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Mallorca vor 25 JahrenWarum der Ballermann-Mord bis heute rätselhaft  ist

Lesezeit 4 Minuten
Spanien, Palma: Menschen gehen an der Bar Bamboleo in der Bierstraße am Ballermann vorbei.  Der Sauftourismus um den Ballermann auf Mallorca ist nach Einschätzung von Unternehmern derzeit noch schlimmer als in den Jahren vor der Corona-Pandemie. 

Epizentrum des Partybebens: Mallorcas Feiermeile am Ballermann. Vor 25 Jahren wurde der deutsche "Bierkönig"-Wirt Manfred Meisel umgebracht. Foto: Clara Margais/dpa

Sie hatten keine Zeugen und hinterließen keine Spuren: Die Täter, die in der Nacht zum 12. November 1997 auf Mallorca den deutschen "Bierkönig"-Wirt, seinen achtjährigen Sohn und eine Angestellte erschossen. War es ein Racheakt? Welche Rolle spielte die "Papageien-Mafia"? Ein Überblick über die Spurenlage.

Der „Bierkönig“ gehört im „Ballermann“-Viertel auf Mallorca zu den Kultstätten der deutschsprachigen Partyfreunde. Doch nur wenige Besucher wissen, dass der riesige Biergarten und Vergnügungstempel an der Playa de Palma genau heute vor 25 Jahren durch einen dreifachen Mord erschüttert wurde. Bei der Bluttat, die damals großes Entsetzen auf der Insel auslöste, kam der deutsche „Bierkönig“-Besitzer Manfred Meisel ums Leben. Auch sein damals achtjähriger Sohn Patrick und eine Angestellte wurden kaltblütig mit Kopfschüssen umgebracht.

Jahrelang ermittelte die Kripo. Doch die Mörder konnten nie gefasst werden. Auch die Hintergründe liegen bis heute im Dunklen. War es eine Abrechnung im hart umkämpften Partygeschäft an der Playa de Palma, in dem Meisel zu den erfolgreichsten Gastronomen aufgestiegen war? Mit seinem 1990 eröffneten revolutionären „Bierkönig“-Partypalast erwirtschaftete er Millionen. Eine Karriere, die ihm Respekt, aber auch Neid einbrachte. Und mit der er sich Feinde machte. „Meisel war ein aggressiver Geschäftsmann“, schrieb die „Mallorca Zeitung“. Und er soll Drohungen erhalten haben.

Was genau in der Nacht vom 11. auf den 12. November 1997 geschah, ist bis heute unklar. Halbwegs sicher scheint nur, dass die Täter, die in Meisels fünf Kilometer vom „Bierkönig“ entfernte Villa eindrangen, keine normalen Einbrecher waren. Sie ließen weder Bargeld noch andere Wertsachen mitgehen. Ihre Vorgehensweise spricht vielmehr dafür, dass es sich um professionelle Auftragskiller handelte, die den Mord sorgfältig planten: Sie hinterließen keine brauchbaren Spuren und handelten im Mafiastil.

Zwei Kugeln in den Hinterkopf

Nach der Rekonstruktion der Polizei jagten die Mörder dem damals 49 Jahre alten Meisel aus nächster Nähe zwei Kugeln in den Hinterkopf. Das Bild, das sich den Ermittlern am Tatort bot, erinnerte an eine Hinrichtung. Auf ähnliche Weise wurde Meisels Hausangestellte, die 30 Jahre alte Claudia Leisten, erschossen. Meisels achtjähriger Sohn Patrick blieb ebenfalls nicht verschont. Ihn brachten die Killer gleichfalls mit zwei Kopfschüssen um.

Eine Theorie lautet, dass die Angestellte zum Opfer einer Verwechslung wurde und dass in Wirklichkeit Meisels Lebensgefährtin Daiana R. ermordet werden sollte. Sie befand sich zum Tatzeitpunkt in Deutschland – sie war schwanger und für eine ärztliche Untersuchung in die Heimat gereist. Handelte es sich bei dem Dreifachmord also um einen gezielten Racheakt, mit dem die ganze Familie umgebracht werden sollte?

Spaniens Polizei verhängte damals eine Nachrichtensperre. Immerhin sickerte durch, dass die Fahnder mehrere Spuren verfolgten – allerdings erfolglos. So geriet ein früherer Geschäftspartner Meisels vorübergehend unter Verdacht. Auch wurde der Ex-Freund einer auf unklare Weise umgekommenen Go-Go-Tänzerin verdächtigt, mit der sich Meisel gut verstanden haben soll. Zudem nahmen die Ermittler eine mysteriöse „Papageien-Mafia“ unter die Lupe, denn Meisel war nicht nur Wirt, sondern auch Besitzer einer riesigen Papageiensammlung mit Hunderten wertvollen Vögeln. Doch auch für die Vermutung, dass der Mord mit illegalem Tierhandel zu tun haben könnte, gab es keine Beweise.

Meisel war 1989 von Deutschland nach Mallorca ausgewandert, um dort ein Lokal zu kaufen. Seine Wahl fiel auf eine heruntergekommene Bar namens „Bierkönig“. Meisel baute die alte Kneipe in einen modernen Party-Biergarten um – ein Erfolgsmodell, das bald von der Konkurrenz kopiert wurde.

"Korruption gehört zum Alltag"

Inzwischen weiß man freilich, dass es im „Ballermann“-Partyviertel nicht immer nur fröhlich zuging. Hinter den Kulissen wurde mit harten Bandagen um Einfluss, Geld und Macht gerungen. Die Polizei fand in den vergangenen Jahren reichlich Hinweise auf illegale Geschäfte. Schutzgeld, Erpressung, Sexarbeit und Geldwäsche sollen dazu gehören. Politiker, Polizisten und Rathausbeamte sollen bestochen worden sein. „Korruption gehörte an der Playa de Palma zum Alltag“, schrieb das „Mallorca Magazin“.

Diese Praktiken mündeten inzwischen in mehrere Anklagen – unter anderem gegen prominente mallorquinische Gastronomen wie gegen Bartolomé Cursach, der momentan in Palma vor Gericht steht. Cursach ist Besitzer des „Ballermann“-Feiertempels „Megapark“ und damit einer der größten Konkurrenten des „Bierkönig“. Oder gegen Miguel Pascual Biblione, der nach Meisels Tod zusammen mit Bruder Antoni den „Bierkönig“ übernahm. Miguel Pascual stand ebenfalls wegen illegaler Machenschaften vor Gericht. Er entkam jedoch einer Verurteilung, weil Belastungszeugen sich plötzlich an nichts mehr erinnern konnten.

Deutscher Rocker vor Gericht

Auch der frühere deutsche Hells-Angels-Boss Frank Hanebuth muss Anfang 2023 in Spanien auf der Anklagebank Platz nehmen, weil er nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft im „Ballermann“-Viertel mit unerlaubten Methoden im Nachtclub-Geschäft mitmischen wollte. Hanebuth wird unter anderem die Gründung einer kriminellen Vereinigung auf Mallorca vorgeworfen.

Obwohl all diese Strafverfahren bisher keine neuen Erkenntnisse im Fall Meisel brachten: Die dicken Ermittlungsakten gegen Cursach, Pascual und Hanebuth lassen eine Ahnung davon aufkommen, dass im Schatten des Ballermanns auch die organisierte Kriminalität blühte.