Ex-Astronaut Thomas Reiter betont im Interview die Gefahr durch Weltraumschrott und die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit zur Problemlösung.
Ex-Astronaut Reiter„Mulmiges Gefühl, die Einschläge von Weltraumschrott zu sehen“

Thomas Reiter, ehemaliger Astronaut der Europäischen Weltraumorganisation ESA
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Risiko Weltraumschrott: 40.000 Teile erfasste mit einer Größe von mindestens zehn Zentimeter umkreisen die Erde - und noch problematischer sind kleinere Fragmente. 400 Fachleute sprechen bei einem Bonner Kongress über das Thema. Fragen an Thomas Reiter, Jahrgang 1958, ESa-Astronauto von 992 bis 2007 ESA-Astronaut und der achte Deutsche im All.
Herr Reiter, Sie waren 1995/96 auf einem Langzeitflug auf der russischen Raumstation Mir und 2006 für 171 Tage auf der Internationalen Raumstation ISS. Wie haben Sie bei Ihren Raumflügen das Problem des Weltraumschrotts erlebt?
Also, zunächst einmal übt man ja für solche Situationen im Astronautentraining. Die Crew musste sich dann für einen bestimmten Zeitraum in die Sojus-Kapsel zurückziehen. Das geht einem dann in Fleisch und Blut über und das gibt Sicherheit. Allerdings war es schon ein mulmiges Gefühl, abends auf der Mir aus dem Fenster zu schauen und auf der Außenhülle die Spuren der Einschläge von Weltraumschrott zu sehen.
Hatten Sie andere gefährliche Situationen zu bestehen?
Ja, einmal hatten wir eine kontaminierte Atmosphäre aufgrund von Problemen bei der Elektrolyse, einem Experiment, das wir auf der Mir durchgeführt haben. Aber auch da zahlt sich das intensive Training aus, man weiß sofort, was zu tun ist.
Wie ist es beim Weltraumschrott, gibt es etwas, das die Astronauten tun können?
Das ist sehr schwierig, eine hochkomplizierte Aufgabe, größere Objekte wieder einzufangen. Die ESA (European Space Agency) hat da ein Projekt am Laufen, das bei kritischen Objekten zum Einsatz kommen soll, aber das ist sehr aufwendig.
Was sind kritische Objekte beim Weltraummüll?
Kritisch sind die kleineren Objekte, also unter zehn Zentimetern Durchmesser. Die kann ich nicht mit dem Radar erfassen und somit auch nicht ausweichen. Und diese Objekte kommen in einem Zyklus.
Was ist mit Zyklus gemeint?
Alle elf Jahre gibt es eine dichtere Atmosphäre, und diese Partikel sinken im Erdorbit.
Was unternimmt die ESA, um das Problem des Weltraummülls zu verringern?
Es gibt ja bereits eine Zero-Debris-Charta mit 150 Unterzeichnern, wir versuchen, mit den Akteuren eine gemeinsame Strategie und Regularien zu entwickeln. Auch Start-Ups müssen verstehen, dass sie etwas tun müssen, ihre Satelliten entsprechend ausrüsten und Rückholmöglichkeiten schaffen, wenn sie ebenfalls den Orbit nutzen wollen.Da sprechen wir auch über Völkerrecht und über eine Koalition der Willigen.
Die große Konferenz zu Space Derbys hier in Bonn zeigt ja, dass das Thema brisant ist, oder?
Ja, es gibt eine dramatische Zunahme von Satelliten, die jedes Jahr ins All gebracht werden. Etwa 11.000 aktive Satelliten sind es gerade. Und kaum jemand überlegt, was am Ende ihrer Nutzungsdauer aus ihnen wird. Dennoch:Wir brauchen auch Erdbeobachtungs-Satelliten, ich denke da nur an den Klimawandel. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir die richtigen Schritte gehen, um der Bedrohung durch Weltraummüll Herr zu werden.