landesregierung und der Wohlfahrtsverbände soll der Zugang zu Kuren und Rehabilitationsmöglichkeiten für pflegende Angehörige in NRW nun erleichtert werden.
Zugang zu Kuren und Rehabilitationsmöglichkeiten
Sehr viele Menschen pflegten „über Jahre oder sogar über Jahrzehnte“ Angehörige, sagt Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstag in Düsseldorf. Diese Menschen hätten oft keine Zeit mehr, sich um sich selbst zu kümmern. Zudem habe die Corona-Pandemie viele an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht, da zeitweise auch Tagespflege- oder Betreuungsgruppen geschlossen gewesen seien.
Wegen der Pandemie dürften Kuren und Reha-Aufenthalte aber jetzt nicht aufgegeben werden, denn die Spätschäden für die pflegenden Angehörigen könnten gravierend sein, sagte Laumann. Jeder, der in eine Kur gehe, werde zuvor auf das Coronavirus getestet.
Bundesweit flächendeckende Kurberatungsstruktur
Mehr als 100 Kurberater und -beraterinnen wurden inzwischen landesweit qualifiziert. Sie helfen nicht nur bei den Kuranträgen, sondern auch dabei, für die Pflegebedürftigen während der Kur ihrer Angehörigen eine geeignete Betreuung, etwa einen Kurzzeitpflegeplatz zu finden. Je nach Bedarf können Pflegebedürftige auch mit in die Kurklinik fahren.
Schon seit 2019 gibt es in NRW eine nach Angaben der Landesregierung bundesweit einmalige flächendeckende Kurberatungsstruktur für pflegende Angehörige. Doch in der Corona-Pandemie mussten auch die Kureinrichtungen zeitweise schließen.
Kurmöglichkeiten sind wenig bekannt
Viele Angehörige stellen nach Angaben der Caritas zudem keinen Kurantrag, weil sie Angst haben, dass die Versorgung der pflegebedürftigen Partner nicht gesichert sei.Die Erfahrung zeige, dass pflegende Angehörige ihre eigene Gesundheit „nur in den wenigsten Fällen berücksichtigen“, sagt Andreas Frank, Geschäftsführer der Kur und Erholung GmbH der Arbeiterwohlfahrt.
Nicht nur Erwachsene, auch junge Pflegende und sogar Jugendliche, die zuhause Eltern oder Geschwister pflegten, brauchten Hilfe. Dass die Kurmöglichkeiten wenig bekannt sind oder wenig genutzt werden, zeigen die Zahlen: Bisher wurden nach Angaben der Beratungsstellen allerdings erst 211 Anträge auf Kuren gestellt, von denen rund 100 bewilligt wurden.
420 000 Menschen in NRW von Angehörigen gepflegt
Dabei werden in NRW von insgesamt rund 770 000 Pflegebedürftigen etwa 420 000 Menschen zuhause ausschließlich durch Angehörige gepflegt. Das sind mehr als 54 Prozent. Das Land rechnet mit etwa 3500 Kuranträgen.
Manchmal versuchten Krankenkassen auch, Anträge abzulehnen, sagt Pflegeberaterin Sabine Lohmann vom Caritasverband Paderborn. Die Kurberatungsstellen könnten aber auch helfen, Widerspruch dagegen zu formulieren. „Pflegende Angehörige sind häufig so erschöpft, dass sie gar keinen Nerv mehr haben, Anträge zu stellen, weil sie das für die zu Pflegenden immer schon tun müssen.“
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Einige Kliniken in NRW haben sich inzwischen auf Kuren für pflegende Angehörige spezialisiert. Die Mutter-Kind-Klinik in Winterberg etwa nimmt pflegende Frauen in einem Extra-Bereich auf.
Ebenfalls in Winterberg bietet das Landhaus Fernblick Kuren für pflegende Angehörige mit oder ohne ihre an Demenz leidenden Pflegebedürftigen. 23 Kliniken bieten in NRW nach Angaben von Andreas Frank bisher Kurplätze für pflegende Angehörige. „Das ist zu wenig, der Bedarf wird größer.“ (dpa)