Köln muss aus Flutkatastrophen lernen: Warum die „Hochwasser-Demenz“ gefährlich ist und wie der Schutz verbessert werden kann.
Mitgefühl, Vorsorge, KI„Hochwasser-Demenz“ – Was Köln aus den letzten Fluten lernen sollte
Es ist ein trüber Frühlingstag, und seit einigen Stunden fallen Tropfen auf die nassen Straßen Kölns.
Doch was wäre, wenn der Regen nicht aufhört? Wenn das Wasser kommt, erklärt Professor Holger Schüttrumpf, müssen wir endlich handeln, bevor es wieder zu spät ist. Die „Hochwasser-Demenz“, so warnt der Experte, lässt uns schnell vergessen, wie gefährlich die Fluten wirklich sind.
Ein Gespräch mit Professor Schüttrumpf
Professor Holger Schüttrumpf ist Direktor des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der RWTH Aachen und warnt vor der sogenannten „Hochwasser-Demenz“. Diese tritt ein, wenn nach katastrophalen Hochwasserereignissen wie dem Jahrhundert-Hochwasser von 2021 die notwendigen Schutzmaßnahmen wieder in den Hintergrund treten.
In einer Pressemitteilung der RWTH Aachen erläutert der Experte im Interview, warum der Hochwasserschutz dringend verbessert werden muss und wie Köln und Städte in den Regionen von einer besseren Vorbereitung profitieren können.
Der Hochwasserschutz: Ein unzureichendes System
„Würde das gleiche Hochwasser von 2021 wieder auftreten, wären die Auswirkungen nahezu die gleichen“, warnt Schüttrumpf. Der Professor spricht von der Notwendigkeit, den Hochwasserschutz spürbar zu verbessern – eine Forderung, die angesichts der wiederholten Starkregen- und Hochwasserereignisse besonders auch für die Region Köln von Bedeutung ist.
Denn auch in urbanen Gebieten wie Köln sind die Folgen von Hochwasser und Überschwemmungen gravierend und gefährden sowohl Menschen als auch Infrastruktur. „Der Schutz entsteht auf dem Papier, aber Papier schützt nicht gegen Wasser. Es reicht nicht, Konzepte, Strategien und Maßnahmen zu planen, wenn wir nicht in die Umsetzung kommen“, appelliert Schüttrumpf an die Politik.
Lernen wir aus der Vergangenheit?
Die Antwort des Experten auf diese Frage fällt gemischt aus: „Ja und nein.“ Zwar gibt es Fortschritte, wie die Einführung des Cell Broadcastings zur Frühwarnung. Doch nach wie vor stehe man bei den grundlegenden Schutzmaßnahmen an. Nach Katastrophen wie 2021 seien alle betroffen, doch die Sensibilität nehme mit der Zeit ab, erklärt Schüttrumpf und nennt dieses Verhalten „Hochwasser-Demenz“.
Er mahnt, dass es nicht nur um technische Maßnahmen wie Deiche und Mauern gehe, sondern auch um eine langfristige Kultur der Hochwasser-Vorsorge. „Wir brauchen auch Hochwasser-Vorsorge. Da geht es um Information der Bevölkerung, um das Trainieren von Verhalten im Hochwasserfall oder auch um Risiko-Vorsorge, also Versicherungen.“, fordert er.
Hochwasserschutz für Köln: Kein Bereich bleibt unberührt
Die Ansätze für den Schutz gegen Hochwasser sind vielfältig: vom technischen Schutz über die Vorbereitung der Bevölkerung bis hin zur Bauvorsorge. Schüttrumpf hebt hervor, dass auch Hausbesitzer durch einfache Maßnahmen wie Schwellen oder Rampen ihre Gebäude besser gegen Hochwasser schützen können.
Besonders für städtische Gebiete wie Köln sei ein ganzheitlicher Ansatz entscheidend. Hier müsse sowohl der Flussraum mehr berücksichtigt als auch der Bau in hochwassergefährdeten Gebieten eingedämmt werden. Schüttrumpf stellt klar: „Raum für den Fluss – kein Problem mit Hochwasser. Wenn wir die Bereiche, die von Hochwasser betroffen sind, freigeben, bleibt Hochwasser, was es ist: ein natürliches Ereignis. Wenn wir in Hochwassergebieten bauen oder das Land anders nutzen, entsteht natürlich ein Konflikt.“
Forschung als Schlüssel für den Hochwasserschutz
An der RWTH Aachen beschäftigt sich das Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft unter Schüttrumpfs Leitung nicht nur mit der regionalen, sondern auch mit der internationalen Hochwasserforschung. Ein wichtiges Projekt ist das ABCD- (Aachen-Bangkok-Chennai-Dresden) Center, das sich mit den Auswirkungen des Klimawandels und den damit verbundenen Hochwasserrisiken in Asien beschäftigt.
Die Forschung ist interdisziplinär und bindet zahlreiche Fachbereiche ein. Schüttrumpf betont, dass Wasser alle betreffe – es sei ein elementares Thema, das in verschiedenen Disziplinen behandelt werden müsse, von der Bau- und Umwelttechnik bis hin zur Medizin.
Zukunftsvision: Frühwarnsysteme und Digitalisierung
Die Digitalisierung ist seiner Meinung nach auch für den Hochwasserschutz von entscheidender Bedeutung. Schüttrumpf erklärt, wie moderne Technologien, wie Satellitenmessungen und Künstliche Intelligenz (KI), bereits helfen, Frühwarnsysteme zu verbessern. So wurde für die Stadt Aachen nach einem Starkregenereignis im Jahr 2018 ein KI-gestütztes System zur Koordination von Rettungsdiensten entwickelt.
Eine interdisziplinäre Herausforderung
Schließlich stellt Schüttrumpf fest: „Wasser betrifft uns alle.“ Das Thema Hochwasserschutz ist vielschichtig und erfordert gemeinsame Anstrengungen von Wissenschaft, Politik und Bevölkerung. Nur durch eine umfassende Zusammenarbeit könne man die Gefahr von Hochwasserereignissen in der Zukunft wirksam abwenden.