Explosion im ChemparkWelche Warn- und Schutzkonzepte in Leverkusen greifen
- Ein folgenschwerer Chemieunfall auf dem Chempark in Leverkusen hat mindestens ein Todesopfer gefordert.
- Welche Warn- und Schutzkonzepte hat eine Stadt wie Leverkusen in diesen Katastrophenfällen?
- Wir geben einen Überblick
Köln/Leverkusen – Dichter schwarzer Rauch über Leverkusen, kilometerweit zu sehen. Mehrere Stunden stand eine bedrohliche, massive Rauchsäule über dem Werksgelände des Chemparks in Leverkusen. Die Folgen einer schweren Explosion auf dem Werksgelände. Mindestens ein Mensch starb. Vier Werksmitarbeiter sind noch vermisst. Zudem wurden 31 Personen verletzt, ein Mitarbeiter ist noch in Lebensgefahr.
Was genau war nach den bisherigen Erkenntnissen passiert? Die Tankanlage im Entsorgungsgelände Bürrig war nach Angaben von Currenta aus bisher unbekannter Ursache gegen 9.30 Uhr explodiert. Danach kam es zu einem Brand in dem Tanklager, der erst nach Stunden um die Mittagszeit herum von den Feuerwehreinheiten gelöscht werden konnte. Die Bevölkerung wurde angewiesen wegen möglicher gesundheitsgefährdender Gase Fenster und Türen zu schließen und in ihren Wohnungen und Büros zu bleiben, bis die Gefahr vorüber ist.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ordnete das Ereignis in die Warnstufe „Extreme Gefahr“ ein. Wie die Stadt Leverkusen am Dienstag mitteilte, wurden vorsorglich alle Kinderspielplätze in den Stadtteilen Bürrig und Opladen geschlossen. Zudem gab die Stadt eine Warnung aus, wegen der möglichen Verbreitung von gesundheitsgefährdenden Substanzen durch die Explosion Obst und Gemüse aus den Gärten vor dem Verzehr abzuwaschen.
Das betroffene Werksgelände des Chempark Leverkusen gehört zu den so genannten „Störbetrieben“ in Nordrhein-Westfalen. Dafür gibt es landesweite gesonderte Gefahrenabwehrpläne, die in diesem Fall sowohl von der Werksfeuerwehr als auch der Feuerwehr Leverkusen angewandt werden müssen. Wie funktionieren in einem schweren Unglücksfall wie am Dienstagmorgen im Chempark Leverkusen die Warnketten für die Mitarbeiter und die Bevölkerung? Und welche Maßnahmen werden getroffen?
Warn- und Maßnahmen-Kette im Chempark Leverkusen
Auf dem gesamten Betriebsgelände des Chemparks Leverkusen ist eine so genannte „Zentrale Warn-Anlage“ (ZWA) installiert, so Mathias Scheithauer, Sprecher der Currenta. Kern der ZWA sind Warn-Telefone und ein Mailverteiler „Chempark intern“.
Eine Betriebssirene gibt es laut Scheithauer nicht. „Über die Warn-Telefone werden an die Mitarbeiter die Informationen zu einem Unglück weitergegeben. Die Kollegen sind geschult und wissen daher, was zu tun ist“, erläutert der Sprecher. Jedes Werksgelände verfüge über ein Lautsprechersystem, über dass dann die Warnungen an alle Mitarbeiter weitergegeben werden. Diese seien dann verpflichtet, sich an vorgegebenen Sammelorten unverzüglich einzufinden, so Scheithauer. Die Kräfte der Werksfeuerwehr im Chempark arbeiten zur weiteren Gefahrenabwehr eng mit der städtischen Feuerwehr Leverkusen zusammen.
Im aktuellen Unglücksfall wurden zudem alle Mitarbeiter, die nicht in der Produktion arbeiten, nach Hause geschickt. Dies teilte auf der gestern eigens anberaumten Krisen-Pressekonferenz der Leiter der Currenta-Chempark-Standorte, Lars Friedrich, mit.
Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung im Unglücksfall
Grundsätzlich ist das betroffene Unternehmen, im aktuellen Fall der Chempark-Betreiber Currenta, verpflichtet, einen Unglücksfall auf dem Betriebsgelände umgehend an die örtliche Feuerwehr-Leitstelle in Leverkusen weiterzuleiten. Diese gibt dann die Warnungen an die städtischen Behörden und die Bevölkerung weiter. Unter anderem veranlasst sie, dass eine Unglückswarnung über die bundesweite digitale Warnapp „Nina“ an die Bevölkerung in den betroffenen Städten und Kreisen gesendet wird.
Zudem verfügt die Stadt Leverkusen über ein Sirenen-Warnsystem, um die Bewohner bei Großschadensereignissen wie die Explosion am Dienstagmorgen, aber auch anderen Chemie-Unfällen oder Hochwasser und Großbränden, wirkungsvoll zu warnen. Laut Stadtsprecherin Ariane Czerwon verfügt Leverkusen mittlerweile über einen Gürtel von zwölf Sirenenanlagen, die einen Bereich von zwei Kilometern Tiefe rund um den Chempark, das Industriegelände Fixheide, Schlebusch und Quettingen sowie den Bereich der Rheinanlieger in Rheindorf und Hitdorf. Die Sirenen werden regelmäßig bei Probealarmen getestet, die die Berufsfeuerwehr in der Regel einmal pro Quartal durchführt.
Die unterschiedlichen Signale bedeuten bei einer Minute an- und abschwellendem Ton „Warnung bei Gefahren“ und bei einer Minute Dauerton „Entwarnung“. Im Ernstfall bedeutet die Warnung dann für die Bevölkerung: „Gebäude aufsuchen, Türen und Fenster schließen, Lüftungsanlagen abschalten und auf Rundfunkdurchsagen bei Radio Leverkusen oder WDR2 achten.“
Ermittlungen der Brandexperten und der Staatsanwaltschaft Köln
Die Brandermittler der Kölner Polizei werden vermutlich erst in den kommenden Tagen an den direkten Brandort gelangen. Für die Ermittler gleicht die Arbeit nach einem derartigen Schadensbild einer detektivischen „Puzzlearbeit“. In dem Durcheinander von Trümmern, Schutt und Asche müssen die Beamten den Ausgangspunkt des Brandes finden. Dies gehört zu den schwierigsten kriminaltechnischen Aufgaben. Hinweise können durch Hitze verformtes Metall, Asche, geschmolzenes Plastik oder Ablagerungen von Ruß geben. „Der Brandschutt muss erst einmal Schicht für Schicht abgetragen werden“, erklärt die Polizei. Oft sind Spuren durch den Brand selbst oder durch Löschwasser nur schwer zu bewerten. Die Kölner Staatsanwaltschaft hat formal noch kein Ermittlungsverfahren aufgenommen, sagte ein Sprecher der Rundschau. „Die zuständige Abteilung für Branddelikte befasst sich mit dem Fall. Für eine genaue Einschätzung der Situation vor Ort ist es noch zu früh“, sagte der Behördensprecher weiter.
Der Chempark-Betreiber Currenta
Betreiber des Chemparks Leverkusen ist die Firma Currenta. Sie betreut neben dem Chemiestandort in Leverkusen auch den Chempark Dormagen sowie den Chemiepark in Krefeld-Uerdingen. Hier findet ein Drittel der NRW-Chemieproduktion statt. Chemieparkbetreiber wie Currenta sorgen dafür, dass die ansässigen Firmen sicher produzieren können. Sie kümmern sich etwa um den Werkschutz und die Feuerwehr, bauen und betreiben Kraftwerke, die neben Strom in der Regel den für die chemische Industrie wichtigeren Prozessdampf erzeugen, und bauen und betreiben Kläranlagen sowie Sonderabfallverbrennungsanlagen. Zudem kümmern sie sich um den Kontakt zu Behörden und die Öffentlichkeitsarbeit bei schweren Unglücksfällen.
Auf dem Werksgelände Bürrig im Chempark Leverkusen befinden sich drei Hauptbereiche: eine Kläranlage, ein Zwischenlager– unter anderem mit Tanks für flüssige oder gasförmige Sonderabfälle – und die Sonderabfallverbrennungsanlagen.
Currenta erzielte 2020 einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro, mit den Töchtern zusammen 1,6 Milliarden. Der Chempark-Betreiber beschäftigt 3300 beziehungsweise, inklusive der Tochterunternehmen, 5400 Mitarbeiter. (raz/dhi)