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Krippenkind in Becken ertrunkenDrei Betreuerinnen schuldig gesprochen

Lesezeit 3 Minuten
Becken Kita Wolfsburg

Ein Regenrückhaltebecken in unmittelbarer Nähe eines Spielplatzes.

Wolfsburg – „Es ist das Schlimmste passiert, was passieren kann.“ Mit sehr persönlichen Worten hat sich Richter Henning Lüdtke in seiner Urteilsbegründung an die Eltern des getöteten Krippenkindes und die vier angeklagten Betreuerinnen im Wolfsburger Gerichtssaal gewandt.

Nach dem Tod des 16 Monate alten Jungen im April 2019 sprach Lüdkte am Dienstag drei Erzieherinnen der fahrlässigen Tötung schuldig. Eine vierte Angeklagte wurde freigesprochen, weil sie als Praktikantin am Tag des Geschehens freiwillig und zufällig in der Kita im Stadtteil Nordsteimke war. (Az.: 8 DS 306 JS 27184/19)

Beschuldigten bemerkten nicht, dass das jüngste Kind weggelaufen war

Aus Sicht des Gerichts bemerkten die Beschuldigten bei einem Ausflug zu einem nahegelegen Spielplatz nicht, dass das jüngste Kind einer zwölfköpfigen Gruppe weggelaufen war. Der Junge fiel in ein etwa 30 Meter entferntes Regenrückhaltebecken. Dort soll er mehrere Minuten im Wasser gelegen haben, bevor die Beschuldigten ihn fanden und Rettungsmaßnahmen einleiteten. Der Junge wurde in eine Klinik gebracht, wo er zwölf Tage später an Hirnschäden durch Ertrinken starb. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Rechtsmittel sind möglich.

„Das ist kein normales Verfahren. Wir verhandeln ein Geschehen, das niemand wollte“, sagte der Richter direkt zum Auftakt. Er betonte mehrmals, dass das Verfahren in einem übervollen Saal alles andere als Alltag für alle Beteiligten sei. Gegen zwei Erzieherinnen und eine Sozialassistentin sprach er jeweils Verwarnungen und Geldstrafen von 4500 Euro auf Bewährung aus.

Tragisches Unglück hätte verhindert werden können

Das tragische Unglück sei aus seiner Sicht vermeidbar gewesen, die individuelle Schuld trotz der schlimmen Folgen aber gering zu bewerten, begründete der Richter die Verurteilung im unteren Bereich des Strafrahmens. Lüdtke betonte aber eine gesteigerte Aufsichtspflicht mit Blick auf das Alter des Jungen.

Mit sehr emotionalen Worten richteten sich die Eltern an die Angeklagten. Sie wolle ihrem Jungen vor allem noch einmal eine Stimme verleihen, sagte die Mutter. „Er war ein fröhlicher kleiner Junge, der bloß keine Langeweile aufkommen lassen wollte“, sagte sie.

Eltern vermissten eine Geste des Bedauerns von den Betreuerinnen

Mit seinen 16 Monaten habe er gerade erst laufen und sprechen gelernt. Die Zeit nach dem Tod beschrieb sich als schwer und quälend. Die Eltern vermissten eine Geste des Bedauerns von den Betreuerinnen. Sie forderten ein Berufsverbot.

Die Bedingungen dafür sah Richter Lüdkte nicht gegeben. Er blieb auch unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung gefordert hatte. Die Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert.

Drei der Angeklagten drückten in letzten Worten ihr Bedauern aus. Das Geschehene tue ihnen unendlich leid. Ein Besuch auf der Intensivstation oder eine Kontaktaufnahme zu den Eltern sei ihnen aber verboten worden, sagte eine der Erzieherinnen. (dpa)