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Orca-Angriffe häufen sichKillerwale  versenken Segeljacht vor Spanien

Lesezeit 4 Minuten
Ein schwarz-weißer Orca, auch Killerwal genannt, springt aus dem Meer.

Ein Orca springt aus dem Wasser (Symbolbild).

Das Schiff sank nach einer Attacke von mehreren Tieren vor der spanischen Küste. Forscher erklären den Angriff mit Jagd-Übungen.

Schwertwale gelten eigentlich als friedliche Meerestiere – doch immer mehr Segelfreunde, die im Atlantik vor Südeuropa unterwegs sind, haben keine guten Erinnerungen an die Begegnung mit diesen Walen. Denn die Orcas, die wegen ihrer brutalen Jagdmethoden auch Killerwale genannt werden, lädieren zunehmend Segelschiffe und bringen diese mit mysteriösen Attacken in Seenot.

Jetzt haben die tonnenschweren Tiere sogar erstmals eine Segeljacht versenkt. Der Schweizer Skipper Werner Schaufelberger steuerte dieser Tage das 16 Meter lang Charter-Segelschiff „Alboran Champagne“ auf einem Törn von der Insel Teneriffa zur spanischen Festlandküste durch die Nacht, als es plötzlich kurz vor Gibraltar laut rumpelte. „Zuerst dachte ich, dass wir etwas gerammt hatten. Doch dann wurde mir klar, dass es Orcas waren, die auf das Schiff losgingen“, zitiert das Fachmagazin „Yacht“ den erfahrenen Segler.

Orca-Attacke dauert über eine Stunde

Dieser war mit drei weiteren Besatzungsmitgliedern unterwegs. Der 72-Jährige bildet für die Schweizer Bootsfahrschule „Hochsee-Zentrum“ Segler aus. „Die Angriffe waren brutal. Es waren zwei kleinere und ein größerer Orca.“ Möglicherweise handelte es sich um ein Muttertier und um zwei Jungwale. „Die beiden Kleinen rüttelten hinten am Ruder, während der Große immer wieder Anlauf nahm und dann mit voller Wucht von der Seite das Schiff rammte“, berichtet der Skipper.

Er habe dann sofort, wie es bei solchen Begegnungen mit Schwertwalen empfohlen wird, den Motor ausgeschaltet und die Segel eingeholt. Die angefunkte spanische Küstenwache habe gefragt, ob er Hilfe benötige und dann dazu geraten, Ruhe zu bewahren und erst einmal abzuwarten. Doch die Wale ließen nicht locker. Zwar schien es mehrmals so, als ob die Orcas genug hätten und davonschwimmen würden. Doch der Eindruck täuschte: Nach einigen Minuten Pause gingen die Attacken weiter.

Meerestiere demolieren Ruder

Mehr als eine Stunde dauerte dieser Albtraum. Erst als das Ruderblatt brach und das Schiff manövrierunfähig war, ließen die Schwertwale von dem Schiff ab und verschwanden. Als Schaufelberger die Schäden am Bootsrumpf untersuchte, entdeckte er im Heck, neben dem Ruder, zwei Löcher, durch die Wasser eindrang. Er setzte einen Notruf ab.

Die Küstenwacht schickte einen Rettungskreuzer, der die vier Besatzungsmitglieder aufnahm und dann versuchte, die „Alboran Champagne“ in den elf Seemeilen entfernten Hafen der Küstenstadt Barbate zu schleppen. Doch weil immer mehr Wasser in das Boot eindrang, mussten die Retter die Abschleppleine kappen. In Sichtweite zum rettenden Hafen versank das Segelschiff am frühen Morgen im Meer.

Spaniens Seenotdienst meldet, dass nur Stunden zuvor ein weiteres Segelschiff vor der südspanischen Küste ähnliche Probleme mit mehreren Schwertwalen hatte und ebenfalls in Seenot geriet. Auch in diesem Fall demolierten die Meerestiere das Ruder. Aber das Schiff bekam keine Lecks und konnte ohne Probleme an die Küste geschleppt werden.

Schon seit mehreren Jahren kommt es im südeuropäischen Atlantik zwischen der Meerenge von Gibraltar und der Küste Spaniens, Portugals und Frankreichs immer wieder zu rätselhaften Angriffen von Schwertwalen auf Segelboote. Vor allem zwischen Frühjahr und Herbst, wenn Thunfischschwärme an der Küste entlangziehen, häufen sich die Angriffe. Die internationale Forschergruppe „Orca iberica“ untersucht systematisch alle Vorfälle mit den Schwertwalen. Hunderte Attacken wurden bereits dokumentiert. Meistens wurden dabei die Ruderanlagen der Segelschiffe mit Bissen und Rammstößen zerstört.

Orcas trainieren Jagd mit Jungtieren

Inzwischen glauben die Wissenschaftler, eine plausible Erklärung für das Verhalten der Tiere gefunden zu haben. „Es spricht immer mehr dafür, dass die Elterntiere mit ihren Jungen die Thunfischjagd trainieren“, sagen sie. Das sich am Heck bewegende Ruderblatt der Segelschiffe diene möglicherweise als „Lernwerkzeug“, das die Schwertwale an die Schwanzflosse der Thunfische erinnere.

Zu dieser Theorie passt die Beobachtung des Schweizer Skippers Schaufelberger: Auch er hatte den Eindruck, dass der erwachsene Schwertwal den beiden Jungtieren beibrachte, wie man angreift. „Die beiden kleinen Orcas haben sich die Technik von dem großen Tier abgeschaut“, ist er nach dem Zwischenfall auf hoher See überzeugt.


Orcas sind vielseitige Jäger

Orcas gehören zur Familie der Delfine und können bis zu acht Meter lang werden. Charakteristisch ist ihre schwarz-weiße Zeichnung, die bei den vorkommenden Unterarten variiert. Die Beute der Tiere unterscheidet sich je nach Lebensraum. Während es im Atlantik vor Südeuropa vor allem Thunfische sind, jagen die auch als Killer- oder Schwertwale bezeichneten Tiere in anderen Meeresregionen Robben, kleinere Wale und sogar weiße Haie. Wobei die Tiere von den Haien in vielen Fällen nur einige Organe fressen. (EB)