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Infektionen explodierenOmikron erobert Europa und britische Studie macht Sorgen

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In den Niederlanden hat kurz vor Weihnachten wegen der Omikron-Variante des Coronavirus ein harter Lockdown begonnen.

Hamburg – Wissenschaftler sind sicher: Auch in Deutschland wird sich die Omikron-Variante bald flächendeckend ausbreiten. Bereits in den kommenden Wochen könnte demnach die Zahl der Fälle so stark steigen wie nie zuvor in dieser Pandemie. Vor diesem Hintergrund warnt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erneut: Omikron ist nicht ungefährlicher als Delta. Grund zur Sorge geben ihm neue Daten aus Großbritannien.

Wie schwer verlaufen Omikron-Infektionen?

Um die Gefährlichkeit der Virusvariante hervorzuheben, bezieht sich Lauterbach auf eine Studie des Imperial College London (ICL), die er als „sehr bedeutsam“ einstuft. Zu dem Bericht schreibt er auf Twitter: „Er zeigt, erstmalig, dass es unwahrscheinlich ist, dass Omikron deutlich milder verläuft.“

Tatsächlich schreiben die britischen Forscher der Studie in ihrer Zusammenfassung: „Wir finden keine Beweise dafür, dass Omikron einen anderen Schweregrad als Delta aufweist.“ Studienleiter Professor Neil Ferguson erläuterte dazu in einem Blogeintrag: „Die Studie findet keine Hinweise darauf, dass Omikron einen geringeren Schweregrad als Delta hat, gemessen entweder am Anteil der positiv getesteten Personen, die Symptome melden, oder am Anteil der Fälle, die nach einer Infektion ins Krankenhaus kommen.“

Der Bericht basiert auf Daten der staatlichen britischen Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) und des britischen Gesundheitsdienstes (NHS). Untersucht wurden Menschen, die zwischen dem 29. November und 11. Dezember positiv auf Covid-19 getestet wurden.

Warum ist die neue Virus-Variante gefährlich?

Die britischen Forscher fanden außerdem heraus: Das Risiko, sich als Genesener erneut zu infizieren, ist bei Omikron fünf mal höher als bei Delta. Das sehr hohe Ausbreitungstempo lässt die Hoffnung also schwinden, wonach das Gesundheitssystem nicht überlastet werden könnte.

Denn: Stecken sich in kurzer Zeit sehr viele Menschen an, führt das in absoluten Zahlen zu sehr vielen schweren Erkrankungen.In Großbritanniens Hauptstadt London wurde wegen der rapiden Ausbreitung der Omikron-Variante der Katastrophenfall ausgerufen. Allein am vergangenen Freitag wurden 93045 Fälle an einem einzigen Tag gemeldet.

Auch in Südafrika und Dänemark verdoppelt sich die Zahl der Neuinfektionen alle zwei bis drei Tage.Die Niederlande verhängte einen harten Lockdown bis zum 14. Januar. Daran, dass Omikron bald auch in Deutschland dominieren wird, gibt es kaum noch Zweifel.

Schützt die zweifache Impfung vor Omikron?

Alles deutet daraufhin, dass die Omikron-Variante dem Impfschutz entkommen kann: Laut der ICL-Studie haben doppelt Geimpfte nur einen bis zu 20 prozentigen Schutz vor der Omikron-Variante. Mit der Booster Impfung steige die Schutzwirkung auf 55 bis 80 Prozent an. „Diese Studie liefert weitere Beweise dafür, inwieweit Omikron die Immunität durch Infektion oder Impfung umgehen kann“, so Studienleiter Ferguson.

Die Virologin Isabelle Eckerle von der Universität Genf twitterte am 11. Dezember: „Dieses Virus könnte unsere Exit-Welle und das ',Ticket’ in die endemische Situation werden.“ Omikron sei so ansteckend, dass bald alle Menschen mit dem Virus in Kontakt gekommen sein werden und der Immunescape so groß, dass sich auch Geimpfte infizieren würden.

