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Fit und mobil im AlterSenior entwickelt E-Rollator fürs Gelände

Lesezeit 3 Minuten
Wo ein normaler Rollator an seine Grenzen stoßen würde, hilft der „E-Hiker“ Gerhart Wissel beim Wandern in den Bergen.

Wo ein normaler Rollator an seine Grenzen stoßen würde, hilft der „E-Hiker“ Gerhart Wissel beim Wandern in den Bergen. 

Weil er auch mit über 90 Jahren in die Natur will, hat ein Tüftler am Bodensee einen Gelände-Rollator mit Elektroantrieb erfunden. Mit seiner Offroad-Gehhilfe hat er viel vor. 

Dem Alter ausgeliefert nur zuhause sitzen und Kreuzworträtsel lösen? „Nein danke“, sagt Gerhart Wissel. Der 92-Jährige will lieber in den Wald und in die Berge. Vor wenigen Jahren noch konnte er das mit dem Mountainbike. Doch nach einem Fahrrad-Unfall ist er auf einen Rollator angewiesen. Weil die meisten Rollatoren aber für die Straße gemacht sind, macht sich der Rentner aus Überlingen am Bodensee selbst an einen Entwurf.

Drei Jahre habe er getüftelt, gerechnet und schließlich eine Art Wanderhilfe mit Elektroantrieb erfunden. „Es musste eine Kombination zwischen Mountainbike und Rollator sein“, sagt der Ingenieur. Heute ist er mit seinem „E-Hiker“ jenseits der Straßen unterwegs – einem stabilen Rollator mit allerlei speziellen Details.

Die Details entscheiden

Besonders die großen Räder mit Geländeprofil fallen auf. Sie würden dabei helfen, Hindernisse zu überwinden und Treppen zu steigen, schildert Wissel. Der Elektroantrieb ziehe ihn die Berge hinauf, eine leistungsfähige Bremse sei für den Abstieg nötig. „Man will ja wieder heil vom Berg runter“, scherzt der 92-Jährige. „Es kommt auf die Details an, die oft nicht genug beachtet werden“, sagt Wissel.

Um die Arme besser entlasten zu können, habe er verstellbare Handgriffe entwickelt. Zum Zubehör gehöre auch eine Schneekette. Der Rollator sei zusammenklappbar und passe in den Kofferraum. Eine große Tragetasche für den Einkauf sei integriert. „Und ein gepolsterter Armsessel und eine Rückenlehne samt Regenhaube.“

E-Rollator sorgt für Skepsis aus dem Umfeld

Sein Umfeld habe zunächst skeptisch auf die Erfindung reagiert, sagt Wissel. „So wie das immer bei Erfindungen ist – zuerst wird man freundlich angelächelt, aber oft als Spinner angesehen.“ Mittlerweile seien die Leute überzeugt. Seine Idee umgesetzt habe eine kleine Fahrrad-Firma im Deggenhausertal.

Hinter Wissels Erfindung stecken viel Leidenschaft und technisches Know-how. „Ich bin Vollbluttechniker, ich habe früher schon als kleiner Lehrling angefangen, Sachen zu konstruieren“, sagt der Rentner. Vor 65 Jahren habe er den ersten Allrad-Schaufellader für den bekannten Bau- und Landmaschinenhersteller Kramer erfunden.

Mobilität im Alter erhalten

Doch es sei nicht nur die Liebe zur Arbeit gewesen, die ihn zu seiner neuesten Erfindung getrieben habe. „Es war eine Notwendigkeit“, sagt der 92-Jährige. „Ich will das Leben noch genießen, dabei sein und draußen im Wald oder in den Bergen meine Zeit verbringen.“

Eine gesunde Einstellung, sagt auch die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Ältere Menschen mobil zu halten sei ein wichtiges Ziel der Altersmedizin, erklärt DGG-Präsident Rainer Wirth. „Ein Rollator ist für viele Ältere mit Mobilitätsproblemen ein echter Segen.“ Ein Rollator senke das Sturzrisiko und verbessere den Aktionsradius. „Wichtig ist der möglichst aufrechte Gang zwischen den Rädern, statt den Rollator mit krummem Rücken vor sich her zu schieben“, betont Wirth.

Erfinder und Maschinenbauer Gerhart Wissel (l) aus Überlingen zeigt vor der Seniorenresidenz Augustinum anderen Senioren seine Erfindung.

Erfinder und Maschinenbauer Gerhart Wissel (l) aus Überlingen zeigt vor der Seniorenresidenz Augustinum anderen Senioren seine Erfindung.

Rollatoren gehören laut AOK zu den Leistungen der Krankenkassen. „Allein bei den „normalen“ Rollatoren sind 108 verschiedene Produkte im Hilfsmittelverzeichnis gelistet“, so ein AOK-Sprecher. Den einen Produkt-Preis für eine Rollatoren-Versorgung gebe es nicht.

Der 92-Jährige aus Überlingen am Bodensee hat einen Turbo-Rollator für den Wald und die Berge erfunden.

Der 92-Jährige aus Überlingen am Bodensee hat einen Turbo-Rollator für den Wald und die Berge erfunden.

Die Preise für Gehhilfen bewegen sich je nach Sanitätshaus und Hersteller im drei- und vierstelligen Bereich. Auch sogenannte Outdoor-Rollatoren bietet der Markt. Den passenden für sich konnte Wissel im Handel aber nicht finden. „Die haben zu kleine Räder, oft schlechte Sitzgelegenheiten, keinen Antrieb und schlechte Bremsen.“

Der Verkaufspreis für Wissels Turbo-Rollator liegt bei rund 5000 Euro, so der Erfinder. Zunächst bringe er zehn Modelle auf den Markt. Drei Bestellungen habe er schon. Die Nachfrage sei aber da, sagt der 92-Jährige. „Es gibt also noch viele so Verrückte wie mich.“ (dpa)