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Hendrik Streeck gibt AuskunftBonner Virologe über die Studie aus Heinsberg

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Virologe Bonn

Hendrik Streeck 

Bonn – Professor Hendrik Streeck – Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn (UKB) mit derzeitigem Hauptquartier in einem leeren Schulgebäude der Gemeinde Gangelt – übt sich dieser Tage in der nicht immer ganz freiwilligen Kunst der Gratwanderung. Auf der einen Seite steht eine durch das Virus Sars-CoV-2 und die Atemwegerkrankung Covid-19 sowie durch kurzfristig erlassene und umfassende Vorsichtsmaßregeln verunsicherte Öffentlichkeit. Auf der anderen Seite kann und will der Virologe keine simplen Antworten auf komplexe Fragen geben. Schwarz und Weiß sind Streecks Farben nicht – vielmehr „Stufen von Grau“, wie es der 42-Jährige gestern bei einer vom UKB organisierten Videokonferenz den 52 zugeschalteten Journalisten aus ganz Deutschland sowie aus den Niederlanden, aus Luxemburg und aus Polen erklärt hat.

Noch zu früh für Ergebnisse

Tatsache ist, dass Streeck seit einer Woche im Auftrag des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet und mit einem sich stetig vergrößernden Team von derzeit etwas mehr als 60 Personen an einer Prävalenzstudie zur Ausbreitung des Coronavirus im Kreis Heinsberg arbeitet, deren repräsentative Ergebnisse weit darüber hinaus reichen werden. Tatsache ist aber auch, dass es zum gegenwärtigen Stand für eben diese Ergebnisse zu früh sei, wie Streeck eingangs betonte. Zumal sich seine Vorab-Veröffentlichung zum vorübergehenden Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns bei Covid-19-Patienten als recht undankbar erwiesen habe.

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Was sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausführen lässt, sind Details zur Untersuchungsmethode an sich. Das Material beispielsweise liefern Rachenabstriche für die spätere Polymerase-Ketten-Reaktion im Labor sowie Tests auf die Antikörper Immunglobulin G (IgG) und das in Sekreten nachweisbare IgA. Dabei sei auch eine Langzeitbeobachtung sinnvoll, fügte Streeck hinzu. Ausgeführt wohl auch im Folgenden von einem Team, das vor Ort „sehr nett aufgenommen“ werde.

1000 Bewohner nehmen teil

1000 aus insgesamt 12.529 Einwohnern der Gemeinde waren vorab von Amts wegen ausgewählt worden. Zusätzlich zu Rachenabstrich und Blutprobe haben sie einen Fragebogen zu Vorerkrankungen, Reise- und Nahrungsgewohnheiten abgegeben. Nun wird die Studie in 300 ausgewählten Haushalten fortgesetzt. Wer aber am 15. Februar denn nun tatsächlich Patient Null auf der Kappensitzung in Gangelt-Langbroich gewesen ist, wird auf Dauer hinter die viel interessantere Antwort auf die Frage treten, wie sich Infektionsketten generell fortsetzen und was eine Dunkelziffer über das jeweils von einem Erreger ausgehende Risiko besagt.

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Womit Streeck noch eine Weile im Dilemma zwischen wissenschaftlicher Exaktheit und immer dringenderen Wunsch nach belastbaren Ergebnissen stecken dürfte. Zum Beispiel, wenn die Aussage, dass Sars-CoV-2 zwar auf Oberflächen und Gegenständen im Umfeld Infizierter und erkrankter Menschen nachweisbar, aber nicht mehr lebensfähig sei, manche zu dem missverständlichen Schluss verleitet, der Virologe halte die Maßnahmen wie Schulschließungen für übertrieben.

Das Virus anzuzüchten wird, so blickte er voraus, einer der nächsten Schritte sein. Ob und wann hingegen bestehende Regeln gelockert werden. ist ein politisches Thema. „Wir Virologen liefern dazu die nötigen Ergebnisse.“ Soweit man sie das tun lässt. Auch so ließ sich diese Videokonferenz verstehen.