Eine Bevölkerungsstudie aus Großbritannien ergab, dass die Wirksamkeit gegen eine symptomatische Infektion mit Omikron 15 Wochen nach der zweiten Dosis Biontech auf 34 Prozent sinkt. Menschen, die mit zwei Dosen des Astrazeneca-Präparats geimpft worden waren, hatten keinen Schutz mehr vor einer symptomatischen Infektion.

Auch Omikron-Fälle bei dreifach Geimpften sind bereits bekannt. Die Virologin Sandra Ciesek von der Uniklinik Frankfurt warnte daher, dass eine Konzentration auf die Booster-Kampagne nicht reichen werde, auch weil der Schutz wieder nachlasse. Eine gute Nachricht jedoch: Der Schutz vor schwerer Erkrankung dürfte vielen Experten zufolge auch bei Omikron erhalten bleiben.

Brauchen wir einen neuen Impfstoff?

Impfstoffhersteller arbeiten bereits an neuen Impfstoffen, die vor Omikron schützen sollen. Die mRNA-Impfstoffe an einen neuen Erreger anzupassen, ist technisch relativ komplikationslos. Lediglich der genetische Code, den die Impfungen enthalten, muss auf die Omikron-Variante angepasst werden. Biontech kündigte an, mit einer klinischen Studie im Januar zu starten. Auch bei Moderna wird unter Hochdruck an angepassten Impfstoffen gearbeitet.

Für die sich ankündigende fünfte Welle werden Impfstoff-Anpassungen jedoch zu spät kommen. Der Coronavirus-Experte Volker Thiel vom Institut für Virologie und Immunologie der Uni Bern sagte gegenüber „Zeit-Online“: „Ich kann mir vorstellen, dass wir im kommenden Herbst einen angepassten Impfstoff zur Verfügung haben und dann den Immunschutz vor der Wintersaison noch einmal zielgenau auffrischen.“

Bis dahin gilt: Wer kann, sollte sich so schnell wie möglich boostern lassen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) brauche es außerdem weiterhin Masken, Abstand, Lüften, Handhygiene.

Omikron greift in Europa rasant um sich

Die hoch ansteckende Omikron-Variante des Coronavirus breitet sich in Europa atemberaubend schnell aus. In Dänemark und den Niederlanden tritt nun einen strenger Lockdown in Kraft, um die Infektionszahlen zu senken. Zudem schottet sich Deutschland auch gegenüber Großbritannien ab, wo Omikron in den Landesteilen England und Schottland schon dominiert. Ab Montag gilt die ganze Insel als Virusvariantengebiet, damit gelten drastische Beschränkungen für Reiserückkehrer.

Die Corona-Lage in den Niederlanden

Die Regierung in Den Haag hat wenige Tage vor Weihnachten einen neuen strengen Lockdown verhängt. Seit Sonntag müssen fast alle Geschäfte, Gaststätten, Kultur- und Sporteinrichtungen, Schulen und Friseure schließen. Ausgenommen sind nur Läden wie Supermärkte und Apotheken, die für die Versorgung wichtig sind.

Die extrem schnelle Verbreitung der Omikron-Variante erzwinge die harten Maßnahmen, sagte Ministerpräsident Mark Rutte. Jeder Haushalt darf nun in der Regel nur noch zwei Gäste empfangen. Nur über Weihnachten und zum Jahreswechsel sind bis zu vier Besucher erlaubt. Der Lockdown soll zunächst bis zum 14. Januar gelten. Eine Ausgangssperre soll es vorerst nicht geben.

Die Omikron-Variante breitet sich Experten zufolge viel schneller aus als erwartet. In Amsterdam verdoppelt sich die Zahl der Infektionen alle zwei bis drei Tage. Bereits vor Weihnachten werde Omikron in der Hauptstadt dominant sein, hieß es. Zurzeit sinkt die Zahl der Neuinfektionen zwar. Doch die Krankenhäuser stehen unter hohem Druck, so dass sie nach Befürchtung der Experten einen weiteren Zustrom von Patienten nicht auffangen könnten.

