Ex-OB Sauerland zur Loveparade„Mein Vertrauen in viele Medien hat arg gelitten“
- 21 Menschen starben bei der Loveparade in Duisburg am 24. Juli 2010.
- Oberbürgermeister Adolf Sauerland sollte damals die Verantwortung auf sich nehmen, doch er weigert sich – bis heute.
- Am 12. Februar 2012 wählten ihn die Duisburger aus dem Amt. Tim Harpers sprach mit ihm.
Ihre Abwahl ist nun achteinhalb Jahre her. Wie geht es Ihnen?Gut, danke. Meine Welt ist kleiner geworden, aber ich bin sehr zufrieden. Ich habe jetzt meinen Alltag in unserem Reisebüro. Das reicht mir.
Sprechen Sie die Menschen noch auf die Loveparade an?
Sauerland: Ganz ehrlich? Eigentlich nicht. Das ist für die Leute um mich herum kein Thema mehr.
Das kann ich nicht glauben...
Sauerland: Nun, ja. Zumindest im öffentlichen Raum. Gelegentlich erreicht mich noch die eine oder andere beleidigende E-Mail. Die versuche ich möglichst neutral zu beantworten, das war es dann aber auch. Im privaten Umfeld habe ich noch etwas mehr mit dem Thema zu tun. Vor allem durch meinen Kontakt zu Hinterbliebenen und Betroffenen.
Kontakt? Sind die nicht sauer auf Sie?
Sauerland: Nein, nein. Ich pflege zu einigen seit Jahren ein gutes, fast freundschaftliches Verhältnis.
Wie kam es denn dazu?
Sauerland: Ich bin angesprochen worden. Wir haben telefoniert und über die Geschehnisse gesprochen. Viel von dem, was damals passiert ist, und was das für die Beteiligten bedeutet, kann man nur ermessen, wenn man mit den Betroffenen redet. Über die Jahre ist da ein Vertrauensverhältnis gewachsen.
Wie bewerten diese Menschen denn, wie in den ersten zwei Jahren nach der Katastrophe mit Ihnen umgegangen wurde?
Sauerland: Das müssten sie eigentlich die Leute selbst fragen. Ich denke aber, dass sie in den Gesprächen und durch die Entwicklungen der vergangenen Jahre gemerkt haben, dass das, was man ihnen speziell im ersten Jahr nach der Katastrophe vermittelt hat, überhaupt nichts mit der Realität zu tun hat. Mein Vertrauen in viele Medien hat damals arg gelitten.
Fühlen Sie sich unfair behandelt?
Sauerland: Natürlich war da nicht alles in Ordnung, was da damals gelaufen ist. Fair und objektiv ist anders. Aber ganz ehrlich. Das interessiert mich alles nicht mehr. Das ist Vergangenheit. Das Gute ist, ich kann da ganz frei mit umgehen. Ich mache keine Politik mehr und will auch keine Politik mehr machen.
Dann sehen Sie bei sich keine Schuld?
Sauerland: Ich habe immer gesagt, es liegt keine Schuld bei der Stadt Duisburg. Wer sich die Einstellungsverfügung des Strafprozesses am Landgericht einmal genau durchliest, wird auch nicht zu einem anderen Urteil kommen können.
Nun, Sie waren immerhin Oberbürgermeister. Und neben einer strafrechtlichen gibt es ja auch eine moralische und eine politische Verantwortung. Hätten Sie nicht wenigstens die übernehmen müssen?
Sauerland: Man muss die moralische Verantwortung übernehmen, wenn man in verantwortlicher Art und Weise Schuld an diesem Unglück hat. Und die habe ich nicht. Ich habe die Loveparade nie gewollt. Und auch die politische Verantwortung lag nicht bei der Kommune.
Bei wem denn sonst?
Sauerland: Veranstaltungsrecht ist Landesrecht. Sowohl die Gutachten zur Loveparade-Katastrophe als auch die Aussagen des Vorsitzenden Richters im Prozess bestätigen mich in meiner Haltung. Lesen Sie sich das durch. Man ist der Ansicht, dass die Veranstaltung in der damaligen Form auch heute wieder genehmigt werden könnte, weil man keine Rechtsänderungen vorgenommen hat.
Sie sehen sich also als Opfer?
Sauerland: So weit würde ich nicht gehen. Aber die Suche nach einem Schuldigen wurde damals schon auf die billigste Art und Weise gelöst. Dass es sich um eine private Veranstaltung handelte, mit einem Sicherheitskonzept, für das der Veranstalter zuständig war, und dass die nicht von irgendeinem Oberbürgermeister, sondern vom Regionalverband Ruhr in die Region geholt wurde – das wollte keiner mehr sehen.
Sie haben gesagt, Sie hätten die Loveparade nie gewollt. Was meinen sie damit?
Sauerland: Ich wusste erst einmal gar nichts damit anzufangen. Eigentlich hätte ich in diesem Jahr lieber die World Games bei uns gesehen. Aber am Ende haben sich diejenigen durchgesetzt, die der Meinung waren: Wenn die anderen Kommunen in NRW das machen, dann können wir uns nicht ausnehmen und machen das auch.
Die Duisburger haben Sie abgewählt. Wie war das für Sie?
Sauerland: Natürlich bitter. Ich habe lange nicht geglaubt, dass die Verantwortlichen eine so einseitige und zum Teil politisch motivierte Kampagne so lange Zeit fahren können. In der letzten Zeit vor dem Abwahltermin ist dann aber auch mir klar geworden, dass das schiefgehen könnte.
Würden sie heute etwas anders machen?
Sauerland: Wissen Sie was, ich habe mal Geschichte studiert. Und für Historiker gibt es eine Frage, die sie sich nie stellen dürfen: Was wäre, wenn? Diese Frage stellt sich bei mir auch nicht. Den Weg, den ich gegangen bin, bin ich gegangen, weil ich ihn damals richtig fand.