Der Vorrat an Blutkonserven für die Krankenhäuser in NRW hat einen Tiefstand erreicht. Das Rote Kreuz spricht bereits von einem „Notstand“.
Versorgungs-„Notstand“NRW sucht dringend Blutspender nach Konserven-Mangel
Wenn ein Krankenhaus Blutkonserven für einen Patienten braucht, geht es oft um Leben und Tod. Doch die Lager beim DRK-Blutspendedienst, dem größten Versorger in Nordrhein-Westfalen, sind fast leer. „Bei einigen Blutgruppen erhalten die Kliniken im Moment nur noch die Hälfte dessen, was sie bei uns anfordern“, sagt Stephan David Küpper vom Blutspendedienst West in Ratingen.
Noch könnten Ärzte mit ein bisschen Improvisationstalent die Sicherheit der Patienten gewährleisten, sagen Fachleute. Aber ein langfristiger Trend macht ihnen Sorgen: Die Spendebereitschaft in der Bevölkerung sinkt kontinuierlich und der Mangel wird größer.
Es gibt Zeiten im Jahr, in denen die Situation traditionell besonders angespannt ist. Im Sommer sind viele treue Stammspender im Urlaub. Im Winter ist Schnupfenzeit, und wer krank ist, darf kein Blut spenden. Doch in der aktuellen Grippewelle sei es besonders schlimm.
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Der DRK-Blutspendedienst West hat nach eigenen Angaben nur noch so viele Blutkonserven auf Lager, wie die Krankenhäuser innerhalb eines Tages für ihre Patienten verbrauchen – etwa bei Operationen, in der Krebstherapie oder bei Unfallopfern. Mit diesem Lagerbestand sei eine „absolut rote Linie“ erreicht, warnt Küpper. Eigentlich müssten Konserven für fünf Tage auf Lager sein. „Die Krankenwelle sorgt für einen Notstand beim Blutspenden.“
Konserven-Mangel kann bei großer Katastrophe zum Problem werden
Die großen Kliniken im Westen, die auch eigene Blutspendezentren haben, kämpfen mit den gleichen Problemen. „Man darf sich da keine Illusionen machen: Wir werden in Zukunft noch wesentlich häufiger solche Mangelsituationen bei Blutprodukten haben“, sagt Peter Horn, Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin der Universitätsklinik Essen. Wenn der Mangel einmal zu groß werden sollte, müssten in einem ersten Schritt nicht-lebensnotwendige Operationen verschoben werden. Im schlimmsten Fall könne es aber auch dazu kommen, „dass wir bei einer großen Katastrophe nicht mehr versorgungsfähig sind“.
Die geburtenstarken Jahrgänge, in denen es noch mehr treue Blutspender gab, würden älter und von Blutspendern tendenziell zu Blutempfängern. „Gleichzeitig stellen wir bei jungen Leuten ganz eindeutig eine niedrigere Spendenbereitschaft fest“, sagt der Professor für Transfusionsmedizin.
Nur drei Prozent der spendefähigen Bevölkerung stellen tatsächlich Blut zur Verfügung
Insgesamt spenden nur drei Prozent der spendefähigen Bevölkerung auch tatsächlich Blut. In den Städten sind es noch deutlich weniger als auf dem Land. Das verschärft die Lage in Nordrhein-Westfalen zusätzlich: In den Ballungsräumen wird weniger Blut gespendet, gleichzeitig gibt es dort viele große Kliniken, die auch noch besonders komplizierte Fälle behandeln. „Wir brauchen grundsätzlich mehr Menschen, die durch ihre regelmäßige Blutspende Verantwortung für Patienten übernehmen“, betont DRK-Sprecher Küpper.
Deshalb ringt die Branche um gute Ansätze, um vor allem junge Spenderinnen und Spender zu werben. Blutspendedienste werden digitaler, entwickeln eigene Apps. In den sozialen Netzwerken wird das Thema stärker emotionalisiert - etwa indem die Geschichten von jungen Menschen erzählt werden, denen die Blutspende das Leben gerettet und eine neue Zukunft geschenkt hat. Die Uniklinik Düsseldorf umwirbt junge Spender mit kleinen Geschenken: Neuspender bekommen einen Kinogutschein, regelmäßige Spender eine kleine Aufwandsentschädigung. Doch Blutspenden gegen Geld sind in der Branche umstritten.
Krankenkassen könnten Blutspenden im Rahmen ihrer Bonusprogramme honorieren
Das Rote Kreuz mit seinem großen Blutspendedienst setzt auch auf die Unterstützung von Politik und Unternehmen. Wenn Beschäftigte für ihre Blutspende eine Zeitgutschrift vom Chef bekämen, wäre das ein Anreiz, sagt DRK-Sprecher Küpper. „Wir nehmen den Menschen ja nicht nur einen halben Liter Blut ab, sondern vor allem auch etwas Zeit.“ Krankenkassen könnten eine Blutspende im Rahmen ihrer Bonusprogramme honorieren. Und in den Schulen könnte das Thema im Biologieunterricht einen festen Platz bekommen, schlägt er vor.
Die NRW-Landesregierung verweist hingegen darauf, dass laut Gesetz die Blutspendedienste verantwortlich für die Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten seien. Die Regierung unterstütze das - so hätten Regierungsmitglieder in Briefen an Kommunen und an Unternehmen im Land dafür geworben, Räumlichkeiten für Blutspende-Aktionen zur Verfügung zu stellen. „Grundsätzlich sieht das Ministerium die Versorgung der Bevölkerung mit Blut als gesichert an“, sagt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums.
Die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und der Arbeitskreis Blut beim Robert Koch-Institut verfolgen das Ziel, mehr valide Daten zur Versorgung mit Blutprodukten zu sammeln - auch um der Politik so die Dringlichkeit des Themas deutlich zu machen.
Letztlich müsse aber vor allem Überzeugungsarbeit bei jedem einzelnen potenziellen Blutspender geleistet werden, sagen die Fachleute. Horn wünscht sich dafür zum Beispiel, dass Blutspender ganz konkret erfahren, wofür ihr Blut eingesetzt wird. „Wenn man weiß: Meine Blutspende hat gerade einem Krebspatienten bei einer Operation das Leben gerettet, dann wird klar, was für ein lebensspendendes, lebensrettendes Geschenk es ist.“ (dpa)