Die Sieben-Tage-Inzidenz in den Niederlanden lag am Samstag bei 617. Zum Vergleich: In Deutschland wurden zuletzt knapp 322 Infektionen pro 100000 Einwohner in sieben Tagen registriert.

Auch Dänemark fährt öffentliches Leben wieder runter

Auch Dänemark fährt große Teile des öffentlichen Lebens wieder herunter: Theater, Kinos, Zoos, Vergnügungsparks und Sportstätten müssen nun wieder geschlossen bleiben. Restaurants dürfen nur noch bis 23 Uhr öffnen. In dem Nachbarland mit knapp sechs Millionen Einwohnern steigen die Corona-Zahlen seit einigen Wochen wieder stark an. Am Freitag erreichte die Zahl der täglichen Neuinfektionen einen Rekordwert von rund 12 000. In mehr als einem Fünftel der Fälle handele es sich um die Omikron-Variante. Die strengeren Regeln gelten zunächst bis Mitte Januar.

In Großbritannien dominiert Omikron bereits

Die Omikron-Mutante ist in England schon dominierend: Sie mache nun 60 Prozent aller Fälle aus, sagte der britische Gesundheitsminister Sajid Javid im Sky News-Interview. Allein am Samstag waren im Vereinigten Königreich 10059 neue Omikron-Fälle gemeldet worden – dreimal so viele wie am Tag zuvor.

Um die Ausbreitung von Omikron in Deutschland zu verlangsamen, hat die Bundesregierung Großbritannien zum Virusvariantengebiet erklärt. Dies bedeutet, dass Einreisende 14 Tage in Corona-Quarantäne müssen – auch, wer geimpft ist oder eine Erkrankung überstanden hat. Diese Frist kann auch nicht durch einen Test verkürzt werden. Zudem dürfen nur noch Bundesbürger und Menschen mit deutschem Wohnsitz ins Land.

Bislang waren keine europäischen Länder Virusvariantengebiete. Gleichzeitig spitzt sich in Großbritannien, wo bislang noch weitreichende Freiheiten gelten, die Debatte um schärfere Corona-Maßnahmen zu. London hat schon den Katastrophenfall ausgerufen. Medienberichten zufolge laufen Diskussionen über eine Art Wellenbrecher-Lockdown nach den Weihnachtstagen.

Wissenschaftliche Berater fordern eine möglichst schnelle Verschärfung der Beschränkungen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Man sei „fast sicher, dass es aktuell Hunderttausende neue Omikron-Infektionen pro Tag“ in England gebe - also eine hohe Dunkelziffer. Einige Modellierer warnten dem „Guardian“ zufolge, ohne schärfere Maßnahmen drohten bis zum Jahreswechsel bis zu zwei Millionen Neuinfektionen täglich.

Frankreich setzt auf strengere Impfregeln

Die Regierung in Paris greift im Kampf gegen die fünfte Welle auf strengere Impfregeln zurück. Im Januar kann eine Auffrischungsimpfung nach bereits vier statt fünf Monaten erfolgen. Gesundheitsminister Olivier Véran kündigte an, dass eine dritte Injektion gegen das Coronavirus für Pflegekräfte und Feuerwehrleute Pflicht wird. Vor wenigen Tagen begannen die Schutzimpfungen für Kinder zwischen fünf und elf Jahre. Das zu Silvester geplante Feuerwerk und Konzert auf den Champs-Élysées fällt wegen der vielen Neuinfektionen aus.

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Zudem gelten die Nachbarländer Dänemark und Frankreich wegen steigender Fallzahlen und Omikron in Deutschland seit Mitternacht nun als Hochrisikogebiete. Dies hatte das RKI bereits am Freitag bekanntgegeben. Mit Ausnahme von Luxemburg sind nun alle deutschen Nachbarländer Hochrisikogebiete. Wer aus einem solchen Gebiet einreist und nicht vollständig geimpft oder genesen ist, muss zehn Tage in Quarantäne. Frühestens fünf Tage nach der Einreise kann man sich mit einem Test davon befreien.

Die EU-Kommission erwartet, dass Omikron schon im Januar in ganz Europa die dominierende Variante sein wird. (dpa)