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Vor allem unter LindenWas es mit dem klebrigen Zeug auf Autoscheiben auf sich hat

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Klebende Flächen: Honigtau macht den Autolack trüb, ist aber wasserlöslich und damit leicht zu entfernen.

Klebende Flächen: Honigtau macht den Autolack trüb, ist aber wasserlöslich und damit leicht zu entfernen.

Autofahrer klagen über Honigtau unter Linden – sind das die wahren Klimakleber? Was es mit dem Phänomen wirklich auf sich hat.

„Alles klebt“, seufzt der „Stern“; und die „FAZ“ wägt launig ab, wer gerade die wahren Klimakleber sind: die Umweltaktivisten? Oder doch eher die Blattläuse, die Autos und Gehwege mit ihrem Honigtau verkleistern? So laut wie in diesem Jahr war die Klage lange nicht. Stimmt der Eindruck also? War es unter den Linden, von denen die Blattläuse ihre Ausscheidungen regnen lassen, in diesem Jahr wirklich klebriger als sonst? Und wenn ja: Futtern die Marienkäfer jetzt so viele Blattläuse, dass an Nord- und Ostsee wieder eine Käfer-Schwemme zu befürchten ist?

Dass es im Sommer von den Linden rieselt, verdankt sich den Aphiden. So lautet der fachsprachliche Name der Blattläuse. Diese Insekten nehmen Flüssigkeit aus der Wirtspflanze auf; was sie selbst nicht brauchen, scheiden sie als zuckerhaltigen Honigtau wieder aus. Dass die Windschutzscheibe also auch noch von Kot besudelt ist, wenn auch von süßem, macht die Sache nicht sympathischer.

Vor allem versiegelte Flächen sind betroffen

Ob wirklich ein Honigtau-Rekord in diesem Jahr vorliegt, ist nicht zu ermitteln, erwidert Stephan Blank. Beim Deutschen Entomologischen Institut (DEI) der Senckenberg-Gesellschaft erforscht er die Welt der Insekten. Der Experte weist darauf hin: Das Phänomen tritt vor allem dort auf, wo wir es bemerken: „Im innerstädtischen Bereich, wo Linden als Alleebäume gepflanzt werden, ist der Läusebefall häufig stärker als im Außenbereich“, sagt Blank. Der Grund: Wo der Boden versiegelt ist, gelangt weniger Wasser an die Wurzeln. Die Bäume sind gestresst und verlieren an Abwehrkraft. Gut für die Blattläuse.

Und diese Aphiden schmecken eben auch Marienkäfern besonders gut. Sorgt ein gutes Nahrungsangebot bei Marienkäfern also für wachsende Populationen?

Strandurlauber erinnern sich vielleicht an die Jahre 2009 bis 2011, wo die Käfer an Nord- und Ostsee in Massen auftraten. Von den rund 70 heimischen Marienkäferarten fressen nicht alle, aber zumindest einige die Blattläuse an den Linden, sagt Stephan Blank. Und die könnten von einem reichen Angebot an Aphiden durchaus profitieren.

Folgt Marienkäfer-Plage?

Die Freude darüber trübt er mit dem Hinweis: „Üblicherweise handelt es sich um die eh häufigen Arten. Seit ein paar Jahren auch um den eingeführten, invasiven Asiatischen Marienkäfer, der für die heimische Fauna und auch im Nutzpflanzen-Anbau, zum Beispiel beim Wein, schädlich ist.“

Und was die Käfer am Strand angeht, nimmt Thomas Thieme, Blattlaus-Experte bei der BTL Bio-Test Labor GmbH Sagerheide, einem wissenschaftlichen Dienstleister, die Blattlaus aus der Verantwortung: „Die Marienkäfer-Schwemme an der Ostsee wird nicht nur durch das Auftreten von Aphiden beeinflusst“, sagt er. Das sei vielmehr eine Auswirkung des Windes, der die Käfer auf die See verfrachtet. Dort fallen sie ins Wasser und treiben, so Thieme, noch lebend an die Küste – wo sie dann auch schon mal „hungrig einen am Strand liegenden Menschenkörper testen“.

Selbst wenn die Blattläuse also, so wie viele es in diesem Jahr empfunden haben, auf den Stadtlinden zahlreicher als sonst waren – auf den Badeurlaub dürfte das keine Auswirkungen haben.