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Interview mit Bonner Virologen„Wir werden das Virus nicht aufhalten können“

Lesezeit 3 Minuten
Virologe Bonn

Hendrik Streeck 

BonnHendrik Streeck ist Direktor des Instituts für Virologie der Bonner Uniklinik. Mit ihm sprach Nicolas Ottersbach.

Wie zufrieden sind Sie mit der Lage?

Überhaupt nicht. Aber dafür, dass das Virus nach Deutschland kommt, kann keiner etwas. Bei aller Kritik – sie zu üben, ist ja immer leicht – muss man auch mal eine Lanze für die Bundesregierung brechen. Die Politik handelt situativ, vor ein paar Monaten kannten wir das neue Coronavirus noch gar nicht. Jedes Mal, wenn wir etwas dazugelernt haben, wurden die ergriffenen Maßnahmen angepasst. Wie infektiös es ist, haben wir erst nach und nach verstanden. Und auch erst, wie gefährlich es ist. Im Vergleich zu SARS und MERS verbreitet es sich leichter und schneller, ist aber weniger tödlich.

Der Bonner Corona-Infizierte hatte Kontakt zu Kindern. Müssen sich die Eltern Sorgen machen?

Für Kinder ist das neue Coronavirus viel ungefährlicher als für Erwachsene. Bislang sieht es so aus, dass Kinder zwar leichter infiziert werden, die Symptome aber viel milder sind. Es gibt bislang keinen bestätigten Todesfall bei Kindern. Das kann man mit den Windpocken vergleichen: Während Kinder meist nur unangenehmen Ausschlag bekommen, können Erwachsene schwere Krankheitsverläufe haben. Das Immunsystem von Kindern reagiert anders, das ist nichts Neues für Virologen.

Wie lautet Ihre Prognose?

Wir stehen in Bonn erst am Anfang der Epidemie, es wird mehr Infizierte geben. Jedes Jahr gibt es vier verschiedene Coronaviren, die für die typischen grippalen Infekte sorgen. Die kommen immer wieder hoch. Mit dem neuen Coronavirus wird das vermutlich ähnlich sein, allerdings mit einer Sterblichkeitsrate, die geringer sein wird, als die, die man derzeit annimmt. Wir werden das Virus nicht aufhalten können, werden aber deutlich mildere Verläufe sehen. So wie bei dem ersten Patienten in Bonn, der nur sehr schwache Symptome gespürt hat.

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Ist dann wie bei der herkömmlichen Grippe im Sommer alles vorbei?

Eine genaue Prognose ist unmöglich. Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Es kommt zum Beispiel darauf an, wie gut wir das neue Coronavirus einfangen können. Laufen noch viele Menschen damit herum, von denen wir nichts wissen? Wird es nochmal sehr kalt werden, was schlecht für die Schleimhäute ist? Oder steigen die Temperaturen, die Leute gehen mehr an die frische Luft, tanken Energie durch die Sonne und werden wieder fitter?

Wird sich die Situation durch die normale Grippewelle verschärfen?

Das muss man getrennt voneinander betrachten. Die Grippewelle scheint derzeit abzuflachen. Bei der Coronaviruswelle sind wir am Anfang. Schlimm wäre, wenn beides gleichzeitig kommt. Denn dann haben wir in beiden Fällen intensivpflichtige Patienten, was für Engpässe sorgen würde.