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„Fremde im eigenen Haus“Wie der Frust der Inselbewohner auf Mallorca wächst

Lesezeit 4 Minuten
14.08.2023, Spanien, Barcelona: Ein an eine Wand im Künstlerviertel Vila de Gràcia gesprühter Schriftzug «Tourists Go Home». 

Die Botschaft auf Barcelonas Straßen ist deutlich: Touristen sind hier unerwünscht.

Mallorca verzeichnet in diesem Jahr einen neuen Urlauberrekord. Doch das freut längst nicht jeden. Unmut macht sich breit in Spanien.

Auch die Negativschlagzeilen über die Exzesse des Partytourismus und überfüllte Strände können die Reiselust Richtung Mallorca nicht bremsen. Die spanische Mittelmeerinsel, seit Jahren das meistbesuchte Eiland Europas, verzeichnet in diesem Jahr einen neuen Urlauberrekord: Bis Ende August kamen annähernd neun Millionen Urlauber auf die Insel – rund neun Prozent mehr als im Vorjahr. Im ganzen Jahr 2022 waren 11,5 Millionen Feriengäste gezählt worden. In ganz Spanien werden 85 Millionen Urlauber erwartet – 1,3 Millionen mehr als vor Pandemieausbruch im Jahr 2019.

Ärger bei den Bewohnern Mallorcas

Dass es auf Mallorca so voll ist wie noch nie, freut die Tourismusindustrie. Doch bei Bewohnern sorgt der Ansturm zunehmend für Ärger. So demonstrierten in der Urlauberhochburg Alcúdia im Nordosten der Insel Bürger vor dem Rathaus gegen die Überfüllung der Kleinstadt. In Alcúdia leben normalerweise 20000 Einwohner. Aber in diesem Sommer verdoppelte sich mit den Touristen die Zahl der Menschen, die sich im Ort aufhalten. „Der übermäßige Andrang macht das Leben im Sommer unerträglich“, erklärten die Demonstranten. Einwohner nutzen TricksAuch an vielen Strände wird es eng. Und zwar derart, dass sich bei den Einheimischen das Gefühl breitmacht, keinen Platz mehr auf ihrer Insel zu haben. In der östlich gelegenen Feriengemeinde Manacor organisierte deswegen eine Bürgerinitiative eine aufsehenerregende Protestaktion: Sie installierten an etlichen Strandzugängen Schilder, auf denen auf Englisch zu lesen war: „Beach closed“ (Strand geschlossen). Oder „Beware of dangerous jellyfish“ (Es wird vor gefährlichen Quallen gewarnt). Doch das waren nur Fake-Schilder. Unter dem englischen Text konnte man auf Mallorquinisch, der Inselsprache, lesen: „Der Strand ist geöffnet.“ Und: „Die einzige Gefahr hier ist die touristische Überfüllung.“

Vom malerischen Geheimtipp zum Hotspot

Zum Symbolbild für die Überfüllung vieler mallorquinischen Playas ist in diesem Jahr vor allem die romantische Felsenbucht Cala del Moro in der Urlaubsgemeinde Santanyí im Südosten geworden. Seit der malerische Ministrand in den sozialen Netzwerken als „Geheimtipp“ gepriesen wurde, wird die Bucht buchstäblich von Touristen überrannt. Hier herrscht mittlerweile täglich ein großes Verkehrs- und Parkchaos, das den Anwohnern zunehmend auf die Nerven geht.

Das Wort „Turismofobia“ (Tourismusphobie) macht in Spanien – dem beliebtesten ausländischen Reiseziel der Deutschen – immer mehr die Runde. Nicht nur auf Mallorca, auch in Barcelona, in Galicien oder auf den Kanaren wird die Ablehnung des Massentourismus immer offener und auch schon mal gewalttätig zur Schau getragen.

Auch in Barcelona ist der Frust da

In Barcelona ist der Verdruss wohl nirgendwo so unübersehbar wie in Vila de Gràcia. Wenn man durch die schmalen Gassen des Künstlerviertels spaziert, sieht man sie inzwischen fast überall. An Wänden, Garagentoren, Hinweistafeln und Denkmälern prangt in großen Lettern die Aufforderung: „Tourists go Home“. Die Graffiti tauchen fast an jeder zweiten Straßenecke auf.

Ein an eine Wand im Künstlerviertel Vila de Gràcia gesprühter Schriftzug „Tourists Go Home“.

Ein an eine Wand im Künstlerviertel Vila de Gràcia gesprühter Schriftzug „Tourists Go Home“.

Sprüche gegen Tourismus sind dort aber auch auf kleinen gelben Aufklebern und auf großen Bannern zu sehen. Eine kleine radikale Minderheit, mag der uneingeweihte Besucher denken. Mitnichten! „Wir alle denken gleich“, versichert Ester vom Nachbarschaftsverband Verdi del Mig.Tourismus soll wachsenWährend die Frau mit dem kurzen grauen Haar die Vorbereitungen für das Stadtteilfest unterbricht, um mit dem Journalisten zu sprechen, kommen immer mehr Menschen zusammen, um ihrem Unmut Luft zu machen. „Wir können beim Fest nicht mehr wie früher auf der Straße tanzen“, „Es wird hier nur noch Englisch gesprochen“ oder „Wir sind Fremde im eigenen Haus“, ist unter anderem zu hören.

Politik und Wirtschaft sind sich der Dimension des Problems bewusst und spielen es nicht herunter. DerPräsident des Hotelierverbandes der Playa de Palma auf Mallorca mit dem berühmten Ballermann, Pedro Marín, spricht Klartext: „Es ist nicht akzeptabel, dass die Anwohner Angst haben, hier spazieren zu gehen“, sagte er der Zeitung „Última Hora“

Gleichzeitig setzt die neue konservative Inselregierung auf Mallorca voll auf den Tourismus: Die regionale Ministerpräsidentin Marga Prohens kündigte bereits an, dass sie von der rot-grünen Vorgängerregierung eingeführte touristische Wachstumslimits aufheben will. Mit dpa