AboAbonnieren

„Hart aber fair“Ist Klamroth einfach zu nett?

Lesezeit 3 Minuten
Louis Klamroth vor dem „hart aber fair“-Logo.

Neuer Mann, bewährtes Format: Louis Klamroth

Premiere für Louis Klamroth: In seiner ersten „hart aber fair“-Ausgabe knöpft er sich die Lebenshaltungskosten vor. Wie hat er sich in der Diskussion um Brutto, Netto und Margarinepackungen geschlagen?

Das Nachrichtenjahr hat aufregend angefangen: An Silvester werden Rettungskräfte in Neukölln beschossen. In Lützerath warnt die Polizei vor gewalttätigen Ausschreitungen. Und fast auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Sturm aufs Kapitol werden jetzt auch in Brasilien Regierungsgebäude attackiert.

An heißen Themen mangelt es nicht. Aber für seine erste „hart aber fair“-Ausgabe lässt Louis Klamroth sie alle liegen. Stattdessen knöpfte der 33-Jährige sich die hohen Lebenshaltungskosten vor. Vielleicht auch deshalb, weil hier weniger Fallstricke drohen als in Migrationsdebatten nach dem Silvesterkrawall. Vom Kohleabbau gar nicht zu reden. In Lützerath trat schließlich gerade erst Luisa Neubauer vor die Kameras; dass Klamroth und die Aktivistin ein Paar sind, macht Klima-Talks zum Drahtseilakt. Immerhin fällt das Wort Brasilien noch, wenn auch nur am Ende, in Caren Miosgas Ausblick auf die nachfolgenden „Tagesthemen“.

Armut und Hülsenfrüchte

Da war es bei „hart aber fair“ gerade so richtig gemütlich geworden: In der traditionellen Schlussrunde fragte Klamroth seine Gäste nach Hülsenfrucht-Rezepten. Klingt ulkig, hatte aber Sachbezug: Schließlich steht gerade eine Mehrwertsteuersenkung im Raum, die Bürger bei Obst, Gemüse und eben Hülsenfrüchten entlasten soll. Und damit sind wir mitten in der Diskussion um Armut und Beschränkungen. Dem SPD-Chef Lars Klingbeil missfällt an der Mehrwertsteuer-Idee, dass sie auch reichen Leuten nützt. CDU-Mann Jens Spahn ist ebenfalls eher für gezielte Maßnahmen, erhofft sich vom Wegfall der Mehrwertsteuer aber immerhin eine schnelle Wirkung. An diese These schließt er dann eine Großargumentation an, in der es auch um Atomkraftwerke und Landwirtschaft geht – und um die Abgabenlast von Engin Kelik. Dem Metallarbeiter, der als Mann aus dem Volke mit in der Talk-Runde sitzt, rechnet Spahn mitten in seinem Vortrag noch sein Netto vom Brutto aus.

Den ausufernden Monolog nutzt Klamroth dann für eine erste Duftmarke: „Das war ein ganz schöner Bogen; ich versuche den noch nachzuvollziehen“, sagt er in munterer Ignoranz und fragt die „Spiegel“-Journalistin Melanie Amann schlicht, ob sie von alldem irgendwas verstanden hat. In lustigen Gesten wie dieser scheint eine neue Flapsigkeit auf, für die das Erste Klamroth wahrscheinlich von Pro Sieben geholt hat. Immerhin ist er nur halb so alt wie sein Vorgänger Frank Plasberg (65). Folgerichtig moderiert Klamroth jetzt auch in Turnschuhen; einmal sagt er sogar das Wort „Scheiße“. Was Klamroth nicht mitspricht, ist der Genderstern, den er zumindest als Gast anderer Talkshows verwendet hat. Den versiertesten Kritikern der Öffentlich-Rechtlichen dürfte damit ein zentrales Argument gegen den Neuen wegbrechen.

Bei Twitter beschwerte sich einer ganz ausdrücklich darüber, dass Klamroth zum Verachten einfach zu nett ist. Stattdessen stürzten die Twitterer sich am Premierenabend auf Engin Kelik, den Familienvater, der sich selbst als arm bezeichnet. Erst kürzlich war der Mann aus Melle Protagonist einer „BILD“-Geschichte, die von der Armut unterm Tannenbaum handelte. Dort hatte er moniert, dass er seinen Kindern diesmal keine Smartwatch für 400 Euro schenken könne.

Auch die „hart aber fair“-Redaktion wählt verblüffende Beispiele für die Not der Bevölkerung: Ein eigener Einspieler informiert zum Beispiel darüber, dass neuerdings nicht nur die Rama-Packung bei gleichem Preis viel weniger Margarine enthalte. Die „Shrink-Flation“, erfahren wir, hat sogar den Packungsinhalt der Haribo-Gummibären schrumpfen lassen! Gummibären? Bei allem Spott über die Mehrwertsteuer auf Hülsenfrüchte – wo Bonbons zum Maßstab für unzumutbare Einschränkungen werden, muss Louis Klamroth die Diskussion dann vielleicht doch noch etwas nachjustieren.