Anhänger und TV-Experten fiebern der mystischen Krönungszeremonie entgegen. Das Ritual in der Westminster Abbey wird den Zuschauern verborgen bleiben.
Salbung von König Charles III.Warum die Zeremonie wie aus der Zeit gefallen wirkt
Die britische Monarchie lebt von Pomp und Prunk, dem großen Auftritt, aber auch vom Rätselhaften. Das Volk soll gerade so viel wie nötig über die Royals erfahren. Hatte das Königshaus vor einigen Wochen in Aussicht gestellt, dass eines der wichtigsten Rituale während der Krönung in der Kathedrale Westminster Abbey, die Salbung von König Charles III., für die Öffentlichkeit zu sehen sein wird, wird die Prozedur nun doch im Verborgenen ablaufen.
Marcus Meer, Mittelalterhistoriker am German Historical Institute London (GHIL), bezeichnet die Salbung gegenüber unserer Redaktion als den für den modernen Betrachter vielleicht „befremdlichsten“ Teil der Zeremonie am kommenden Samstag. Während uns das Tragen einer Amtstracht noch vertraut sei, werde dieses Ritual vielen „besonders ,mittelalterlich’ erscheinen“, vermutet der Historiker.
Schlanker und zeitgemäßer
Der Reihe nach: König Charles III. wollte seine Krönung schlanker und zeitgemäßer gestalten als seine Mutter vor 70 Jahren. So sollen am Wochenende nur 2200 Besucher in der Kathedrale im Zentrum Londons anwesend sein. Bei Königin Elizabeth II. im Jahr 1953 waren es noch mehr als 8000. Doch selbst wenn gewisse Dinge verändert wurden, auch bei dieser „Neuaufführung“ orientieren sich die royalen Organisatoren an historischen Beispielen, so Meer.
Bevor es zur eigentlichen Krönung, dem Aufsetzen der Edwardskrone und dem Übergeben diverser anderer Kronjuwelen wie des Zepters, kommt, erleben die Zuschauer die Salbung von König Charles III. „Sie wird uns ein jahrhundertealtes, zutiefst religiöses christliches Selbstverständnis des britischen Königtums vor Augen führen. Oder sie würde es“, sagte der Experte einschränkend, „wenn dieser hochheilige Moment nicht vor der Öffentlichkeit, wie zuletzt 1953 bei der Krönung von Queen Elizabeth II., durch einen Baldachin und Vorhänge verborgen würde.“
Um zu zeigen, dass der Monarch „ein König von Gottes Gnaden“ sei, werde der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, ein angeblich zum ersten Mal veganes Öl auftragen. Das spezielle „Chrisam“ oder heiliges Salböl ist in Jerusalems Altstadt gesegnet worden. Die einzigartige Mischung sei mit ätherischen Ölen – Sesam, Rose, Jasmin, Zimt, Neroli, Benzoin und Bernstein – sowie Orangenblüte parfümiert worden, erklärte der Palast.
Das Chrisam ist nun vegan
Das Öl wird während der Krönungszeremonie auf Stirn und Hände des Monarchen aufgebracht. Dabei nimmt er es mit zwei Fingern von einem goldenen Löffelchen aus dem 12. Jahrhundert auf, erklärt der Experte. „Das Besteck ist der einzige Bestandteil der heute gebräuchlichen Kronjuwelen, der nicht infolge des englischen Bürgerkriegs im 17. Jahrhundert zerstört wurde“, so Meer. In der Vergangenheit sei es dabei wohl etwas chaotisch zugegangen. „Bei der Krönung von Charles I. im Jahr 1625 wird von einem Krönungskamm berichtet“, erklärt er. Damit konnte das wohl ölverschmierte Haar des Königs nach der Salbung wieder gerichtet werden.
Während die Salbung von König Charles im Verborgenen stattfindet, ist mittlerweile bekannt, wie der Baldachin aussieht, unter welchem das heilige Ritual vollzogen wird. Er ist einschließlich seiner vier Eichenholzstangen 2,6 Meter hoch und 2,2 Meter breit, berichtet der Palast. Darauf zu sehen ist ein vom Wind verwehter Baum, ein Abbild eines über 250 Jahre alten Gewächses auf dem königlichen Anwesen in Windsor. Auf die Blätter sind die Namen der 56 Mitgliedstaaten des Commonwealth gestickt. Laut dem britischen Kirchenkünstler Aidan Hart stehen die abgebildeten Vögel für die Harmonie in einer Gemeinschaft. Somit sehen Millionen Zuschauer am Samstag zwar nicht das heilige Ritual selbst, aber immerhin einen imposant geschmückten Baldachin.