„Galataport“Wie ein umstrittenes Luxusprojekt in Istanbul für Ärger sorgt
Istanbul – „Dir gehört die Stadt, dir gehört das Meer“ – so versprach jahrelang die Aufschrift auf einem Bauzaun, der Istanbul und seine Bewohner vom Meer abschnitt. Das historische Hafengelände am Zusammenfluss von Goldenem Horn und Bosporus am europäischen Ufer von Istanbul riegelte der Zaun ab. Ein Konsortium türkischer Konzerne und Banken baute dahinter an einem Großprojekt namens „Galataport“, das Kreuzfahrtschiffe nach Istanbul locken soll.
Nach fünfjähriger Bauzeit wurde der Zaun nun abgerissen und der Komplex enthüllt. Die Stadt und das Meer, so zeigt sich, gehören nur jenen Bewohnern und Besuchern, die genug Geld für den neuen Galataport haben. Konsum, Kultur und Kreuzfahrten kommen in dem Komplex zu einem Luxus-Erlebnis zusammen, das weltweit einzigartig sein dürfte. Einmalig ist vor allem die Lage des Komplexes, der am Zufluss des Goldenen Horns in den Bosporus liegt.
Luxus in Hülle und Fülle auf 400.000 Quadratmetern
Der Komplex selbst ist schonungslos modern mit viel Glas, Stahl und Beton gebaut und umfasst auf 400.000 Quadratmetern hunderte Geschäfte und Restaurants, tausende unterirdische Parkplätze, ein Luxushotel und ein Museum für moderne Kunst. Der Kreuzfahrt-Hafen ist auf originelle Weise integriert: Wenn ein Schiff anlegt, hebt sich die Uferpromenade zu einer senkrechten Mauer, die es von außen abriegelt; darunter kommt eine Rampe zum Vorschein, auf der die Passagiere hinabsteigen ins unterirdische Terminal, wo Zoll und Passabfertigung untergebracht sind. Das hat für einheimische Besucher des Komplexes einen Nachteil, wie sich bei Ankunft der ersten Kreuzfahrten zeigte: Solange ein Schiff im Hafen liegt und die Mauer hochgefahren ist, müssen die Gäste in den Restaurants an der Promenade auf die Aussicht über das Goldene Horn verzichten und blicken stattdessen auf die Mauer.
Kritik: Hier wird eine Mauer zwischen reichen Touristen und armen Bewohnern gebaut
Das Versprechen, Stadt und Meer würden hier fortan den Bewohnern von Istanbul gehören, empfinden Kritiker des Komplexes nicht nur deswegen als Hohn. Der Galataport sei in erster Linie für Kreuzfahrtpassagiere konzipiert, die dort ihre Devisen ausgeben sollen, schrieb Chefredakteur Fatih Polat in der Zeitung „Evrensel“. Der Komplex errichte im wahrsten Sinne eine Mauer zwischen den verarmten Einwohnern der Stadt und reichen Kreuzfahrtpassagieren, schrieb Polat. Auch wenn der Galataport nominell der gesamten Öffentlichkeit offenstehe, trage er doch weiter zur Gentrifizierung historischer Stadtviertel und dem Umbau von Istanbul für privatwirtschaftliche Profitinteressen bei.
Ohne Geld will man hier nicht sein
Tatsächlich hat das eineinhalb Milliarden Euro teure Projekt für durchschnittliche Einwohner der Millionenstadt wenig zu bieten: keine Grünflächen, keine Spielplätze und kein Ort, wo man sich aufhalten könnte, ohne sehr viel Geld auszugeben. Die Preise in den Lokalen entlang der Uferpromenade kritisierte selbst die regierungsnahe Zeitung „Hürriyet“ als astronomisch. Das kulturelle Angebot des Komplexes zielt mit moderner Kunst und Jazzmusik ebenfalls auf die Oberschicht des Landes und westliche Touristen.
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Grundsätzlich sei nichts gegen die Umwandlung historischer Industriegelände in Kulturstätten einzuwenden, schrieb die Architektin Meryem Tasdemir im Fachblatt „Politeknik“, doch sei die Frage dabei immer: für wen? Das Museum für moderne Kunst, das demnächst in dem Komplex eröffnen soll, hält die Architekturkritikerin etwa für ein kulturelles Feigenblatt, dessen Zweck letztlich vor allem darin bestanden habe, im Planungsverfahren die Privatisierung des Bosporus-Ufers und des historischen Stadtzentrums zu legitimieren. Dabei sei die Frage: „Können wir wahrhaftig behaupten, dass dieses Projekt der kreativen Kapazität unserer Stadt dient?“