Sein Verschwinden ist eines der größten Rätsel der Fluggeschichte. Forscher hoffen bei der Suche nach dem verschollenen Malaysia-Airlines-Flieger auf Meerestiere.
Malaysia-Airlines-FliegerWie Seepocken das Rätsel um Flug MH370 lösen sollen
Seepocken sind relativ unscheinbare Tiere. Auf den ersten Blick wirken sie nicht einmal wie Lebewesen, dabei gehören sie zu den Rankenfüßern, die wiederum zu den Krebsen gehören. Diese kleinen Tiere sollen nun dabei helfen, ein Rätsel zu lösen, das Ermittler, Luftfahrtexperten und Forscher aus aller Welt bisher nicht entschlüsseln konnten: Sie sollen die letzte Ruhestätte der verschollenen Boeing 777 der Fluglinie Malaysia Airlines ausfindig machen.
Denn das Verschwinden von Flug MH370 bleibt eines der größten Rätsel der Fluggeschichte, auch mehr als neun Jahre später noch. Zwei Suchaktionen, eine koordiniert von Australien, die andere von Malaysia, konnten die Boeing, die am 8. März 2014 mit 239 Menschen auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking verschwand, bisher nicht auffinden.
Muschelschichten ähneln Baumringen
Ocean Infinity, eine private Firma, die die zweite Suche koordiniert hat, gab im März 2022 bekannt, die Suche 2023 oder 2024 wieder aufnehmen zu wollen, sollte die malaysische Regierung dies genehmigen. Dabei helfen könnten nun die Forschungsarbeiten eines Geowissenschaftlers der University of South Florida. Gregory Herbert hat gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam eine neue Methode entwickelt, mit der sich laut der Wissenschaftler der Driftpfad und die Herkunft von Trümmern des Fluges rekonstruieren lassen.
Herbert setzt dabei auf die Seepocken, die sich auf den Trümmern festgesetzt haben, die nach dem Absturz vor der Küste Afrikas und an der Insel La Réunion angespült wurden. Laut Herbert kann „die Geochemie ihrer Muscheln Hinweise auf den Absturzort geben“.
Herberts Methode extrahiert die in der Chemie der Muscheln gespeicherten Meerestemperaturen. Denn Seepocken und andere wirbellose Meerestiere mit Schale lassen ihre Behausungen täglich wachsen und bilden innere Schichten, die Baumringen ähneln.
Seepocken liegen bei den Behörden in Frankreich
Die Chemie jeder Schicht wird durch die Temperatur des umgebenden Wassers zum Zeitpunkt der Schichtbildung bestimmt. Eine erste Analyse veröffentlichten die Forscher dazu nun im Fachmagazin „AGU Advances“. Zudem erstellten sie bereits eine erste, teilweise Driftrekonstruktion der Trümmer von MH370. „Leider stehen die größten und ältesten Seepocken der Forschung noch nicht zur Verfügung“, sagte Herbert. Letztere bräuchte es aber, um den vollständigen Driftweg bis zurück zur Absturzstelle zu rekonstruieren.
Besagte Seepocken existieren durchaus. Sie liegen aber bei den französischen Behörden. Hier stießen bereits der Geologe Hans-Georg Herbig sowie der Biologe Philipp Schiffer auf taube Ohren. Die zwei deutschen Forscher hatten 2015 Entenmuscheln, mit den Seepocken verwandte Tiere, auf einem der Trümmerstücke ausgemacht und schon damals darauf hingewiesen, dass die Lebewesen dazu beitragen könnten, den Unglücksort zu identifizieren. Denn die einzelnen Arten kommen jeweils nur in bestimmten, von der geografischen Breite abhängigen klimatischen Zonen vor. „Ich bin ziemlich frustriert, weil sich trotz Anfragen auf verschiedenen Kanälen niemand gemeldet hat“, sagte Herbig damals zu „Spiegel Online“. Diese Erfahrung musste auch Herbert machen.
Obwohl die offiziellen Suchaktionen eingestellt wurden, haben etliche Privatleute und Wissenschaftler die Hoffnung nicht aufgegeben, das mysteriöse Verschwinden des Flugzeuges doch noch zu lösen. Darunter ist der US-Privatermittler Blaine Gibson, der die meisten der Trümmerteile des Fliegers, die an der afrikanischen Küste und auf Inseln angespült wurden, gefunden hat. Der Anwalt war nach dem Unglück auf eigene Kosten losgezogen, um Beweise für einen Absturz zu finden und den Angehörigen der Opfer bei der Wahrheitsfindung zu helfen.
Neben Gibson hat auch der Luft- und Raumfahrtingenieur Richard Godfrey Tausende Stunden in die Lösung des bisher größten Rätsels der Luftfahrt investiert. Godfrey hat mithilfe eines eigens entwickelten Luftfahrt-Tracking-Systems Funksignale, die sogenannten „Weak Signal Propagation Reporter“ (WSPR), für den Zeitraum im März 2014 alle zwei Minuten analysiert. Seine Analyse veranlasste das Ocean-Infinity-Suchteam dazu, anzubieten, erneut in den Indischen Ozean aufzubrechen, wo die letzte Ruhestätte von MH370 vermutet wird. Herbert hofft nun – wie auch Gibson und Godfrey – mit seinen Analysen zur Aufnahme der Suche beitragen zu können.